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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 12
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Eindrücke von den Münchener Ausstellungen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0117

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113 —

Reliefs. Die Kombination von Altar und
Schreibtisch könnte Bedenken erregen, na-
mentlich wenn ans dem Altar celebrirt wer-
den soll; man sieht anch keinen Grund 311
solcher Kombination ein; wer sich den Luxus
eines Hausaltars verstatten kann, wird doch
sicher daneben auch noch ein eigenes Pult
haben.

Unter den gothischen Altären suchte der
von Steiner in Fürsten seid-Bruck
eine Verbindung von Flügelaltar und Ta-
bernakelaltar herzustellen und zugleich eine
willkommene Verbindung von Malerei und
Skulptur. Der in guten Maßen dem Mit-
telbau eingefügte Tabernakel dürfte organi-
scher mit dem Ganzen verbunden sein und
schließt mit Zinnen ab; über ihm das ge-
malte Bild des Abendmahls; die Flügel
decken die Retablesläche bis zum Tabernakel
und mit kleinen Nebenflügelchen auch das
Abendmahlsbild zu. Das Ganze wirkt gut
bis auf die Krönung oben: einige über den
mächtigen Bau trostlos aufstarrende Fialen,
die viel besser ganz weggeblieben wären.
Ein eigenthümliches Werk hatte Radspie-
ler in München ausgestellt; über einer
ziemlich großen Predella, auf welche das
Fegfeuer gemalt ist, erhebt sich der Aufsatz
mit drei Bildnischen; die Rahmen der Nischen
und ihre Krönungen nach spätgothischer Art
ans knorrigem Astwerk gebildet; das Ganze
in Gold getaucht. Die reiche und kostspielige
Arbeit ermangelt doch sowohl der kräftigeren,
als der zarteren Wirkung; die konstruktiven
Glieder können nicht ungestraft mit Stecken-
und Stabwerk vertauscht werden; das Or-
nament ist eben das einer Versallzeit; die
Goldmassen treten zu unverschämt ans; die
Granatapfelmusternng der Mittelnische ist zu
derb und plump. Besonderer Tadel muß
noch ausgesprochen werden über das Feg-
senerbild; das ist kein Fegseuer mehr, son-
dern die Hölle; diese Gestalten haben die
Verzweiflung im Angesicht; zudem sind zwei
Frauenbilder nicht mehr decent zu nennen.
Das Atelier von S im ml er und Vena-
tor in Offenburg ist durch einen Altar
für die Kirche in Gengenbach gut vertreten;
nur daß die Thüre des Tabelnakels lediglich
ein flaches Brett mit elendem Beschlag ist,
kann man nicht loben. Der Marienaltar
von Georg Lang in Oberamm erg au
wäre recht ordentlich, steckt aber in einem
seltsamen grünlich-gräulich-bläulichen Farben-
gewand und hat zwei Statuen von Kirchen-
vätern in hysterisch exaltirter Haltung. Der
gothische Hochaltar von Jos. Elsner in
München hat in der Arbeit und Orna-
mentik viel Tüchtiges, dabei aber den großen
Fehler, daß er kein Hochaltar ist; das Ma-

rienbild dominirt viel zu sehr, der magere,
engbrüstige und ungenügende Tabernakel
kann unter demselben incht mehr allskommen;
die Verbindung der Seitenballten mit der
Mittelnische, das organische Herallswachsen
der hohen Baldachinkrönungen über beit
Seitentheilen läßt viel zu wünschen übrig;
die Engel an der Predella falten auf durch
das Gegentheil von geistreichem Gesichtsaus-
drnck. Ordentlich, wenn alich nicht ganz
tadellos, ist der Nebenaltar von Riesen-
hnber in München, dessen Skulpturen
aber affektirte Haltung zeigen. In der
Konstruktion verunglückt, muß der voil Vogt
in M e m m i ll g e n für die (protestantische?)
Kinderlehrkirche gefertigte genannt werden,
mit nur Einer Bildnische. Diese Nische, in
welcher eine weiß angestrichene Skulptur:
Christus (mit starkem Biedermannsausdruck)
mit Kindern, steht, ist mit schönem Balda-
chin geschlossen; nun aber ragt über letzteren
ein Glied empor, daS mit keinem technischen
Namen bezeichnet werden kann; es hat die
Funktion, einen zweiten hohen Baldachin zu
stützen, der stark vorragt, als wollte er etwa
den Geistlichen vor Regen schützen. Neben
diesen großen Werken war noch eine Reihe
meist viel mehr befriedigender, recht sau-
ber gearbeiteter Haus- und Wandaltärchen
gothischen Stils zu sehen, die aber an stil-
voller Behandlung und nobler Ornamentik
alle Übertrossen wurden von einem ganz un-
tadeligen, in feinster Renaissance ansgeführ-
ten Altärchen mit Elsenbeinreliefs, dessen
Meister ich leider nicht zu nennen vermag.
An letzter Stelle ist zu nennen der von
Joh. Schaidhanf in München gefer-
tigte Altar für die Wallfahrtskirche in
Wem ding, im aufgelegten Rokokostil ge-
halten. Daß der Stil konsequent dnrchge-
führt ist, auch mit allen seinen unliebens-
würdigen Eigenschaften, ist unleugbar; eine
andere Frage allerdings die, ob man gut
daran that, sich vom Rokokoban diesen Stil
so tyrannisch aufnöthigen zu lassen; dieser
Bau hätte sich auch mit einem um viele
Grad reinlicheren Renaissancestil versöhnen
müssen und versöhnt; keinenfalls zu loben
ist die Nachbildung der damals üblichen stark
geschweiften, höchst unpraktischen Form der
Mensa. Der Altar ist bis zur Predella
aus schönem rothen Marmor, ans welchem
aufgesetzte Bronceornamente sich trefflich
ausnehmen, von da an aber aus marmor-
farbig angestrichenem Holz — also nicht ein-
mal aus Stuckmarmor; der Preis von
20 000 Mark erregt darum einige Verwunde-
rung. Sehr hübsch ist ein durchbrochener
Metallbaldachin über der Nische für das
Gnadenbitd. Ganz für sich steht endlich ein
 
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