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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 2
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Erweiterung und Vergrößerung von Kirchen, [2]
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Keppler, Eugen: Deutschlands Riesenthürme, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0018

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14

bürg steht ein gothisches Münster mit
einem romanischen Chor; lichte, gothische
Chöre vermählt mit einem romanischen
Schiss, romanische Thnrmchöre mit gothi-
schen Langhänsern — das ist gar nichts
Ungewöhnliches; hier hat die romanische
Zeit das Schiss gebaut, die gothische einen
stattlichen Chor vorgesetzt, die Renaissance
oder gar Zopfzeit eine schöne Kapelle ans-
gebant, — aber alles fügt sich so gnt
znsammen, daß man ein großer Stilfana-
tiker sein müßte, um sich daran zu ärgern.
Diese Verbindungen wirken nicht störend
einmal ans dem Grnnde, weil sie nicht
das Produkt der Lanne nnd Willkür sind;
sie sind historisch gerechtfertigt und erklär-
lich und die alle Kontraste nnd Differenzen
mild ausgleichende Legitimation der histori-
schen Entwicklung kommt ihnen zu statten.
Sodann hat man auch viel zu sehr die
Gewohnheit, die verschiedenen Stile als
feindliche Brüder anznsehen, die auf Leben
und Tod einander befehden, wo immer sie
znsammentreffen. Das ist aber kaum das
thatsächliche gegenseitige Verhalten der am
weitesten auseinander liegenden Stile.
Wenn also auch bei Erweiterungen alter
Kirchen sich einige Stildifferenzen ergeben
würden, so wäre das noch nicht das größte
Unglück. Aber diese Differenzen sind ja
durchaus nicht nothwendig und unvermeid-
lich. Man bestrebt sich selbstverständlich,
die neuen Bantheile den alten im Stil
möglichst zu konformiren. Romanische
Bauten werden im romanischen Stil ver-
größert, gothische im gothischen, Barock-
banten im Barockstil. Wir sind im Stil-
gefühl und im technischen Vermögen ja
so weit, daß genaue und richtige Nach-
bildung von Altem uns keine Schwierig-
keit mehr bereitet. Wenn man wegen
Bescheidenheit der Mittel die neuen Theile
nicht in der reichen Ornamentik der alten
erstellen kann, so wähle man eben die ein-
facheren Formen desselben Stils; dadurch
wird noch keine Dissonanz hervorgernfen.
Bei Zopfbanten kann es mitunter fraglich
sein, ob man Auswüchse des ursprünglichen
Baues am Anbau xeproduziren soll; man
wird hier Exzesse der Ornamentik nicht
nachbilden, sondern sich einfach an die
konstruktiven Hauptlinien halten. Stillose
Bauten ist man genöthigt, eben auch in
möglichst indifferentem Stil zu erweitern;

das Hanptgesetz ist hier das der größten
architektonischen Einfachheit und Anspruchs-
losigkeit; wollte sich in solchem Falle der
Anbau dem alten Ban gegenüber durch
pretiöse Architektur in's Licht fetzen, so
würde er nur sich selbst lächerlich und
die Disharmonie des Ganzen noch schreien-
der machen; der beste und schönste Schmuck
werde vielmehr für das Innere Vorbehalten.

Namens der Stileinheit hat man also
keineswegs das Recht, gegen Erweiterungen
überhaupt zu eisern nnb unbedingt Neu-
bauten das Wort zu reden. In den
meisten Fällen wird es möglich sein, alte
und neue Theile in einem Stil znsammen-
znschließen; wo es nicht möglich ist, ist
es auch nicht nöthig und ist die Dispens
vom Gesetz der Stileinheit von selbst ge-
geben. (Fortsetzung folgt.)

Deutschlands Riesenthürine.

Von Stadtpfr. Eng. Keppler in Frendenstadt.

(Fortsetzung.)

Im Genuß solch gewaltiger Konzeptio-
nen lassen wir uns durch kein auch noch
so maßgebendes Urtheil stören! Zwei
Wege gibt es, Kunstwerke ersten Ranges
zu betrachten. Der eine zieht es vor,
sich urtheilend über sie zu erheben; der
andere: liebend in sie einzngehen, bewun-
dernd sich von ihnen hinanziehen zu lassen.
Wir wählen das letztere! — Und zwei
Wege gibt es, verwandte Kunstwerke mit
einander zu vergleichen. — Ein gewisser
verwilderter Dichter läßt, um den „klei-
nen Französlein" den Kampf der Sieg-
friedff'chen Helden drastisch zu versinnbil-
den, in fast Brenghelffcher Vision die
deutschen Dome am Rhein in ungeheurem
Ringkampf sich messen. Unsere Sache ist
dies nicht! Jeder dieser Riesen hat, wie
schon gesagt, seinen besonderen Werth.
Diesen aus sich selbst zu erkennen und
durch Vergleichung mit den Brüdern in
helleres Licht (nicht in Schatten) zu stellen,
sei unsere Sache.

Wir haben gesucht, den Gesammteindruck,
welchen jeder unserer fünf Riesenthürme
auf den Beschauer unmittelbar hervorbringt,
festznstellen und zu zergliedern. Im Fol-
genden haben wir wenigstens in soweit
auf die Einzelheiten eines jeden einzugehen,
als sich ans ihnen jener Gefammteindruck
 
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