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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 3
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Erweiterung und Vergrößerung von Kirchen, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0025

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Archiv für christliche Kunst.

Organ des Rottenburger Diözefan-Vereins für christliche Runft.

berausgegeben und redigirt von Professor Dr. Aeppler in Tübingen.

Verlag des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Di'. Koppler.

Or.

0*

Erscheint monatlich einmal. Halbjährl. für M. 2. 05 durch die württemb. (M. l. 90
im Stuttg. Bestcllbezirk), M. 2. 20 durch die bayerischen und die Reichspostanstalteu,
fl. 1. 27 in Oesterreich, FrcS. 3. 40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags
direkt von der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, llrbansstraßc 94,
zum Preise von M. 2.05 halbjährlich.

1889.

Erweiterung und Vergrößerung
von Airchen.

(Fortsetzung.)

Ein anderes Bedenken bildet bei Vielen
das Gesetz der Raumeinheit. Ein
ununterbrochener Jnnenraum mit möglichst
allseitigem und ungehemmtem Blick aus
Altar und Kanzel sei die anzustrebende
Jnnenanlage einer Pfarrkirche; die Zer-
splitterung des Kirchenraums in viele
Nebenräume ohne direkte Verbindung mit
dem Chor sei, wo immer möglich, zu ver-
meiden. Gerade Anbauten und Vergröße-
rungen aber schassen säst immer wie nach
außen das Bild eines Flickwerks, so nach
innen statt eines Raumes mehrere zer-
stückelte und zerrissene Räume. So vielen
Anschein der Richtigkeit dieser Einwand
haben mag, er ist vollständig grundlos
und das angebliche Gesetz, auf welches
er sich beruft, existirt tatsächlich gar nicht.

Von einem solchen Gesetz könnte höch-
stens etwa bezüglich der protestantischen
Kirchen die Rede sein. Der katholische
Kirchenbau hat das Prinzip der absoluten
Raumeinheit nie anerkannt, vielmehr von
jeher das Prinzip der Raumeintheilung
zur Durchführung gebracht in der mehr-
schiffigen Anlage, in der Einfügung eines
Querschiffs, in den Seitenkapellen und
Chorumgängen, in der Anschiftung von
Beicht-, Tauf-, Altarkapellen. Daß das
Volk möglichst in seiner Gesammtheit aus
den Altar sehe, kann man im allgemeinen
für wünschenswerth erklären, aber es ist
nicht absolut nothwendig, denn die Ver-
bindung mit dem Altar und der Liturgie
wird ja nicht bloß durch das Gesicht her-
gestellt. Eine „Zerreißung" des Jnnen-
raumes ist ja durchaus nicht nothwendige
Folge jeder Erweiterung; ein Anbau in
der Längenachse zerreißt nicht, verlängert
nur den Kirchenraum; ein seitlicher Aus-

bau zerreißt ihn nicht mehr als jede mehr-
schiffige Anlage. Wo aber in Folge der
Erweiterung mehrere, mehr oder weniger
gesonderte Räume sich bilden, da haben
wir für dieselben die beste Verwendung.
Hier konnte zwar das alte Chörchen nicht
in seiner bisherigen Funktion belassen, aber
doch erhalten werden; es steht vielleicht
jetzt neben bent neuen Chor oder an einer
Längswand des Schisses; nach außen bil-
det es eine ganz willkommene Bereicherung
der architektonischen Ansicht, im Innern
kann man es vorzüglich brauchen für einen
Nebenaltar oder für den Tausstein, oder
für einen Beichtstuhl, und gar bald wird
es ohne allen Zweifel ein dem Volk be-
sonders liebes Gebetswinkelchen sein. Was
schadet es also hier, daß neben dem Hanpt-
raum ein kleiner Nebenranm sich gebildet
hat? An einem andern Ort ist es mög-
lich, aus der einen Chorseite hinauszu-
fahren und dadurch eineu Nebenchorraum
zu erhalten mit direktem Blick auf den
Hochaltar; dieser für sich abgeschlossene
Raum läßt sich vortrefflich verwerthen;
man kann hier unter Umständen die ganze
Schuljugend unterbringen in einer Weise,
daß sie vom Gros der Gemeinde abge-
trennt, sehr leicht zu überwachen ist und
sehr gut auf den Altar sieht; oder man
kann den Raum für die besseren Leute
Vorbehalten. Wieder in einem andern
Fall konnte vom alten Bau noch ein Theil
stehen gelassen werden, der jetzt außer aller
Symmetrie irgendwo am Langhaus sich an-
schiftet, wozu ihn wegreißen? was thut er
dem Hauptraum zu leide? er ist wie ge-
schaffen dazu, für einen Beichtstuhl ein
abgeschiedenes stilles Plätzchen zu bieten.
Das ist es ja eben, was alte Kirchen so
anziehend, reizvoll, so heimlich und traut,
dem Volke so thener macht, daß man in
ihnen nicht ans Einen Blick von Wand zu
Wand alles überschauen kann, daß man
 
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