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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 3
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Erweiterung und Vergrößerung von Kirchen, [3]
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Keppler, Eugen: Deutschlands Riesenthürme, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0027

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23

Materials, wegen des möglichen Zusammen-
treffens von Bröckelgemäuer und Quader-
oder Backsteinbau, wegen Verlust der
Ostung u. s. f. Jene Materialien werden
sicher keinen Krieg mit einander anfangen
und die Ostung ist keine absolut verbind-
liche Norm. (Fortsetzung folgt.)

Deutschlands Riesentbürme.

Bon Stadtpfr. Eng. Keppler in Freudenstadt.

(Fortsetzung.)

Läßt denn übrigens die Ueberleitung
zwischen dem ersten und zweiten Stockwerk
zu wünschen übrig? Dieselbe ist so gut
als es bei ungleichartigen Theilen nur
immer möglich: und das ist die zweite Ur-
sache der einheitlichen Wirkung. Auch
unser Knnstrichter bei Corblet gibt zu, „daß
die übrigens mageren Umrißlinien des Unter-
theils hinlänglich aufeinander gehen und
zum Ganzen stimmen". Die Masse der
Eckstreben hält ja nicht bloß den viereckigen
Bau zusammen, sondern dieselben verjüngen
sich zusehends und wachsen, an den be-
deutenderen Einsprüngen mit sialenbekrönten
Heiligenhäuschen belebt, deutlich genug in
die Höhe. Die obersten dieser Fialen
tragen die Bewegung über die erste Um-
gangsgallerie noch hinauf; anderseits greift
das Achteck in seiner Wurzel unter die-
selbe herab. Noch unterhalb derselben
(neben der Uhrentasel) zieht sich die Haupt-
masse um so viele Theile uach innen zurück,
daß sich die Grundlage für den achteckigen
Bau und für die vier dreiseitigen Achteck-
thürme bildet. Kann also die viel ge-
schmähte, übrigens ans das zierlichste im
Vierpaß durchbrochene Gallerte das Untere
vom Oberen scheiden? So wenig als ein
Gürtel den Leib des Helden entzweischneidet,
den er umfängt! Selbst ein so gründ-
licher Beurtheiler, wie Möller, finbet an
diesem Uebergang nichts auszusetzen und
stellt ihn sogar zusammen mit der unüber-
trefflichen Verschmelzung der Theile, welche
den Oberbau auszeichnet. „Besonders
meisterhaft (schreibt er a. a. O.) erscheint
von dem mittleren Theil abwärts die Ver-
bindung mit dem viereckigen Untersatz;
oberhalb der Uebergang ins Achteck und
die verständige Verbindung beider Stock-
werke des Achtecks in eine Hauptmasse."
Dieser Uebergang aber und die letztgenannte

Verbindung bewerkstelligen sich folgender-
maßen — sie erforschen, heißt das Wesen
des deutschen Thurmbaus selbst erforschen
und die Gothik in ihren tiefsten Geheim-
nissen belauschen.

In schweren, nur durch kleine Fenster
(Schalllöcher) durchbrochenen Mauermassen
beginnt, zugleich mit dem zweiten Stock-
werk, das Oktogon, jedoch ohne sofort als
solches offen hervorzutreten. Nach den
Eckseiten hin umstellen es die vier mäch-
tigen dreiseitigen Fialenthürme, welche in
der Wurzel mit ihm verwachsen, ihm vor-
erst noch ein vierseitiges (eigentlich, in der
Nähe gesehen, da sie die acht Ecken durch-
blicken lassen, gewissermaßen zwölfseitiges)
Ansehen verleihen. Aber die Massen lösen
sich vom ersten Gesims dieser Strebethürme
an. Diese selbst lichten sich zu mehr-
gliedrigen Tabernakeln, welche ihrerseits
mehrere und darunter je eine die übrigen
ums Doppelte überragende Spitzsäule als
Trabanten neben dem Hauptkörper in die
Höhe schicken. Dieser selbst, frei geworden,
öffnet sich nach allen acht Seiten hin in
gewaltige, dreigetheilte, mit reichgeschmückten
Wimpergen gekrönte Fenster. Zwischen
denselben die acht schlanken Pfeiler, in
Spitzpyramiden austönend, fortan die ein-
zigen festen Theile des Achtecks, bieten nun
ihre Schultern als Stützen den acht Helm-
rippen dar, die trotz ihrer scheinbaren
Schwäche sich kräftig einander entgegen-
stemmend die mächtige Kreuzblume uun
schon manch' Jahrhundert sicher zum Himmel
heben. Die Felder zwischen den Rippen,
nach oben mehr und mehr sich verengend,
sind mit zierlichen Rosetten wie mit den
zartesten Fäden übersponnen, und der er-
staunte Wanderer, der im Brennpunkt all'
der Herrlichkeit auf der Plattform (am
Fuß der großen Fenster des Achtecks) sich
befindet, sieht über sich, durch keinerlei
trennendes Zwischenglied beengt, wie ein
Gebild von Feenhänden den duftigsten Dom
sich weben und über ihm, durch all' sein
luftiges Formenspiel hindurch, des Himmels
Blau. (Von der unteren Umgangsgallerie
aus die Plattform gelangt man ans einer
Wendeltreppe von 56 Stufen; 70 weitere
Stufen führen nach dem oberen Umgang,
welcher die Pyramide umzieht. Diese mißt
an ihrem Fuß 36 m im Umfang.)

„Ich mußte beim Anblick dieses Thurmes, der
 
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