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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 3
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Keppler, Eugen: Das Bildwerk des Taufsteins in Freudenstadt, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0030
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26

Esel vertreten, wenn er gesättigt im duf-
tigen Grase ruht: gerade dies Ausruhen
nach vorausgegangener Sättigung bezeichnet
den gestillten Hunger nach Wahrheit. Unser
fragliches Thier ist aber in springender
Bewegung dargestellt. Es zeigt augen-
scheinlich mehr Leben als alle die anderen
Thiergestalten zusammen. Und der Schweif
ist zu stark und zu lang für einen Esel,
die Ohren aber sind zu kurz. Uebrigens
rennt kein wilder Esel gegen einen Drachen.
Vielmehr flieht er Mensch und Vieh, er
der „Einsiedler für sich allein", ein Aus-
druck des Propheten (Oseas 8, 9), der
offenbar den höchsten Grad der Verein-
samung ausdrückt. Nein, es ist kein Esel.
Was ist es denn? Daß uns doch die
Pflanze Auskunft gäbe, die so geheimniß-
voll zwischen ihm und dem Drachen steht.
Sie ist genau so gebildet, wie jenes drei-
blätterige Kraut in dem Schlangenring
vor dem Hirsch. Da sie unversehrt da-
steht trotz Drachengischt und Schlangengift,
so muß sie wohl zu den wunderbaren
Kräutern gehören, mit welchen Mensch
und Thier sich dieses Gezücht vom Leibe
hielt oder doch sich gegen das Gift schützte.
(Als Heilmittel galten u. a. der gemeine
Knorpellattich, der wilde Epheu, die Menthe;
Plin. N. G. 8, 61; als Schutzmittel: die
Raute. „Wenn das Wiesel mit der Schlange
in den Kampf will, so kaut es Raute und
geht dann getrosten Muthes wie gepanzert
und gewappnet in den Streit; die Raute
ist nämlich der Scklange höchst feindlich."
Ael. Th. G. 9, 26. 4, 14.) Doch bei
dem allgemeinen Gebrauch solcher Mittel
ist aus keine bestimmte Thierart zu schließen.
Aber bestimmte Thiere werden als er-
klärte Gegner des Drachen namhaft ge-
macht. Darin liegt es offenbar! Wie
wäre es, wenn wir diese suchten? Wir
suchten und fanden nur drei: die Tauben,
den Elephanten und den Panther (vgl.
Corblet 1864, S. 86). Und ist das Frag-
liche kein Panther? — Wie er leibt und
lebt! Nichts kann ähnlicher sein. Der
Kops, der Sprung nach Katzenart, der
mächtige Schweis mit dem blattförmigen
Haarbüschel, die scharfen Klauen, alles
paßt, und die Symbolik, wie paßt erst sie!
(Die Größe der Thiergestalt ist gleich-
giltig; sie richtete sich nur nach dem aus-
zusüllenden Raum.)

Die Thierbücher wissen Wunders viel
zu sagen von der Schönheit des Panthers,
dem Farbenglanz seines Felles, von seiner
Milde und seinen sonstigen Vorzügen,
welche ihn zum Liebling der Thierwelt
machen. Nur der Drache haßt ihn und
stellt ihm nach auf jegliche Weise. Doch
läßt er sich durch ihn nicht hindern, auf
Beute auszugehen. Er nährt sich von
verschiedenem Fleisch, und nachdem er sich
gesättigt, sucht er sein Lager auf und schläft
drei Tage lang einen tiefen Schlaf. Nach
seinem Erwachen rennt er, indem er einen
durchdringenden Laut ausstoßt, durch den
Wald und die ganze Thierwelt gibt ihm
das Geleit, angezogen und an ihn gefesselt
durch einen süßen Wohlgernch, der seiner
Kehle entströmt und sich seiner ganzen
Umgebung mittheilt. Aber dem Drachen
ist nichts mehr zuwider als dieser Duft.
Darum flieht er vor der Stimme des
Panthers soweit er kann, verkriecht sich in
seine Höhle und bleibt dort zitternd und
wie leblos liegen.

Die Deutung dieser Sage lautet ein-
stimmig so: Der Panther bezeichnet Jesum,
den Schönsten unter den Menschenkindern.
Sein reicher bunter Farbenschmelz sinn-
bildet die Tugenden des Erlösers: seine
Milde, seine Geduld, die göttliche Liebe,
die ihn trieb bis zur Opferung seiner selbst,
bis giiv Berufung der Heiden. Der Panther
sättigt sich mit verschiedenem Fleisch: Jesus
wird gesättigt von Schmach und Schmerz.
Des Panthers Erwachen bedeutet die Auf-
erstehung; sein Lockruf, seine Anziehungs-
kraft auf die Bewohner des Waldes sinn-
bildet den unwiderstehlichen Zauber des
Wortes Gottes, das mit Macht und Lieb-
lichkeit erschallt und die Herzen einnimmt.

Endlich der knirschende, fliehende Drache,
der halbtodt sich in seinem Schlupfwinkel
verbirgt, das ist der Teufel, welchen Jesus
bei seinem Hinabsteigen in die Unterwelt
fesselte und der seitdem in ohnmächtiger
Wuth schnaubt. (Vgl. Corblet 1864,
S. 91 f.) Die Hauptzüge dieser Sage
nun finden wir in dem Bildwerk, das uns
beschäftigt. Der Drache schnaubt Feuer
und Flamme gegen den Panther: unaus-
löschlicher Haß des Feindes. Die Schlange
flieht athemlos vor dem Panther, wobei
nur fraglich, ob sie den Schlupfwinkel
erreicht: Niederlage und Ohnmacht des
 
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