Archiv für christliche Ärmst.
Organ des Kottenburger Diözesan-Vereins für christliche Kunst.
perausgegeben und redigirt von Professor Dr. Kcppler in Tübingen.
Verlag des Rottenburger Diözefan-Aunstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Dr. Reppler.
Lr. 4.
Erscheint monatlich einmal. Halbjährl. für M. 2. 05 durch die wiirttemb. (M. I. 90
im Stuttg. Bestcllbczirk), M. 2. 20 durch die bayerischen und die Reichspostanstaltcn,
sl. 1. 27 in Oesterreich, Frcs. 3. 40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags
direkt von der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, Urbansstrahc 94,
zum Preise von M. 2. 05 halbjährlich.
1885».
Erweiterung und Vergrößerung
von Kirchen.
(Fortsetzung.)
Sollen wir den wahren Grund nennen,
warum vielfach die Erweiterung alter
Kirchengebäude bekämpft und widerraten
wird, so erscheint uns als solcher einmal
die Schwierigkeit, sodann die U li-
sch einbar keit solcher Erweiterungs-
arbeit. Eine Kirche erweitern ist, was
wir schon oben sagten, in den meisten
Fällen schwerer, als eine neue Kirche
bauen; in allen Fällen aber muß es sür
einen auf Ehre und Ruhm erpichten Archi-
tekten undankbarer erscheinen. Hier ist
keine Gelegenheit, sich eineil Namen vor
der Welt zu machen, seinem Ruhme ein
Denkmal zu errichten, eilt Werk zu er-
stellen, das man so recht das Kind seines
Geistes und seiner Kunst nennen kann.
Hier hängt sich ein alter Bau als Schwer-
gewicht an die Schwingen des künstlerischen
Schaffens; man muß von ihm sich Gesetze
geben lassen, man muß ihm folgen, selbst
wenn er vielleicht künstlerisch gar nicht
hochsteht; man darf auch keinen Versuch
lnachen, ihn durch den angesügten neuen
Theil übertreffen und zu Schanden stellen
zu wollen. Lauter Pflichten, welche eine
gewisse Entsagungskraft, Selbstlosigkeit und
Selbstüberwindung voraussetzen, moralische
Kräfte, die da llicht fehlen werden, wo
nicht Egoismus und Ruhmsucht die einzige
Triebfeder künstlerischen Schaffens find,
wo noch ein höherer Gedanke an die Ehre
Gottes und den Dienst der Kirche den
Künstler beseelt. Jene Künstlereitelkeit,
welche vornehm sich weigert, an einen alten
Bau liebevoll Hand anzulegen, um ihn
zu erweitern, schlägt sich übrigens selbst,
wie es der Eitelkeit oft ergeht; es mag
ja sein, daß Unverständige geneigt sind,
das Werk einer Erweiterung und Ver-
größerung niedrig zu taxiren; wer etwas
versteht, wird ein gelungenes Werk dieser
Art wahrlich nicht niedrig anschlagen; der
Meister desselben wird außer dem Be-
wußtsein einer wahrhaft guten That, außer-
dem Dank einer beglückten Gemeinde auch
die Anerkennung des Einsichtigen zu seinem
Lohne haben; sein Künstlername wird
nicht geschädigt sondern gefördert werden.
Nachdem festgestellt ist, daß im all-
gemeinen Hindernisse künstlerischer, ästhe-
tischer oder praktischer Art gegen Ver-
größerungen und Erweiterungen von Kir-
chen nicht bestehen, mögen die für solche
bauliche Veränderungen giltigen Haupt-
g r u nd s ä tz e zur Darstellung kommen.
Nehmen wir den Fall so konkret als
möglich. Ein Pfarrer macht die Wahr-
nehmung, daß allmählig seine Parochianen
nicht mehr alle Platz finden in den
Stühlen. Die Kinderbänke reichen nicht
mehr; während des sonntäglichen Gottes-
dienstes müssen auch von den Erwachsenen
manche in den Gängen stehen; die Em-
poren sind überfüllt; schließlich find auch
die Gänge ganz besetzt und schon muß
ein Theil der Kirchgänger vor der Kirche
stehen bleiben; die Kirchthüre kann nicht
mehr geschlossen werden; Unruhe und Ge-
dränge stellt sich ein. Sobald derartige
Erscheinungen zu Tag treten, muß sich die
ganze Aufmerksamkeit des Pfarrers ihnen
zuwenden; er darf nicht zuwarten, bis das
Uebel den Höhegrad erreicht hat. Sein
Erstes wird sein müssen, daß er eine ge-
naue Untersuchung anstellt, ob nicht we-
nigstens zur Stillung des momentanen
Bedürfnisses oder zu einiger Abhilfe bis-
her unbenützte Räume dessKirchen-Jnnern
verwerthbar gemacht werden können, ob
es nicht räthlich sei, einstweilen den bis-
her freigebliebenen Chorraum den Kindern
einzuräumen u. f. w. Wiewohl letzteres
nur als nothwendiges Uebel geduldet wer-
Organ des Kottenburger Diözesan-Vereins für christliche Kunst.
perausgegeben und redigirt von Professor Dr. Kcppler in Tübingen.
Verlag des Rottenburger Diözefan-Aunstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Dr. Reppler.
Lr. 4.
Erscheint monatlich einmal. Halbjährl. für M. 2. 05 durch die wiirttemb. (M. I. 90
im Stuttg. Bestcllbczirk), M. 2. 20 durch die bayerischen und die Reichspostanstaltcn,
sl. 1. 27 in Oesterreich, Frcs. 3. 40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags
direkt von der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, Urbansstrahc 94,
zum Preise von M. 2. 05 halbjährlich.
1885».
Erweiterung und Vergrößerung
von Kirchen.
(Fortsetzung.)
Sollen wir den wahren Grund nennen,
warum vielfach die Erweiterung alter
Kirchengebäude bekämpft und widerraten
wird, so erscheint uns als solcher einmal
die Schwierigkeit, sodann die U li-
sch einbar keit solcher Erweiterungs-
arbeit. Eine Kirche erweitern ist, was
wir schon oben sagten, in den meisten
Fällen schwerer, als eine neue Kirche
bauen; in allen Fällen aber muß es sür
einen auf Ehre und Ruhm erpichten Archi-
tekten undankbarer erscheinen. Hier ist
keine Gelegenheit, sich eineil Namen vor
der Welt zu machen, seinem Ruhme ein
Denkmal zu errichten, eilt Werk zu er-
stellen, das man so recht das Kind seines
Geistes und seiner Kunst nennen kann.
Hier hängt sich ein alter Bau als Schwer-
gewicht an die Schwingen des künstlerischen
Schaffens; man muß von ihm sich Gesetze
geben lassen, man muß ihm folgen, selbst
wenn er vielleicht künstlerisch gar nicht
hochsteht; man darf auch keinen Versuch
lnachen, ihn durch den angesügten neuen
Theil übertreffen und zu Schanden stellen
zu wollen. Lauter Pflichten, welche eine
gewisse Entsagungskraft, Selbstlosigkeit und
Selbstüberwindung voraussetzen, moralische
Kräfte, die da llicht fehlen werden, wo
nicht Egoismus und Ruhmsucht die einzige
Triebfeder künstlerischen Schaffens find,
wo noch ein höherer Gedanke an die Ehre
Gottes und den Dienst der Kirche den
Künstler beseelt. Jene Künstlereitelkeit,
welche vornehm sich weigert, an einen alten
Bau liebevoll Hand anzulegen, um ihn
zu erweitern, schlägt sich übrigens selbst,
wie es der Eitelkeit oft ergeht; es mag
ja sein, daß Unverständige geneigt sind,
das Werk einer Erweiterung und Ver-
größerung niedrig zu taxiren; wer etwas
versteht, wird ein gelungenes Werk dieser
Art wahrlich nicht niedrig anschlagen; der
Meister desselben wird außer dem Be-
wußtsein einer wahrhaft guten That, außer-
dem Dank einer beglückten Gemeinde auch
die Anerkennung des Einsichtigen zu seinem
Lohne haben; sein Künstlername wird
nicht geschädigt sondern gefördert werden.
Nachdem festgestellt ist, daß im all-
gemeinen Hindernisse künstlerischer, ästhe-
tischer oder praktischer Art gegen Ver-
größerungen und Erweiterungen von Kir-
chen nicht bestehen, mögen die für solche
bauliche Veränderungen giltigen Haupt-
g r u nd s ä tz e zur Darstellung kommen.
Nehmen wir den Fall so konkret als
möglich. Ein Pfarrer macht die Wahr-
nehmung, daß allmählig seine Parochianen
nicht mehr alle Platz finden in den
Stühlen. Die Kinderbänke reichen nicht
mehr; während des sonntäglichen Gottes-
dienstes müssen auch von den Erwachsenen
manche in den Gängen stehen; die Em-
poren sind überfüllt; schließlich find auch
die Gänge ganz besetzt und schon muß
ein Theil der Kirchgänger vor der Kirche
stehen bleiben; die Kirchthüre kann nicht
mehr geschlossen werden; Unruhe und Ge-
dränge stellt sich ein. Sobald derartige
Erscheinungen zu Tag treten, muß sich die
ganze Aufmerksamkeit des Pfarrers ihnen
zuwenden; er darf nicht zuwarten, bis das
Uebel den Höhegrad erreicht hat. Sein
Erstes wird sein müssen, daß er eine ge-
naue Untersuchung anstellt, ob nicht we-
nigstens zur Stillung des momentanen
Bedürfnisses oder zu einiger Abhilfe bis-
her unbenützte Räume dessKirchen-Jnnern
verwerthbar gemacht werden können, ob
es nicht räthlich sei, einstweilen den bis-
her freigebliebenen Chorraum den Kindern
einzuräumen u. f. w. Wiewohl letzteres
nur als nothwendiges Uebel geduldet wer-