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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 4
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Erweiterung und Vergrößerung von Kirchen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0038

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beit kann, so ist es doch immerhin besser,
es kommen die Kinder dem Altar zu nahe,
als es stehen die Erwachsenen demselben
zu fern. Sodann muß die Kirche bau-
lich untersucht werden. Durch Beiziehung
eines Technikers muß man Klarheit ge-
winnen darüber, ob der Bau in allen
seinen Theilen noch solid und gesund sei,
ob er eine Erweiterung noch ertragen
würde oder nicht, ob der Lage der Kirche
nach eine Erweiterung möglich sei. Dar-
ttach kann man die Frage entscheiden, ob
ein Neubau oder eine Vergrößerung als
Aufgabe der Zukunft ins Auge zu fassen
ist. Selbstverständlich muß nun auch so-
fort mit Gründung eines Fonds der An-
sang gemacht werden, wenn die Stiftung
nicht hinreichende Mittel besitzt. Es soll
wenigstens im allgemeinen ein Finanzplan
entworfen werden; man sistirt zunächst
alle Restaurationsarbeiten, Wandmalereien,
Verschönerungen; höchstens das allernoth-
wendigste wird an Einrichtung und Para-
menten angeschafft; sämmtliche Mittel wer-
den mit größter Sparsamkeit zusammen-
gehalten und ans das Eine Hauptwerk hin
konzentrirt.

Indes; der Fond sich vergrößert und
die Mittel anwachsen, muß mit aller Be-
dächtigkeit und Gründlichkeit der Ver-
größernngsplan ausgearbeitet werden. Was
hier zuerst ttöthig ist, das ist ein genauer
Situationsplan, d. h. eine grundrißliche
Aufnahme des Kirchenbanes mit seiner
nächsten Umgebung, mit den anstoßenden
Grundstücken, Gebäuden und Wegen.
Dieser Plan gibt Klarheit darüber, welcher
freie Raum zur Verfügung steht, nach
welcher Seite eine Erweiterung vorge-
nommen werden kann. Anfragen wegen
Kirchenvergrößerungen müssen daher noth-
wendig immer von einem Situationsplan
begleitet sein.

Bei Fertigung des Vergrößerungsent-
wnrfs hat man nun mehrere hochwichtige
Gesetze ztt beobachten. Das erste lautet:
R a u m genug! In allen: kann man
sparen, wenn man mit geringen Mitteln
zu rechnen hat; man kann und soll dann
auf alle architektonische Prachtwirkung,
auf alles überflüssige Ornament verzichten,
aber" am Raunt soll nicht gespart werden.
Man soll Erhebungen und Rechnungen
anstellen, um wie viel der alte Raum zu

I klein, welches Mehr an Raum für den
jetzigen Parochialbestand ttöthig ist, und
dann darattf bedacht sein, nicht bloß für
das momentane Bedürsniß vollgenügend
zu erweitern, sondern auch eine etwaige
zukünftige Vergrößerung der Gemeinde
ttoch in Rechnung zu ziehen.

Das zweite Gesetz lautet: Schonung
u 11 b Benützung des Alten so wett
immer mö glich! Es wäre thörichte Ver-
schwendung, vom alten Bau Theile nieder-
zureißen, die man ganz wohl stehen lassen
und in den neuen Plan einbeziehen kann.
Erhalten werden soll unter allen Umstän-
den der Thurm, wenn er noch fest und
solid ist, selbst dann, wenn er vielleicht
etwas im Weg zu stehen scheint; der Ver-
größernngsplan muß, wenn immer möglich,
mit ihm rechnen, denn ein neuer Thurm
bedeutet allein schon eine Ausgabe von
20—25 000 M.. Ob der Thurm dann
vielleicht auch seine Stellung anderswo
erhalte, als, wie gewöhnlich üblich, an der
Westseite oder rechts und links vom Chor,
ob er ans Eck der Westseite oder irgendwo
an den Längsseiten zu stehen komme, daran
liegt so viel nicht. Erscheint der Thurm
zu niedrig für eine vergrößerte Kirche, so
ist das noch kein Grund, ihn abzutragen;
wenn, wie es bei den romanischen und
gothischen Thürmen regelmäßig der Fall
ist, die Stockwerke massiv und tragfähig
sind, so nimmt man den Helm oder das
Satteldach ab und setzt noch ein oder zwei
Stockwerke darauf. Ferner soll, wenn
immer möglich, erhalten werden der Chor,
auch wenn er vielleicht stilistisch nicht sehr
bedeutend ist, und auch wenn er vielleicht
in der Neuanlage bloß als Kapelle am
Hauptschiff sungiren kann. Hier waltet
zweifellos eine Pflicht der Pietät gegen
eine heilige Stätte, welche vielleicht Jahr-
hunderte hindurch Thronzelt des eucharisti-
schen Gottes, Opferstätte des neuen Bun-
des, das Allerheiligste einer christlichen
Gemeinde gewesen. Und es ist ja nicht,
als ob dieser Raum ferner bloß als todter
Raum geduldet werden müßte; er kann
immer noch in anderer Stellung, als Ka-
pelle für den Nebenaltar, als Beichtkapelle,
als Oratorium sich nützlich machen.

(Fortsetzung folgt.)
 
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