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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 4
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Keppler, Eugen: Deutschlands Riesenthürme, [6]
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Keppler, Eugen: Das Bildwerk des Taufsteins in Freudenstadt, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0041

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37

esse kt, von welchem gilt: In 6ne triuin-
pilnt ornkio — so treibt an diesem Wun-
der, in welchem wir, wenigstens was die
Vollkommenheit des Ausstreb ens anlangt,
das Ideal der Gothik verkörpert erblicken,
so treibt an diesem steinernen Wunder
eine urkrästige Wurzelkraft die mächtigen
Streben und Strebethürme, die Rieseu-
fenster und zugleich ihr zierliches Maß-
werk, die festen Glieder des Baues sammt
dem lustigen Blättergewinde daran, die
Tabernakel und die Heiligenbilder drin
und die malerischen Bekrönungen drüber
sozusagen in Einem Anlauf in die Höhe
und ruht nicht, bis der ebenso kühne als
sichere Ban in den majestätischen Pyra-
miden und ihren dem Himmel entgegen-
gebreiteten Kreuzblumen triumphirt.

(Fortsetzung folgt.)

Das Bildwerk des Taufsteins in
^reudenstadt.

Von Stadlpfarrer Eugen Keppler.

(Schluß.)

Je mehr uns der vorige Abschnitt Kopf-
zerbrechens verursacht hat, desto leichter
gedenkeit wir, mit der noch übrigen Gruppe
iills Reine zu kommen. Das eine der
beiden Thiere ist durch den spitzen Vor-
sprung auf seiner Stirne glücklicherweise
als das sagenhafte Einhorn gekennzeichnet,
„jenes unzähmbare Wild, welches cnu
übrigen Körper dem Pferd, am Kops aber
dem Hirsch, an den Füßen dem Elephanten
und am Schweife dem Eber gleicht, stark
brüllt und ein schwarzes, zwei Ellen weit
hervorragendes Horn an der Stirne trägt"
(Plin. Rat. G. 8, 31). Bekanntlich haben
die Naturforscher ihm sein Dasein längst
abgesprochen. Man glaubt jetzt, diese ur-
alte Fabel von gewissen rohen Seiten-
ansichten der mittelafrikanischen Antilope,
welche als Reliesbild ans ägyptischen Denk-
mälern vorkommt, ableiten zu sollen. Aber
was auch der Neid der Naturforscher dein
Einhorn geraubt, in der Mystik und Sym-
bolik ist seine Bedeutung unerschüttert.
Es ist und bleibt nach der allgemeinen
Anschauung das Sinnbild des Erlösers,
nachdem ursprünglich das Horn des Thieres
allein dafür gegolten. Die Sage, daß es,
von Haus ans unbändig, bei dem Anblick
einer Jungfrau von selbst herbeikomme

und plötzlich beruhigt seinen ungeschlachten
Kops in ihren Schoß lege, diese uralte
Sage wird in der Kunst und Litteratur
des Mittelalters bekanntlich auf die Mensch-
werdung des Sohnes Gottes bezogen und
zur Beleuchtung des Wortes angewendet:
„Den die Himmel nicht fassen können, hast
du, o Jungfrau, in deinem Schooße ge-
tragen." Schon der in äthiopischer Ueber-
setzung ans uns gekommene Physiologus,
welcher in seinen naturgeschichtlichen Grund-
lagen bis in das zweite Jahrtausend vor
Christus znrückreicht, enthält diese poetische
Legende und deutet sie im angegebenen
I Sinn mit den Worten: „Dies Einhorn
ist unserem Heiland ähnlich, welcher für
uns das Horn unserer Erlösung vom
Hause Davids, seines Knechtes, ans sich
genommen (Luk. 1,69), und nicht ver-
mochten die Mächte, welche im Himmel
sind, ihm zu nahen und ihn anznrühren,
sondern er wohnte im Schooß der Jungfrau
Maria." (Ausg. von Rommel, S. 68.)
Ebendort wird folgende interessante An-
gabe aus einer griechischen Handschrift an-
geführt , welche für die Darstellung des
Einhorns auf einem Taufstein besonders
bedeutsam ist. „Die Thiere kommen zum
Wasser und wollen trinken. Die Schlange
aber hat das Wasser vergiftet. Da warten
sie, bis das Einhorn kommt. Dieses begibt
sich sofort in den Teich hinein, bezeichnet
durch sein Horn den Wasserspiegel mit
dem Zeichen des Kreuzes und macht da-
durch das Gift zu nichte. Nun können
alle daraus trinken."

So viel Licht aber von dem Einhorn-
bild ausgeht, sein Gegenüber scheint, ans
den ersten Blick wenigstens, desto dunkler.
Wem soll ich dich vergleichen und wem
dich zur Seite stellen? Der Gang ist
entschieden der eines katzenartigen Raub-
thiers. Der Schweis könnte nach Länge,
Stärke, sowie durch den Haarbüschel in
Form eines dreifachen stilisirten Blattes
an den König der Thiere erinnern. Die
Tatzen sind so gewaltig, daß der Schluß
»ex ungue leonem« nicht zu gewagt er-
schiene. Aber des Kopfes Ungestalt! Unter
dem vielen Formlosen das Formloseste!
Gleichwohl scheint mir jede Aehnlichkeit
nicht ausgeschlossen mit den in ganzer
Figur ansgesührten Köpfen der Löwen,
welche den Sockel halten. Mich däucht,
 
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