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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 6
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Busl, Karl Anton: Der Bildhauer Friedrich Schramm
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0065
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61

Ist demnach die Herkunft und der frühere
Standort der genannten Bildwerke, wenn
auch nicht strikte erwiesen, so doch sehr wahr-
scheinlich gemacht und die Anssage des En-
tres dadurch gestützt, so gilt dies auch von
der Messe des hl. Gregorius; denn es ist
unverkennbar ein Seitenstück zu dem Mar-
tyrium der hl. Katharina und von derselben
Hand. Als Entres, wie Nagler *) berichtet,
im Jahre 1845 bei Hirscher die oben be-
schriebene Gruppe „Mariä Schutz" gesehen,
glaubte er aus stilistischen und anderen Grün-
den seine Ravensbnrger Erwerbungen gleich-
falls dem Meister der Hirscher'schen Ma-
donna znschreiben zu dürfen. Gleich dieser
kamen sie, mit Ausnahme des Onofrins, im
Jahre 1882 in das Kgl. Museum zu Berlins)
Die „Messe des hl. Gregorius" ist eine ca.
0,70 Meter hohe Gruppe ans einem Stück Lin-
denholz. Vor dem kleinen Altartisch, ans welchem
der umgestürzte Kelch, das Meßbuch und zwei
niedere gothische Leuchter sich befinden, kniet der
Papst im Profil nach links, in weiter gothischer
Casel. Rechts hinter dem Papst steht sein Diakon
im Levitengewand, die Tiara des Papstes haltend.
Auf dcni Altar erscheint die Halbfignr des lei-
denden Christus; der linke Unterarm ist abge-
brochen. Die Gruppe „Martyrium der hl. Ka-
tharina", Gegenstück zu der „Messe des hl. Gre-
gorius", ist gleichfalls aus einem Stück Linden-
holz gearbeitet, 0,75 Meter hoch. Rad und
Henkerschwert sind abgebrochen. Die Heilige kniet
neben dem Rad, während der rechts von ihr
stehende Henker zum Todesstreich ansholt. Der
nicht nach Berlin verbrachte hl. Onofrins, vor
einer Felsenhöhle knieend, ist mit leichtem Geivand
bekleidet und mit Baumblättern gegürtet: so lebte
er 60 Jahre als Einsiedler in der Wüste. — Die
schwächste Seite der Skulpturen sind die anato-
mischen Verhältnisse; an: wenigsten ist an der
Figur der hl. Katharina auszusetzen; die Henker-
figur dagegen hat fünf Kopflängen und eine viel
zu schlanke Taille; der Hals des hl. Gregor ist
zu schwächlich gehalten, bei Onofrins sind die
Arme zu kurz, die Füße zu groß gerochen. Doch
waren vielleicht diese Mängel der Figuren an
ihrem ursprünglichen Standort nicht so auffallend.
Anderes beweist daneben richtiges Formcngefühl
und entwickelten Schönheitssinn, namentlich der
schwäbischen Typus zeigende Kopf und die Ge-

Lücke in der Bürgermeisterliste von 1497 bis
1507. — Steuerbuch 1497 S. 32: pueri Onof-
ferii humpis. Relicta onofferi humpis; ebenso
letztere 1515 S. 20.

st A. o. O. — Statt Onofrins nennt er irrig
Johannes den Täufer.

st Beschrieben in Förster: Denkmale u. s. w.
II. S. 7 und Abbildung Tafel II., gezeichnet
unter Benützung einer Photographie Böttchers
von Förster, gestochen von I. Burger. — Bode
und Tschudi: Beschreibung der Bildwerke der
christlichen Epoche in den K. Museen zu Berlin,
1888. S. 95 st. Nr. 33 l, 332 und ans Tafel
XXii ein kleiner Lichtdruck, etwas verschwommen.

stalt der hl. Katharina sind lieblich und anmnthig,
ihre Haltung ist edel, ungezwungen, die des
Henkers energisch bewegt, der Kopf des hl. Gre-
gorius ausdrucksvoll, kräftig modelliert, das Haar
mit Verständniß geordnet und mit plastischem
Sinn ausgeführt; bei Katharina fließt es in rei-
chen, geivellten Strängen weit über den Rücken.
Die Gewänder sind im Allgemeinen gut, theil-
tveise trefflich behandelt, am reichsten die der hl.
Katharina; Flächen und Falten, leichte und tiefe
Brüche wechseln in richtigem Verständnis ab. Auf-
fallend und eigenthümlich erscheint die Behandlung
der Partieen des linken Kniees bei St.Gregor,wie bei
Katharina. Sie sind entschieden zu stark markiert,
zu kahl, fast wie bloß, ivährend sonst überall die
Gewandung reich und geschickt angeordnet ist.
Einen Vorzug haben die zwei aus der Entres-
schen Sammlung erworbenen Gruppen vor der
Hirscherschen Madonna durch die Erhaltung der
alten Bemalung und Vergoldung. Sie verräth
einen tüchtigen, fortgeschrittenen Meister. Aehnlich
wie bei dem gleichzeitigen Hochaltar von Chur,
sind bereits die Lokaltöne gestimmt und selbst
leichtere Modulationen derselben, namentlich in der
Karnation, angebracht.

Wir lernen bei diesen zwei Grtlppen einen
bereits von Martin Schongailer beeinflitßten
schwäbischen Meister kennen, der noch nicht
alle Schwierigkeiten bezüglich richtiger Dar-
stellung körperlicher Verhältnisse überwtlndcn
hat, dafür aber mit Erfolg, entsprechend dem
Charakter der schwäbischen Schule, den Hanpt-
accent auf das Seelische, den aus dem Herzen
des Künstlers kommeitden und jum Herzen
des Beschauers redeitden möglichsten Aus-
druck des glänbigeit, tief frommen Gemütes
legt. Leider ist sein Name bis setzt unbe-
kannt. Ihn mit dem Meister der Hirscher-
schen Mariagrnppe zit identifizieren, tvie
Entres und Förster st gethan, geht nicht an,
da nach Bode und Tschudi st die Messe des
hl. Gregor und die Enthauptung der hl.
Katharina eine von der Madonna verschie-
dene Hand zeigt. Kunstliebhaber und noch
mehr Sammler und Besitzer von alten Kunst-
werken ohne nachgewiesenen Meisternamen
sind sehr geneigt, für ihre Pfleglinge sich
nach einem Vater umzusehen. So erblickt
Entres die Madonna in Freibnrg, hört dort,
und wahrscheinlich schon früher in Ravens-
burg, den Namen Schramm und glaubt nun,
zumal durch den ursprünglichen gleichen
Standort veranlaßt, tu seinen Ravensbnrger
Erwerbungen nicht bloß, was sie in der Thal
sind, mit der Madonna gleichzeitige und ver-
wandte Skulpturen, sondern Geschwister,
Kinder desselben Vaters begrüßen zu dürfen.
Nunmehr in Berlin zusammengestellt und
der täglichen, vergleichenden Betrachtung ob-
jektiver und anerkannt geübter Angen, wie

st Denkmale II. S. 7 fl.
st A. a. O. S. 95. Nr. 330.
 
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