Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

DOI Heft:
Nr. 7
DOI Artikel:
Keppler, Eugen: Deutschlands Riesenthürme, [8]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0069

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Kunst.

kserausgegeben und redigirt von Professor Dr. Keppler in Tübingen.

Verlag des Rottenbnrger Viözesan-Kunstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Dr. Keppler.

Or. 7.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährl. für M. 2. 05 durch die württcmb. <M. 1. 90
im Stuttg. Bcstellbczirk), M. 2. 20 durch die bayerischen und die RcichZPostanstalten,
fl. 1. 27 in Oesterreich, Frcs. 3. 40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
auch angenommen von allen Buchhandlungen, solvie gegen Einsendung des Betrags
direkt von der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, Urbansstrahe 94,
zum Preise von M. 2. 05 halbjährlich.

Deutschlands Riesentbürme.

Von Stadtpfr. Eng. Keppler in Frendenstadt.

(Fortsetzung.)

Von dem niederrheinischen Ban wenden
wir uns unter Görres' Führung zu dem
oberrheinischen. „Der plastischen Ruhe
(sagt er), dem Stehenden, Stammhaften,
sein selbstgewissen des einen Werkes steht
das Strömende, innerhalb gewisser Schran-
ken langsam und mit Maß Wechselnde, in
bestimmten Absätzen Fortstrebende des an-
dern gegenüber" und, fügen wir gleich
hinzu: nach! Ja, in seiner Gesammter-
scheinung und -Wirkung bedeutend nach,
weil ein iin Wesentlichen nach einem und
demselben Plan im reinsten Stil ange-
legter und wie angelegt so auch ansge-
führter Bau, sei es, daß er unter der
Hand oder doch dem ununterbrochenen
Einfluß seines Urhebers zur Vollendung
gedieh, wie in Freiburg und Wien, sei es
daß eine Reihe der ursprünglichen Idee
vollständig dienstbarer Geister sich in die
Ausführung (nicht aber Erfindung!) theilte,
wie in Köln und Ulm: weil ein solcher
Bau in seiner äußeren Abrundung und
inneren Durchbildung nothwendig ein ge-
waltiges Uebergewicht hat über das wan-
delbare und verzettelte Wesen jenes an-
deren, „welcher an jede räumliche Ver-
äußerung seiner Hanptmomente auch eine
innerliche der Grundform, wenn schon
innerhalb der Grenze des noch Erlaubten
geknüpft hat" und so in langsamem An-
satz, in allmähligem Werden als das Werk
vieler Geister und die Frucht verschiedener
Kunstepochen zuletzt in einer ganz anderen
Gestalt, als ursprünglich beabsichtigt, in
die Wirklichkeit eingetreten ist.

„Jedes Kunstwerk ist nämlich ein geschlossenes
Individuum, das einen tiefen Kcimkrystall in sich
beschlossen hält, ans dem es in einem bestimmten,
festgeordneten, nnabänderlichcn Gesetze in allen
seinen Gliedern sich entfallen muß; ebenso wie

der Mensch ans dem Grnndkeime einer Persön-
lichkeit sich entwickelt nnd diese seine Entwicklung
nicht das vereinte Werk mehrerer solcher Keime
sein kann. Die Grnndidee eines solchen Domes
mnß also immer von Einem Geist ansgehen;
ist sie erst im Grundriß ins Dasein eingctreten,
so arbeitet sie sich von selbst, in ihrem ihr ein-
gepflanzten Gesetze, in allen ihren Gliederungen,
im Aufriß heraus nnd es bedarf keines ztveiten
nnd dritten Geistes, um sie zu ergänzen nnd
fortzuführen. Wollte er dem ersten Grund etwa
einen ztveiten beifügen, dann würde mit dieser
Snperfötation auch sogleich die Entzweiung in
das Werk eintreten; der neue Keim brächte auch
ein neues Gesetz seiner Enttvicklnng mit, in seinen
Geltungen mehr nnd mehr tvidersprechend der,
die das erste Gesetz herbeigeführt. Es würde
also leicht Verwirrung in die natürlichen Bil-
dungstriebe kommen, nnd die Gefahr liegt vor,
daß wenn es in den Uebergängen versehen wäre,
alles in eine monströse Doppelgeburt ansschlagen
könnte. Derselbe Mensch mag verschiedene solche
Keime zum Dasein bringen und ail einzelnen
Bauiverkcn sie sich entfalten lassen; aber mehrere
Geister mögen nicht leicht eine solche keimhafte
Mehrheit einem und demselben einsäen, ohne die
gesetzmäßige Entfaltung desselben 51t gefährden.
Die Natur durch ihre Reiche geht dieselben Wege.
Jede Pflanze wird in ihrem Gesetze aus ihrem
Samen hervorgetrieben; Stamm und Verzwei-
gung und Verästelung, Zahl uub Form und
Stellung der Blätter bis in die Blumen hinein:
alles tvird durch das im Keime schlafende,
im Wachsthum sich entwickelnde Gesetz bedingt.
Aber zwei verschiedene Gesetze hat die Natur nie
in dieselbe Pflanze gelegt, nnd nur die Willkür
des Menschen bringt Bastarde hervor, die aber,
ohne sich fortznpflanzcn, ivieder vergehen. So
tvird es auch um die Kunstwerke beschaffen sein,
nnd wir werden denen der ersten Ordnung (in
Einem Geist gezeugt, empfangen nnd gezeitigt
und von vielen geschlechtlosen Arbeitsbienen am
Tageslicht ausgeführt) den Vorzug einräumeu
müssen." (Görrcs „Dom von Köln" S. 17 f.)

Wohl ist z. B. die Ilias nicht aus
einmal fertig mit all ihren Trefflichkeiten
aus einem Kopf entsprungen; wohl sind
Shakespeares volksthüinliche Dramen das
Produkt ganzer langer Entwicklungspro-
zesse. Solche Geisteswerke, das heißt die
Stoffe dazu, können ja nur langsam im
Zeitenschooße ausgeboren werden! Kommt
aber endlich der schöpferische Geist, dann
 
Annotationen