71
Mg. 9. Erweiterung durch Anbau von Chor und Schiff.
Kirche, setzen auf der einen Seite ein neues
Schiff an, auf der andern einen geräumigen
Chor. So erhalten wir eine neue Kirche,
mehr als nochmals so groß wie die alte;
der Thurm bleibt erhalten, ebenso der alte
Chor, der eine hübsche Kapelle bildet, der
Raum am Thurm, der ebenfalls von der
alten Kirche stehen bleibt, ist für einen
Altar oder für einen Beichtstuhl, oder für
den Taufstein trefflich zu verwerthen; die
Sakristei erhält ihren Platz zwischen dem
alten und dem neuen Chor. Man kann sicher
kein einfacheres Mittel ausdenken, um mit
wenig Ausgaben einen großen Raum und eine
architektonisch reiche und interessante Kir-
chenanlage zu gewinnen. Wir haben vor
einiger Zeit dem Stiftungsrat der Ge-
meinde, um welche es sich handelt, in
diesem Sinne Vortrag erstattet und dessen
Zustimmung gefunden; nun, hören wir,
sei man daran, das Projekt wieder fallen
zu lassen und man wolle um jeden Preis
den einige Jahrhunderte alten, ungemein
starken und festen Thurm niederlegen, zu
Gunsten einer Erweiterung nach Westen,
wo gar kein genügender Raum zu Gebot
steht. Wir geben die Hoffnung nicht auf,
daß unser Vorschlag noch dnrchdringen,
und daß man denn doch Bedenken
tragen wird, den altehrwürdigen Thurm
abzubrechen und einen neuen zu bauen,
der, auch wenn man 20 000 M. ans ihn
verwendet, die Festigkeit und Dauerhaftig-
keit des alten nicht erreichen wird!
(Fortsetzung folgt.)
Todtenleuchten.
Wir haben im vorigen Jahrgang des
Archivs (1888, S. 93 ff. 101 ff.) eine
alte, schöne Sitte wieder in die Erinne-
rung znrückgernfen, nämlich ans den
Kirchhöfen ltub auf einzelnen Gräbern
Armenseelenlichter anzubringen, die zu
gewissen Zeiten, wie in der Nacht vom
Samstag auf den Sonntag, in der
Allerseelenwoche, oder an den Sterbe-
tagen der betr. Personen augezündet wer-
den. Unsere Mahnung, nicht bloß die
da und dort ans alter Zeit sich noch
findenden Todtenleuchten in Ehren und
in gutem Stand zu halten, sondern auch
jene Sitte wieder ausleben zu lassen,
ist nicht nngehört verhallt. Der ebenso
poetische wie christlich tiefe Gedanke, der
ihr zu Grund liegt, hat seine Gewalt über
das christliche Gemüth bewährt. Mancher-
orts hat man den Plan gefaßt, aus dem
Kirchhof wieder ein Lichtthürmchen zu er-
bauen, und auch einzelne haben, in rühm-
licher Selbstbesreinng vom Zwang der
Mode, sich entschlossen, ihren Verstorbenen
statt des Grabsteines ein Steinthürmchen
mit Todtenlaterne auf's Grab zu setzen.
Ganz besonders erfreulich ist es, daß
von hoher Seite eben diese Idee in's Auge
gefaßt wurde, als es galt, die Todesstätte
des unglücklichen Königs Ludwig II. von
Bayern mit einem Denkmal zu bezeichnen.
Ans den Wellen des Starnberger Sees,
welche einst ein Königsleben verschlangen,
steigt jetzt ein schlankes Lichtthürmchen em-
por, von welchem bei Nacht mild ver-
söhnender Schimmer niederfließt über die
unhennliche Unglücksstätte; weithin mahnt
das kleine Flämmchen zum Gebet, daß
ewiges Licht der Antheil eines Königs werden
möge, den ein umnachteter Geist in die Wel-
len des Sees hinabzog. Darüber wird nur
Eine Stimme sein, daß ein passenderes Denk-
zeichen nicht hätte gewählt werden können.
Dem Verzeichnis alter Todtenleuchten
in unserem Lande ist ein weiteres Exemplar
hinzuzufügen. Auf dem Kirchhof neben
der ehemaligen Klosterkirche in Kirchheim
im Ries steht ein schlichtes Steinthürmchen;
ein einfacher Pfeiler aus niedrigem Sockel
trägt das Lichtgehäuse mit breitbogiger
Oeffnung, gedeckt mit einem vierseitigen
Steindächlein; den Abschluß bildet oben
Mg. 9. Erweiterung durch Anbau von Chor und Schiff.
Kirche, setzen auf der einen Seite ein neues
Schiff an, auf der andern einen geräumigen
Chor. So erhalten wir eine neue Kirche,
mehr als nochmals so groß wie die alte;
der Thurm bleibt erhalten, ebenso der alte
Chor, der eine hübsche Kapelle bildet, der
Raum am Thurm, der ebenfalls von der
alten Kirche stehen bleibt, ist für einen
Altar oder für einen Beichtstuhl, oder für
den Taufstein trefflich zu verwerthen; die
Sakristei erhält ihren Platz zwischen dem
alten und dem neuen Chor. Man kann sicher
kein einfacheres Mittel ausdenken, um mit
wenig Ausgaben einen großen Raum und eine
architektonisch reiche und interessante Kir-
chenanlage zu gewinnen. Wir haben vor
einiger Zeit dem Stiftungsrat der Ge-
meinde, um welche es sich handelt, in
diesem Sinne Vortrag erstattet und dessen
Zustimmung gefunden; nun, hören wir,
sei man daran, das Projekt wieder fallen
zu lassen und man wolle um jeden Preis
den einige Jahrhunderte alten, ungemein
starken und festen Thurm niederlegen, zu
Gunsten einer Erweiterung nach Westen,
wo gar kein genügender Raum zu Gebot
steht. Wir geben die Hoffnung nicht auf,
daß unser Vorschlag noch dnrchdringen,
und daß man denn doch Bedenken
tragen wird, den altehrwürdigen Thurm
abzubrechen und einen neuen zu bauen,
der, auch wenn man 20 000 M. ans ihn
verwendet, die Festigkeit und Dauerhaftig-
keit des alten nicht erreichen wird!
(Fortsetzung folgt.)
Todtenleuchten.
Wir haben im vorigen Jahrgang des
Archivs (1888, S. 93 ff. 101 ff.) eine
alte, schöne Sitte wieder in die Erinne-
rung znrückgernfen, nämlich ans den
Kirchhöfen ltub auf einzelnen Gräbern
Armenseelenlichter anzubringen, die zu
gewissen Zeiten, wie in der Nacht vom
Samstag auf den Sonntag, in der
Allerseelenwoche, oder an den Sterbe-
tagen der betr. Personen augezündet wer-
den. Unsere Mahnung, nicht bloß die
da und dort ans alter Zeit sich noch
findenden Todtenleuchten in Ehren und
in gutem Stand zu halten, sondern auch
jene Sitte wieder ausleben zu lassen,
ist nicht nngehört verhallt. Der ebenso
poetische wie christlich tiefe Gedanke, der
ihr zu Grund liegt, hat seine Gewalt über
das christliche Gemüth bewährt. Mancher-
orts hat man den Plan gefaßt, aus dem
Kirchhof wieder ein Lichtthürmchen zu er-
bauen, und auch einzelne haben, in rühm-
licher Selbstbesreinng vom Zwang der
Mode, sich entschlossen, ihren Verstorbenen
statt des Grabsteines ein Steinthürmchen
mit Todtenlaterne auf's Grab zu setzen.
Ganz besonders erfreulich ist es, daß
von hoher Seite eben diese Idee in's Auge
gefaßt wurde, als es galt, die Todesstätte
des unglücklichen Königs Ludwig II. von
Bayern mit einem Denkmal zu bezeichnen.
Ans den Wellen des Starnberger Sees,
welche einst ein Königsleben verschlangen,
steigt jetzt ein schlankes Lichtthürmchen em-
por, von welchem bei Nacht mild ver-
söhnender Schimmer niederfließt über die
unhennliche Unglücksstätte; weithin mahnt
das kleine Flämmchen zum Gebet, daß
ewiges Licht der Antheil eines Königs werden
möge, den ein umnachteter Geist in die Wel-
len des Sees hinabzog. Darüber wird nur
Eine Stimme sein, daß ein passenderes Denk-
zeichen nicht hätte gewählt werden können.
Dem Verzeichnis alter Todtenleuchten
in unserem Lande ist ein weiteres Exemplar
hinzuzufügen. Auf dem Kirchhof neben
der ehemaligen Klosterkirche in Kirchheim
im Ries steht ein schlichtes Steinthürmchen;
ein einfacher Pfeiler aus niedrigem Sockel
trägt das Lichtgehäuse mit breitbogiger
Oeffnung, gedeckt mit einem vierseitigen
Steindächlein; den Abschluß bildet oben