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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 8
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Probst, Josef: Ueber die "Hirscher'sche Madonna", [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0085
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81

statt mit Weingarten und Baumgarten, also
ihre gesammte Liegenschaft. Im Jahre 1480
wurde in Ravensburg ein Altar gefertigt,
geschnitzt von Friedrich Schramm und gefaßt
und gemalt von Christoph Keltenofer. (Dursch
Aesthetik rc. S. 569.) Von demselben ist
noch ein Madonnenbild erhalten und aus
dem Besitz von Hirscher später nach Berlin
übergegangen, welches Maria als die Helferin
der Christen darstellt und das als die „Hir-
scher'sche Madonna" einen Namen erworben
hat, wenn sie auch der gegenwärtigen Gene-
ration in Schwaben nur sehr wenig be-
kannt ist.

Es legt sich nun nahe, schon um der Zeit
willen, irgend eine Verbindung zwischen der
Stiftung der Katharina Hager und dem Ma-
donnabilde zu vermuthen, worin man auch
durch weitere Gründe, die unten angeführt
werden, bestärkt wird.

Freilich macht Dursch neben der wortge-
treuen Anführung der Inschrift die Bemer-
kung, daß dieselbe sich an dem Hochaltar
befunden habe, während der Stistnngsbrief
ausdrücklich den Seitenaltar nennt. Man
darf sich aber durch jene Bemerkung nicht
bestimmen lassen, anzunehmen, daß er diese
Inschrift an dem (zur Zeit Dursch's) fak-
tisch bestehenden, in der Kirche damals
befindlichen Hochaltar gelesen habe. Die
sämmtlichen Altäre aus dem Mittelalter, die
in Ravensburg sich ehemals befanden, haben
schon zur Zeit der Spätrenaissance Neubauten
weichen müssen und eine Inschrift an einem
Zopfaltar, wie die von Dursch mitgeteilte
lautet, wäre nicht bloß seltsam, sondern ge-
radezu unwahr gewesen. Daß Dursch die
Inschrift selbst gelesen hat und wortgetreu
referiert, geht aus den von ihm gebrauchten
Anführungszeichen deutlich hervor. Aber er
hat dieselbe offenbar nicht an d em Z o p f-
altar gelesen, sondern da, wo sie ursprüng-
lich angebracht war, somit an dem alten
Bild er kästen ans dem 15. Jahrhundert,
von dem man (Herrich) ihm sagte, daß der-
selbe ehemals zu dem Hochaltar gehört habe.
Diese wohl nicht ganz genaue Auffassung ist
verzeihlich und erklärlich, wenn man bedenkt,
daß die Skulpturen, die der Bilderkasten
umschloß, in 3U Lebensgröße gefertigt sind.
Der Bilderkasten selbst müßte hienach, wenn
man den Raum für Postamente und Balda-
chine einrechnet, nebst dein leer gelassenen
Platz, ohne Aufsatz gegen 3 Meter Höhe
gehabt haben. An dem Blaubeurer Altar ist
der Bilderkasten (ohne Aufsatz) ziemlich genau
doppelt so hoch, als die Figuren und über
dem Madonnabilde daselbst dreimal so hoch.
Aehnliche Maßverhältnisse ans den alten
Bilderkasten angewandt, ergibt daS eine so

beträchtliche Höhe, daß man den Kasten, der
schon seit langer Zeit zuvor auf der Kirchen-
bühne oder an irgend einem andern Ort seinen
Platz gefunden haben mag, bis er von Herrich
entdeckt wurde, recht gut für einen Bestand-
theil eiiles ehemaligen Hochaltars halten
koiinte.

Auch ist man iiicht berechtigt, die von Dursch
genannte „Pfarrkirche" ohne weiteres als die
obere Pfarrkirche (Liebfrauenkirche) anfzu-
fafsen. Es kann im Sinne derjenigen, die
ihm niüiidliche Mittheilnngen machten, ebenso
gut die untere Pfarrkirche (Jodokskirche)
gemeint gewesen sein. Wenn aiich Dursch
selbst persönlich geneigt gewesen sein mag,
hiebei an die obere Kirche zu denken, so wird
hiedurch der wirkliche Sachverhalt nicht ge-
ändert; es inag ja leicht sein, daß ihiii die
ehemalige Existenz von zwei Ravensbnrger
Pfarrkirchen (bis ziliii Jahr 1812) nicht be-
kannt oder nicht erinnerlich war. Man darf
überhaupt eine e i ii f a ch e Bemerkung von
Dursch, wie jene Angabe ist, iiicht gleich
taxiren mit dem ausdrücklichen Zeug-
nisse d e s s e l b e n über die Inschrift
selbst, welche er in daiikeiiswerthester Weise
der Nachwelt überliefert hat.

An ivelcher Stelle des alten Bilderkastens
die Inschrift angebracht gewesen sein niöchte,
ist außerwesentlich. Daß aber gerade diese
Gehäuse gerne gewählt wurden, um In-
schriften anzubringen, zeigen, um einige Bei-
spiele anzuführen: die Altäre in Tiefenbronn
(von Lukas Moser und Hans Schühlin);
Heerberg (von Bartholomäus Zeitblom); Riß-
tissen (von Jakob Acker) und Oberstadion
(von Jörg Stöcker).

Hiemit soll übrigens zunächst nur so viel
dargethan werden, daß die Bemerkiliig von
Dursch fein wesentliches Hind erniß
in den Weg lege, um die Stiftung der Ka-
tharina Hager mit dein Altar von 1480 in
Verbindung zu bringen. Die positiven Be-
weggründe hiezu sollen erst unten genauer
dargelegt werden.

Nach diesen unerläßlichen Vorbemerkungen
gehen wir zu dem einzigen beglaubigten Werk
von Fr. lLchramrn selbst über. Die „Hir-
scher'sche Madonna", wie dieselbe gewöhnlich
genannt wird, ist der lebenden Generation
in Schwaben kaum anders als nur dem Namen
nach bekannt. Die Generaldirektion der kgl.
Milseen in Berlin ist jedoch in bereitwilligster
Weise der Bitte um Gestattung einer photo-
graphischen Aufnahme in stattlicher Größe
(22 ciii) entgegengekommen, so daß es jetzt
möglich ist, dieses Bildwerk in gelungener
Nachbildung weiteren Kreisen in in der ur-
sprünglichen Heimat desselben vorzuführen.
 
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