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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 9
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Die Wandgemälde im Domkreuzgang zu Brixen, [2]
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Probst, Josef: Ueber die "Hirscher'sche Madonna", [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0094

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90

seinem Lehrmeister sich angeeignet; in der
Komposition ahmt er ihn nach und auch
iu der Kraft und Energie des Ausdrucks
imponiert ihm sichtlich dessen Vorbild,
dem er uacheifert, aber ohne es zu er-
reichen. Er ist offenbar zarter besaitet
und weicher angelegt, als jener, und daher
gelingt es ihm nicht, die herbe Kraft, die
scharf accentuirte Kunstsprache desselben
sich ganz zu eigen zu machen. Der
Grundcharakter seiner Kunst bleibt sanft
und mild. Viel mehr als in den Werken
seines Vorgängers macht bei ihm sich ein
acht deutsches Element geltend, eine wohl-
thuende Gemüthlichkeit, eine mild anspre-
chende Wärme, Sinn für naiv unschuldige
Anmut und Lieblichkeit, für poetische Auf-
fassung. Damit stimmt die breite, rund-
liche Gesichtsbildung, die brüchige Ge-
wandung, das freundlichere Kolorit und die
in Rosa gelichtete Carnation. Wir gebeil
ebenfalls nach Semper die Liste seiner
Werke: 1) 1440 Pieta, Kreuzgang in
Brixen, siebte Travee; 2) Tod einer
Nonne, Temperabild auf Holz, Kloster
Neustift; 3) 1458 Verküudigung, Gericht,
Heilige, Stifter in der Grabnische im
Kirchhofe zu Jnnichen; 4) 1461 Waud-
gemälde aus der Legende des hl. Jakobus,
Jakobskirche an der Mahr bei Brixen;
5) 1462 Passion, Kreuzgang in Brixen,
zweite Travee; 6) 1463 Krönung Mariens,
ebenda, vierzehnte Travee; 7) 1464

Passion, Gericht, Fresken in der Kirche
von Melaun bei Brixen; 8) 1470 Grab-
legung, Nebenbilder zum Eccehomo- und
Kreuzigungsbild, Kreuzgang Brixen, dritte
Travee; 9) 1471 die glorreichen Geheim-
nisse, Kreuzgang Brixen, fünfte Travee;
10) Krönung Mariens, Fresko von 1474
in der Kirche von Vahrn.

Das Studium dieser Gemälde und
Meister sei zum Schluß noch einmal an-
gelegentlich empfohlen, namentlich auch deu
kirchlichen Malern, die hier von der alten
religiösen Kunst sich inspirieren lassen
können.

Ueber die „L)irscher'sche Madonna"

von Pfarrer Dr. Probst iu Essendorf.

(Fortsetzung.)

Welcher Umstand konnte aber den Künstler
bewegen, die Seitenverlvandten bei diesem
Votivbilde speziell 311 berücksichtigen?

Das Vermächtniß der Katharina Hager,
dessen Inhalt oben angeführt wurde, ist ge-
eignet, darüber einigen Aufschluß zu geben.
Dasselbe umfaßt sichtlich die ganze Liegen-
schaft der Eigenthümerin, wie es nur bei dem
Mangel an Leibeserben vorzukommen pflegt.
Ein kinderloses Ehepaar wird auch auf der
Skulptur an bevorzugter Stelle als Haupt-
st i f t e r dargestellt; die Seitenverwandten aber
werden als quasi Mitstifter behandelt. Nicht
ohne Grund; denn dieselben haben im ge-
gebenen Fall auf ihr eventuelles Anrecht an
das Erbe zu Gunsten des geistlichen Ver-
mächtnisses verzichtet und r ü ck e n d a d n r ch
moralisch in d ie S t ellnn g v 0 n M i t-
st i f t e r n v 0 r.

Ein Wappen sodann ist ans der Skulptur
nirgends zu sehen, das doch nicht fehlen würde,
wenn die stiftende Familie dem Patriziat an-
gehört hätte. Im Einklang damit weist auch
der Stiftungsbrief auf eine ganz einfache
Familie hin., deren Hauptbesitz an Liegen-
schaften, außerdem Haus, der Baumgarten und
Weingarten war (Rebleute). Selbst die Phy-
siognomien der Stifter und ihrer Seitenver-
wandtcn widersprechen dieser Annahme nicht.

Man kann also keineswegs sagen, daß die
Darstellung der Skulptur an jeden belie-
bigen Altar oder beliebigen Ort passen würde,
so wenig als die Holbeinische Madonna mit
der Familie des Jak. Meyer. Es werden viel-
mehr bestimmte Familienverhältnisse voraus-
gesetzt und der Stiftungsbrief zu dem Frauen-
altar der untern Pfarrkirche einerseits, wie
die Skulptur andrerseits, passen in einer
Reihe von speziellen Zügen zusammen. Wenn
der Hochaltar in einer der beiden Pfarr-
kirchen einer ähnlichen partikularen Stiftung
sein Dasein verdankt hätte, so würden die
Akten darüber doch wohl nicht ganz schweigen.
In seiner Geschichte von Ravensburg führt
Hafner (I. c. S. 181) allerdings auch die
Stiftung eines Frauenaltars in der Frauen-
kirche daselbst auf, der durch einen Chorherrn
von Konstanz gestiftet wurde, aber schon um
das Jahr 1334. Sonst werden noch daselbst
angeführt die Altäre zu Ehren des hl. Niko-
laus und der hl. Katharina rc. (l. 6. S. 188,
377), aber nichts von einem Hochaltar oder
Frauenaltar in der Frauenkirche, der mit dem
Altar vom Jahre 1480 irgendwie zusammen-
fallen könnte.

Das sind eine Reihe von Anhaltspunkten,
die uns bewogen, die Stiftung der Katharina
Hager wirklich in Verbindung zu bringen mit
dem Bildwerke von F. Schramm und so zu-
gleich für die offenbar recht eigenthümliche
Auffassung und Darstellung der Stifter des-
selben einiges Licht zu gewinnen. ^Es ist
nicht bloß die Zeit der Hager'schen Stiftung
 
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