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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 10
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Keppler, Eugen: Deutschlands Riesenthürme, [11]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0097

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Archiv für christliche Kunst.

Grgan des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Runft.

perausgegeben und redigirt von Professor Dr. Aepxler in Tübingen.

Verlag des Rottenburger Diözefan-Runstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Dr. Keppler.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährl. für M. 2. 05 durch die württemb. (M. l. 90
im Stuttg. Bcstellbczirk), M. 2. 20 durch die bayerischen und die Rcichspostanstalten,
t/~\ ft- l- 27 in Oesterreich, Jres. 3. 40 in der Schwei- zu beziehen. Bestellungen werden
sJlZL* auch angenommen von allen Buchhandlungen, sonne gegen Einsendung des Betrags lOOy*

direkt von der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, Urbansstrahc 94,
zum Preise von M. 2. 05 halbjährlich.

Deutschlands Riesentbürme.

Vou Stadtpfr. Eug. Keppler in Freudenstadt.

(Fortsetzung und Schluß.)

Diese üppige dekorative Pracht nach
oben und die schölle Jndividualisirung der
Einzelglieder nach unten, verbunden mit
äußerst glücklichen Gesannntverhältnissen
schaffen, daß unser Thnrm bei aller impo-
nirenden Massenhaftigkeit doch nichts weni-
ger als schwerfällig erscheint. Freilich
vermissen wir im Eiilzelnen wie im Ganzen
die strenge Regelmäßigkeit, welche den
Kölner Dom, die unteren Theile des Straß-
burger sowie das Freiburger Münster aus-
zeichnet. Uebertrieben krauses Laubwerk,
üppig verschlungenes Stabwerk, ausschwei-
fende Fensterfüllungen: all das bezeichnet
einen sinkenden Stil und eine Kunst, die
nachdem sie das Höchste erreicht, in leiser
Umbeugung wie ein springend Wasser sich
dem Rückfall zuneigt. „Bei dem Fortbau
bequemte man sich dem im Lauf des
15. Jahrhunderts immer mehr zum Ma-
nierirten neigenden Geschmack. Wenn die
Bögen unten noch theilweis das schöne
Verhältniß der Krümmung haben, welches
den gothischen Bauten des 13, und der
ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts eigen
ist, und auch die geschweifte und kielähn-
liche Form derselben, welche später beliebt
wurde, noch ein schlankes und edles Ver-
hältniß bat, so zeigt in den oberen Theilen
ihre Form schon jene gedrückte und sich der
Horizontale nähernde Linie, welche mit dem
aufstrebenden Charakter der gothischen
Architektur in Widerspruch und daher ein
sicheres Zeichen von dem Verschwinden
eines richtigeil Stilgefühls ist." Auch im
Aufbau geht, wollen wir den Kunstkennern
glauben, nicht alles recht auf einander.
So soll das an sich sehr schöne dritte
Stockwerk nicht recht in Wechselwirkung
mit dem untern stehen, weil sich hier

Pfeiler ans Bögen gestellt haben. Die
Ueberleitnng des Anfstrebens nach oben,
die allmählige Verjüngung und Verflüch-
tigung der Theile, für welche Köln und
Freibnrg unübertroffene Muster sind, läßt
sogar im Vergleich mit Wien zu wünschen
übrig. (Nach Kallenbach und Kugler).

Dieses sind indeß nicht so fast Mängel
an Böblingers unsterblichem Werk, vol-
lends keine, die sein Verdienst schmälern
können, als vielmehr Mängel der Spät-
zeit überhaupt, der es angehört. Jedes
Geisteswerk trägt nach Form und Inhalt
nothwendig das Gepräge der Zeit an sich,
in der es entstanden ist. Kein Schrift-
steller kann, ohne seinen Gedanken Gewalt
anzuthun, in einer lobten Sprache dichten.
So kann auch kein Baumeister, wenn er
aus dem Ganzen schaffen will, in einer
entschwundenen Stilart bauen. Wie nun
aber die Geisteswerke eines Livius und
Tacitus deßwegen gewiß nichts an ihrem
eigentlichen Werthe einbüßen, weil sie ver-
schmähen, die Sprache Cäsars oder Cicero's
nachzuahmen, so gnch die Ulmer Gothik
nicht, weil sie die strenge Kölner Schön-
heitslinie verleugnet. Auch ein Görres,
dem Köln als das „Muster der alten Kirchen-
baukunst gilt, an dem sich ihr Gesetz,
ihr innerlicher Geist und ihr innewohnen-
des Leben am füglichsten darstellen läßt",
vergißt nicht, beizufügen: „Jener Grund-
satz gilt nur im großen Ganzen, ohne
andere in der späteren Kunst begründete
Wechsel dieses Stils, die alle ihr inneres
Recht in sich haben, auszuschließen, oder
dem Geist wehren zu wollen, Besonderes,
das sich hier noch in seinen Ursprüngen
verhüllt, weiter zu entfalten und auszu-
führen." — Es ist eigentlich eine alltäg-
liche Wahrheit, aber sie ist nie elegischer
ausgesprochen worden als von dem alten
Davanzati. Der Leser gestattet mir daher
wohl, seine Worte hieher zu setzen; ent-
 
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