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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 10
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Keppler, Eugen: Deutschlands Riesenthürme, [11]
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Zur Würdigung der Renaissance und Spätrenaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0101

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97

ist ja sicher!) wieder emporziehen zu lassen.
Vielleicht daß wir durch die Berührung
mit ihnen am ehesten den Funken eigener
Schaffenskraft, der noch in uns ist, aufs
neue entfachen und das Eigenthümliche und
Selbständige, das in unserem Wesen, nur
durch den Schutt der Zeiten begraben,
liegt, wiederfinden und befreien!

Zur Würdigung der Renaissance
und öpätrenaissance.

Ein schöner Beweis, daß die Strömung
zu Gunsten einer gerechten Auffassung der
Stile der Spätzeit und ihrer Leistungen
nicht im Ablauf sondern im Zuwachs be-
griffen ist, ist der erfreuliche Umstand,
daß das treffliche Schriftchen von Joh.
Graus, dem verdienten Redakteur des
Grazer „Kirchenschmucks" und k. k. Kon-
servator: Die katholische K i r ch e

und die Renaissance bei Herder in
zweiter Auslage erschienen ist. Die
frisch, lebhaft, hinreißend geschriebenen
Betrachtungen, die auf festem historischen
Boden sich bewegen und ein reiches Ma-
terial zur Verwerthung bringen, werden
gewiß in immer weiteren Kreisen Vornr-
theile zerstreuen, Urtheile korrigieren und die
Ueberzeugung zum Durchbruch bringen,
daß die katholische Kunstgeschichte fürderhin,
will sie nicht schweren Versäumnisses und
schreienden Unrechts gegen die Kirche selbst
sich schuldig machen, sich nicht damit be-
gnügen darf, über die ganze Renaissance-
kunst mit einem alles verdammenden Ver-
dikt wegzugehen. In absehbarer Zeit wird
man sich dazu verstehen müssen, die drei
Postulate anzuerkennen, welche der Ver-
fasser obiger Schrift und meine Wenigkeit
seit Jahren bei jeder Gelegenheit wieder-
holen, nämlich 1) daß man in dem Pro-
zeß pro et contra. Renaissance den rein
praktischen Gesichtspunkt, die Frage: wel-
chen Stils wir uns bei Neuschöpsungen
hauptsächlich zu bedienen haben, von dem
historischeil Standpunkt loslöse, von der
Würdigung dessen, was andere Zeiten auf
dem Gebiete kirchlicher Kunst leisteten;
2) daß man doch endlich einmal aufhören
möchte, in dieser eminent wichtigen Frage,
wie die katholischen Knnstbestrebungen und
Kunstschöpfungen zu beurtheilen seien, auf
das Wort und auf die Urtheile antikatho-

lischer, ja antichristlicher Kunsthistoriker
wie aus ein Evangelium zu schwören, letz-
tere als solche anzusehen, die hierin ganz
unbefangen und. zuverlässig wären, während
sie in Wahrhei.charauf aus sind, wo immer
möglich die Kirche vom Reich der Kunst
auszuschließen und ihr Terrain abzuschnei-
den, —• ein Bestreben, in welchem viele
unserer Kunstforscher iu unbegreiflicher
Freude ihnen die Hand reichen; 3) daß
man doch um alles in der Welt hier nur ein
wenig unterscheiden lerne und nicht alles
in Bausch und Bogen verwerfe. Die
Schrift des Verfassers wird mit ihren
beherzigenswerthen Erwägungen und Be-
trachtungen sicher bei ihrem abermaligen
Rundgang durch die Welt aufs neue die
Berechtigung dieser Forderungen ins Licht
rücken und die Starrheit und Hartnäckig-
keit siegreich bekämpfen, mit der man sich
denselben theilweise verschloß.

Man thnt sicherlich niemand Unrecht,
wenn mau die ganz allgemeinen Verwer-
sungsurtheile namentlich gegen die Kunst
der Spätrenaissance für die Regel auf das
Nichtstudium, die Nichtkeuntuiß dieser Kunst-
Welt zurücksührt. Je mehr man auch auf
katholischer Seite diese Stile studiert, um
so sicherer wird das Urtheil sich umstimmen,
und man wird anfhören, es für ein gutes
Werk anzusehen, wenn man der nnchrist-
lichen Kunstsorschuug ganze weite Gebiete
der ureigensten Kunstwelt zur Beute aus-
liefert und mit Hohn und Spott die eigene
Mutter, die Kirche, übergießt, als wäre
sie Jahrhunderte lang bloß in den Fetzen
erborgten Heidenthums einhergegangeu,
als wäre sie mit einer Jahrhunderte währen-
den Unfruchtbarkeit in künstlerischer Hin-
sicht geschlagen gewesen. Das wäre für
eine katholische Feder wahrlich ein ver-
dienstliches Unternehmen, von unserem
Standpunkt aus Renaissance und Spät-
renaissauce zur Darstellung zu bringen,
mit scharfer Hervorhebung und Verurthei-
lung dessen, was zu tadeln ist, aber auch
mit nobler und gerechter Anerkennung
des Großen, Guten, Musterhaften. So-
lange eigene Bearbeitungen uns fehlen,
müssen wir dankbar sein für anderweitig
uns gebotene gute Werke, namentlich wenn
sie im Allgemeinen so objektiv, gerecht ge-
schrieben sind, wie G. Ebe's Spät-
reuaissance, Kunstgeschichte der euro-
 
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