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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 12
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Keppler, Eugen: Ein Evangelienpult aus der frühromantischen Periode
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Ornat im spätgotischen Stil
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0123

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119

tigen Schicksalsschlägen entrückt und als- >
bald von seinem jetzigen durch die Restau-
rationsarbeiten sehr bedrohten Standort,
wo es nicht zu Haus ist und wo es nichts
nützt, an eine gesicherte und mehr in den
Gesichtskreis gerückte Stätte verbracht
werde!

Ornat im spätgotischen Stil.

Zwei Gründe bestimmen uns, unsern
Lesern ans der Beilage den Ornat vorzu-
führen, welchen die Geschwister Oslan-
der in Ravensburg voriges Jahr in
München ansgestellt hatten: die Schönheit
der Zeichnung und die Gediegenheit der
Ausführung. Erstere stammt von Profes-
sor Spieß in München und verdient
alles Lob, weil sie aufs Feinste sich der
Technik der Stickerei accommodirt. Das
architektonische Motiv ist in der Nadelmalerei
sehr schwierig zu behandeln, hier aber in
mnstergiltiger Weise, unter Anlehnung an
alte Vorbilder gehandhabt; die Architektur
ist weder steinern noch hölzern, sondern mit
weisem Takt für die Nadel zurechtgerichtet.
Was die Ausführung anlangt, so hält sich
die Technik der Stickerei ebenfalls an mittel-
alterliche Originale; sie verzichtet auf alle
Applikationen und führt die ganze Zeichnung
samt dem Grund im Hunts Ilse-Stich aus;
die architektonischen Ornamente und der untere
Theil des Figurenhintergrundes sind in Gold
abgeheftet, der obere Lufthintergrund bläu-
lich gestickt, die Pflanzenoruamente lebhaft
polychrom gehalten; das Figürliche so delikat
behandelt, daß es wirklich als Nadelmalerei
bezeichnet werden kann. Der Ornat ist ver-
käuflich ; die Aermel der Dalmatik sind des
Raumes wegen eingeschlagen. Das Pluviale
ist in kleinerem Maßstab gezeichnet als Ca-
sula und Dalmatik. Die Casula, deren seit-
liche Enden in der Abbildung weggefallen
sind, wurde 1888 nach Holland gefertigt.
Die Zeichnung des Ornates ist als Eigen-
thum der obgenanuten Firma gesetzlich ge-
schützt. Die Arbeiten der Firma Oslander
fanden auch auf der Katholikeuversammluug
in Bochum ungetheilte Anerkennung und
wurden als Perlen der Ausstellung bezeichnet.

Literatur.

Der Erzengel Michael in der bil-
denden Kunst. Jkonographische Studie
von Or. Friedrich Wiegand.
Stuttgart, Steinkopf 1886. 83 S.
Preis 1,60 M.

Eine, was das biblische und patristische Ma-

! terial anlangt, ziemlich magere, in den Resultaten
zu beanstandende Einleitung über die Engelver-
ehrung überhaupt leitet über zu einer sehr inter-
essanten Studie über den hl. Michael. Die bib-
lischen Grundlagen der Verehrung des letzteren
werden richtig anfgezeigt und in geistreicher Weise
schon antecipando ausgesponuen, daß und wie
diese biblischen Momente sich als abbildungs- und
ausbildungsfähig dem Künstler darboten. Die
ersten Spuren der Verehrung des Erzengels zeigt
der Verfasser auf in der Legende von der Ver-
senkung des Lykusstroms in einen Felsenspalt in
der Nähe von Colossä, in dem Michaelsheiligthum
in Alexandrien vom Anfang des vierten Jahrhun-
derts und in dem Michaelstempel in Koustanti-
nopel. Die ersten Bilder gehören der ersten
Hälfte des sechsten Jahrhunderts an; das älteste,
ein Mosaik, wurde in der Absis des alten Heilig-
thums San Michele in Affricisco in Ravenna ge-
funden und mit dem ganzen Mosaikschmuck nach
Berlin gebracht, >vo es noch unausgepackt im
Hofbaudepot sich befinde (S. 8). Auf allen
byzantinischen Biideru hat St. Michael im Wesent-
lichen eine adorierende und assistierende Rolle;
er ist noch nicht in selbständiger Bedeutung, in
eigenem Handeln und Thun vorgeführt. Auch
die ältesten Bilder des Abendlandes (Mosaik von
ca. 830 in San Ambrogio in Mailand, Darstel-
lung au der Pala d'oro in Venedig, zehntes
Jahrhundert, Mosaik in Torcello ca. zwölftes
Jahrhundert, Freske aus dem zehnten Jahrhun-
dert in der sog. Katakombe von Verona) zeigen
ihn lediglich in der Assistenz, höchstens Heilige
patronisierend.

Das erste Bild, auf welchem St. Michael gc-
niäß der von der byzantinischen Kunst gar nicht
beachteten Stelle apoc. 12, 7 f. im Kampfe er-
scheint, befindet sich auf der Broncethüre der
Grotteukirche des Monte S. Angelo (Gargano)
von 1076; es ist, wie der Verfasser überzeugend
nachweist, vom Norden inspirirt. Im Norden
nämlich bildete sich Kult und Typus des heiligen
Michael weit rascher und reicher aus, und es ist
iu der That glaublich, daß dies seinen Grund
darin hat, weil die Verehrung dieses Erzengels
den besten Ersatz bot für den Wuotau- und Zio-
kult, — nicht als ob das Christentum seinen
Michael nach diesen Göttern erst gebildet hätte,
sondern weil die Gestalt des Erzengels nach Schrift
und Glaubensanschauuug Charakterzüge hat, die
denen im Bilde Wuotans und Zio's einigermaßen
entsprechen. Er ist Krieger und Held und nach
der Ausdeutung der Jndasstelle auch Seelenge-
leiter. Als Drachentödter, Seelenretter, Seelen-
richter und Seelenwäger stellt ihn nun die nor-
dische Kunst mit Vorliebe dar, und erst von hier
aus kommt der Drachenkampf in die italienische
Malerei und findet Michael im Gerichtsbild seinen
Posten und seine Funktion.

Dies die Hauptergebnisse der Studie eines
Mannes, welcher am Gegenstand seiner Forschung
zwar keinen eigentlichen Herzens- und Andachts-
antheil, aber ein hohes theoretisches Interesse
nahm und welchem außer der Gründlichkeit der
Untersuchung und der klar sichtenden Darstellung
nachzurühmen ist, daß er einen der Sache
durchaus würdigen, pietätsvollen Ton von
 
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