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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 3
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Probst, Josef: Ueberblick über die Resultate der kunsthistorischen Lokalforschungen in Oberschwaben, [2]
DOI Artikel:
Keppler, Eugen: Der Hirsauer Bilderfries, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0029

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19

berg, OA. Biber ach). Wenn man für diese
Gegenstände eine Heimat suchen will, so
wird man sich nur ans Ravensburg an-
gewiesen sehen. Die Figuren, die ans der
Werkstätte des Th. Heidelberger in Mem-
mingen hervorgegangen sind, sowohl die in
Ottenbenren als in Ochsenhansen, tragen
schon wieder ein abweichendes, etwas späteres
Kostüm, das der zweiten Hälfte des 16.
Jahrhunderts eigenthümlich ist.

(Fortsetzung folgt.)

Der hirsauer Bilderfries.

Von Stadtpfarrer Eugen Keppler in
Freudenstadt.

Dritter Brief'.

Wie? Bezüglich der Löwengestalten
sind Sie mit mir nicht einverstanden?
Sie mit mir? Recht so! Nichts kann
mir an einem Freund angenehmer sein als
verschiedene Meinungen in kleinen Sachen.
Ob, so fragen Sie etwas boshaft, ob die
zwölf Löwen an Salomos Thron oder die
zwei Löwen über dem Thore von Mykenä
oder die zwanzig vor dem Mausoleum in
Halikaruaß vielleicht auch sich ans die
Grasen von Calw bezogen hätten? Wie
schon vor altägyptischen Tempeln, so seien
Löwensignren sehr häufig am Eingang der
Kirchen angebracht gewesen; entweder über
den Thüren oder unter den Säulen des
Portals, als Wächter des Heiligtums. In
dieser Eigenschaft — sie können hier nicht
anders als symbolisch aufgefaßt werden
— sehe mau sie heute noch an den Pforten
mehrerer altchristlichen Kirchen in Rom.
Ob stilisirt oder nicht, darauf komme es
nicht an. Wenn die Hirsauer die Löwen
hätten in ihrem Wald herumlaufen sehen,
wie die Böcke, so hätten sie dieselben
vielleicht auch mehr naturalistisch darge-
stellt. Uebrigens bilden die fraglichen Fi-
guren die Ecken und müßten als solche
fast stilisirt sein. Wappenthiere und
vollends die der Grafen von Calw seien
sie deshalb keineswegs! „Letztere hätten
dem alten Kloster schon so übel mitge-
spielt, ihre Schirmvogtei so vielfach miß-
braucht und die nach langer Mühe von
dem damaligen Grafen ausgewirkte Stis-
tungsurkunde vom Jahre 1075 betone die
völlige Unabhängigkeit des Klosters so
stark, daß es dem Erbauer, Abt Wilhelm,

sicherlich nicht in den Sinn gekommen sei,
einem oder wohl beiden Thürmen der neuen
Kirche eine Beziehung auf den Grafen
von Calw geben zu wollen." (Klaiber,
S. 80.) Die Hirsauer seien froh gewesen,
durch nichts an ihn erinnert zu werden!
Wenn irgendwo und irgendwann, so sei
an dieser Hochwarte des Thals ein Sym-
bol des Schutzes am Platze gewesen tit
jenen unsichern Zeiten, da man sich sogar
vor den Schirmherren fürchtete! —

Gut gebrüllt, Löwe! Offen gestanden,
je mehr ich über diese symbolische Er-
klärung nachdenke, desto geneigter werde
ich, Ihnen Recht zu geben und indem ich
mich darein versenkte, kamen mir sogar noch
weit engere Beziehungen in den Sinn, die
den König der Wildnis mit einer Mönchs-
niederlassung zu verknüpfen scheinen und
zwar, was eine Hauptsache, auf ganz un-
gekünstelte Weise! — Sie kennen die Rolle,
die demselben in der Geschichte heiliger
Einsiedler z. B. eines Hieronymus, An-
tonius, Paulus Eremita zukommt und die
ans der T h a t s a ch e der wunderbaren
Herrschaft solcher Diener Gottes über die
wilden Thiere beruht: während seine sym-
bolische Eigenschaft als Wächter in der
Sage von dem weitsichtigen und selbst im
Schlafe offenen Auge des Löwen ihren
Grund hat. „Die alten Schriftsteller,
die von dem freundlich-dienstbaren Ver-
hältnis berichten, welches der Wüstenkönig
nicht selten mit den Vätern der Wüste
unterhielt, sind der übereinstimmenden An-
sicht, daß diese übernatürliche Herrschaft
über die thierische Natur ans der Wider-
herstellung der ursprünglichen Unschuld zu
erklären sei, mit welcher diese Heroen des
Büßerlebens und der Seelenreinheit be-
gnadigt worden und mittels deren sie nun
die gleiche Stufe erreicht hätten, auf wel-
cher Adam und Eva im Paradies sich be-
funden." Qm enim auctori omnium
creaturarum fideliter et integro corde
famulatur, non est mirandum, si ejus
imperiis ac votis omnis creatura deser-
viat. So Beda tu seiner Vita S. Cuth-
berti: II. Montal. S. 393. — Sei dem
wie ihm wolle, jedenfalls weist der Löwe
auf das Leben der Väter iit der Wüste
hin, deren Gefährte er war: warum sollte
er denn nicht auch Hinweisen auf die Ein-
samkeit der übrigen Mönche, die Nach-
 
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