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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 5
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Keppler, Eugen: Der Hirsauer Bilderfries, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0051

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so bewandert wie im Cicero, sonst würden
Sie sich Anssprüche nicht haben entgehen
lassen wie die folgenden: flircus rnotus
luxuriae . . . hircus immunditia; hae-
dus appetitus carnis. So lesen Sie bei
Rhabanus Maurus. — Luxuriosi Limi-
tes sunt capricornio . . . qui homun-
culus cornutam habebat faciem et in-
feriorem partem capri: quia sub forma
humana est vita luxuriosa et hircina.
(Vinc. Bellovac. Spec. mor. cap. de
luxur. et filiab. ejus.) Ist damit der

unglückliche Bock nur unter Eine Anklage
gestellt, so lässt das Folgende die Anklage-
Punkte nur so ans ihn regnen oder, was
noch schlimmer ist, leitet sie ans seinem
Wesen ab. Haedos homines peccatores
. . . quia in capris haec naturaliter
insunt vitia: libido prae ceteris anima-
libus, superbia, rixa, invidia, concupis-
centia gulae et clamoribus super om-
nia garrulae. In omnibus bis vitiis
peccatores abundant et ideo liaedis
sunt assimilati. (Ludolph. Saxon. Vit.
Chr. pars I, cap. 50.)

Endlich würden Sie so prägnante Sätze
wie diesen: Hirci peccatores (signant)
sive gentiles — S. Eucher. Form. spir.
cap. IV — worin der Bock unter allen
Säugethieren als Sinnbild der Sünde
ü b e r h a u p t gezeichnet ist (wie unter den
Fischen der Aal, unter den Vögeln Rabe
und Ibis), gewiß nicht übergangen haben,
wenn Sie dieselben gekannt hätten. Kann
man eine Sache mit dürreren Worten
sagen, als diese mittelalterlichen Schrift-
steller? Nicht wahr, das haut, das sticht?
— Ja, wen's trifft! — Ist jetzt viel-
leicht die Reihe, verblüfft zu sein an Ihnen?
Unbegreiflich erscheint es Ihnen, wie ich
dazu komme, Ihren Angriff gegen mich
auf diese Weise noch zu unterstützen! Wer
weiß auch, ob ich es thäte, wenn ich mich
nicht hinter einer unbestreitbaren Thatsache
sicher wüßte! Und das ist? —- Daß die
Dinge zwei Seiten haben und auch die
Böcke, und daß, wenn die eine Seite in
die Erklärung nicht paßt, man diejenige
wählen muß, welche den ungezwungensten
Sinn gibt. Eben weil der Bock den Be-
griff der Sünde schlechthin widerspiegelt,
so auch den der bereuten Sünde, der er-
lassenen Sünde, der gntgemachten Sünde.
Nicht bloß die verstockten, auch die buß-

fertigeu Sünder haben Sie in diesem
Bild zu erkennen, ja letztere noch öfter
als erstere! Gegen Ihre Teufelsfratzen
unter Bockgestalt Halte ich die Böcke in
den Armen und auf den Schultern des
guten Hirten, bekannte Darstellungen in
den röinischen Katakomben; und jene
Stellen, welche den Bock als den Ausbund
aller Verwerflichkeit zeichnen, wäge ich
mehr als auf durch eine Reihe anderer,
die ihn als Sühnopfer für die Sünde auf-
treten lassen, wie 3 Mos. I, 10. 4, 23.
9, 15 u. a. namentlich bei den Prophe-
ten : Stellen, auf Grund deren die mittel-
alterliche Symbolik nach dem Vorgang
der Väter uns dieses in einem andern
Betracht so anrüchige Thier geradezu als
Muster vor Augen stellt für die Abbüßung
der Sünden und für die Ueberwindung der
Sinnlichkeit. »Elaedum offerimus, cum
lasciviam superamus.« »Hircos immo-
lare est carnis maceratione libidinosum
sensum occidere et superare.« Nichts
ist dem Mittelalter geläufiger als diese
Vorstellung. Wollen Sie dieselbe weiter
ausgesponnen, tiefer begründet haben, so
lesen sie Folgendes: „Der Bock, welcher
dem Gesetze gemäß für die Sünden ge-
opfert wurde, ist vorbildlich für die Person
des Sünders selbst, welcher durch Ver-
gießung seines Herzblutes, nämlich seiner
Renethränen, den Bann der Sündenschuld
löst." „Den Bock opfert also derjenige,
welcher sich selbst opfert, welcher zu sün-
digeu aufhört und wahrhaft zu bereuen
anfängt. Ein Bock heißt einer, sofern
er ein Sünder; das Bockopfer aber er-
folgt durch Rene und heiligen Wandel."
(So Rhabanus Maurus de univ. VII,
8 und Bruno von Ast. Expos, sup.
Levit. cap. IX.) Obwohl dieses vollauf
genügen würde, muß ich Ihnen doch noch
einen Passus dareingeben, weil dieser eigens
mit Bezug auf Sie geschrieben scheint. —
Ich brauche mit diesen Citaten nicht zu
sparen, da dieses Wildpret ist, das ich
eigentlich nicht selbst hege, das nur von
ungefähr in mein Gehege herübergetreten
ist. Alle meine Angaben in diesem Brief
sind nämlich aus der vortrefflichen Studie
über den Bock in Corblet, Revue de
hart, Jahrg. 1865 S. 533 ff., worauf
ich hier eiu- für allemal verweise. — In
der schon vorhin genannten Exposition des
 
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