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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 6
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Fuhrmans, Albert: Albrecht Dürer, [1]: ein Vorbild für unsere Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0063

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Al brecht Dürer,

c i ii Vorbild für unsere Z e i t.x)
Von Stadtpfarrer F u h r m a n s in Geislingen.

Daß die heutige Malerei einen gewissen
Niedergang zeige — diese Behauptung ent^
hält jedenfalls Einen wahren Kern: die beiden
Hauptgebiete malerischen Schaffens, die welt-
liche und religiöse Historie, finden heutzutage
keine ihrem Wert und ihrer Bedeutung ent-
sprechende Pflege. Auf beit Gemäldeaus-
stellungen befinden sich die Bilder der letzt-
genannten Gattungen in unverhältnißmäßiger
Minderzahl, und von denjenigen welche ihrer
Idee nach ztt den religiösen gerechnet werden
müssen, verdienen wieder viele den Namen
von religiösen Gemälden nicht, tveil sie sich
nicht die Ausgabe stellen, den religiösen
Gehalt des betreffenden Gegenstandes zur
Geltung zu bringen, sondern nur ein Linien-
und Farbenspiel oder ähnliches darstellen
wollen. Nun stießt aber der Jungbrunnen
des Glaubens und der Religiosität auch heute
noch in unserm deutschen Volke, und man
sollte meinen, sogar mit kräftigerem Wellen-
schläge als zur Zeit eines Cornelius und
Overbeck. Warum will es denn nicht auf-
wärts gehen in der religiösen Malerei? —
Vielleicht sollten wir uns besinnen ans u n sere
eigene Vergangenheit, auf die Vergangenheit
unserer deutschen religiösen Malerei.
Ein Volk kann doch nur seiner Natur gemäß
schaffen, die seiner Natur entsprechenden Ideale
verwirklichen; sie liegen seinem Verständniß
und seinem Können nahe. Fremde Ideale
darzustellen wird auch im besten Falle nicht
ganz gelingen; solche Darstellungen werden
das eigene Volk nicht mit Naturgewalt er-
greifen , und namentlich nicht zeugend fort
wirken und ein Geschlecht gleichartiger Künstler
um den Meister scharen. — Wir haben aber
Künstler, ivelche uns in ihrer echt religiösen
und männlich deutschen Art zum Vorbild
dienen können. Einer der ersten ist Albrecht
Dürer.

Vielleicht wird der Einwand erhoben, Al-
brecht Dürer stehe erst am Ansgang des
glaubensinnigen Mittelalters und habe schon
manche neue, selbst naturalistische Elemente
in seine Darstellungen ausgenommen, so daß
er sich nicht recht als Vorbild eigne. Wie
wenig diese Einrede begründet ist, wird die
ganze folgende Darlegung zeigen, so daß es
unnütz ist, hier ans dieselbe besonders ein-
zugehen. Hier inöge nur bemerkt werden,

__ st Die Red. nimmt keinen Anstand, dieser
Studie Aufnahme zu gewähren, woraus übrigens
nicht auf ein Einverstündniß derselben mit allen
Einzelpnnkten geschlossen werden wolle.

daß Albrecht Dürer, gerade weil er am
Wendepunkt zweier Zeitalter steht, gleichsam
als ein letzter Hochwächter der Vergangenheit
in unsere Neuzeit hineinschaut, uns recht
verständlich ist und ttns die Schätze einer
glaubensfrohen Zeit erschließen kann.

Die großen umfangreichen Kunstwerke Al-
brecht Dürers sind — selbstverständlich ab-
gesehen von seinen Bildnissen — mit einer
einzigen Ausnahme religiösen Charakters.
Dieses eine ist seine Trinmphpsorte ztt Ehren
des Kaisers Maximilian I. Sie schließen
sich in ihren Ideen eng an die mittelalter-
lichen Meister an, so daß Albrecht Dürer in
der Hauptsache dent Mittelalter angehört.
Aber welcher mittelalterliche Meister hätte
seinen weiten Gesichtskreis gehabt, welcher
das Gebiet seines künstlerischen Schaffens
so tveit ausgedehnt? Von den höchsten Ideen
an, welche den Geist des Menschen erheben
können, bis zur stillen Freude an dem mun-
teren Treiben der Thiere, ja an dem stillen
Blühen der Blumen fand alles reifes Ver-
ständniß in dem umfassenden Geiste unseres
Künstlers, alles liebevolle Teilnahme in
seinem tiefeit Gemüte. Er schildert uns die
Hanptthatsachcn der gesammten Heilsgeschichte
voin Sündenfall der Stammeltern bis zuin
Weltgerichte ans den 37 Blättern der kleiiten
Passion; führt uns die Leidensgeschichte des
Herrn noch einmal vor in den 12 Blättern
der großen Passion und ein drittesmal in
seiner Kupferstich-Passion von 16 Blättern,
welche bis zur Heilung des Lahmen vor der
Teinpelpfortc durch Petrus ttnd Johannes
fortgesetzt ist. Er erzählt uns das Leben
der Gottesmutter Maria in 20 Darstellungen,
beginnend mit der Abweisung ihrer Eltern
Joachim und Anna vom Opfertische int
Tempel zu Jerusalem. Er läßt seinen hohen
Geist dem Adlersluge des hl. Johannes in
der geheimen Offenbarung folgen. Welch
ein umfassendes Gebiet ist in diesen zu-
sammenhängenden Darstellungen nicht schon
bearbeitet! Daztt kommen aber noch viele
einzelne Werke. Abgesehen von den Gemälden
besitzen wir noch 107 Kupferstiche, 170 Holz-
schnitte und über 1000 Zeichnungen von
Albrecht Dürer. Seine Werke sind
also sehr zahlreich u n b bieten s i ch
d e m K ü n st l e r und de nt Liebhaber
als ein s e h r a u s g e d e h n t e s u n d sehr-
ergiebig es Feld für ihre Forschun-
gen da r.

Von seinen drei Holzschnittfolgen — es
sind die große und die kleine Passion sowie
das Marieuleben — sagt L- Kaufmann (A.
Dürer, Köln bei I. P. Bachent, 1. Aust.
S. 42), daß sie durch Reicht hum und
Tiefe der Erfindung unbestritten
 
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