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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 7
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Keppler, Eugen: Zum Ausbau des Ulmer Münsters, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0068

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Archiv für christliche Kunst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Oereins für christliche Kunst.

perausgegeben und redigirt von Professor Dr. Keppler in Tübingen.

Verlag des Rottenburger Diözesan-Annstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Dr. Keppler.


Erscheint monatlich einmal. Halbjährl. für M. 2. 05 durch die württemb. (M. t. 90
im Stuttg. Bcstellbczirk), M. 2. 20 durch die bayerischen und die Rcichspostanstalten,
fl. 1. 27 in Oesterreich, Frcs. 3. 40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags
direkt von der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, Urbausstraßc 94,
zum Preise von M. 2. 05 halbjährlich.

n *3

1890.

ginn Ausbau des Ulmer Münsters.

Von Stadtpfarrer Eugen Keppler
in Freudenstadt.

Es gibt Gewächse, die ganze Menschen-
alter hindurch zu schlummern scheinen —
ein beschränktes Wachsthum scheint ihr
Los zu sein. Sommer ans Sommer,
Winter aus Wiuter gehen an ihnen vor-
über und noch ist kein Anzeichen jener
Zierde zu sehen, welche die Krone der
Pflanzenwelt ausmacht: keine Blume, keine
Verheißung der Frucht! Endlich kommt
das durch viele Jahre langsam Vorbe-
reitete aus Licht. In raschem Schüsse,
plötzlich mit Blüten gekrönt, treiben sie
ihren Stengel in die Höhe und wenige
Stunden vorübergehender Schönheit und
Pracht vergelten die lange mühsame Pflege.
— Solch einen Durchbruch erlebten wir
zu unserem Erstaunen an dem altersgrauen
Gesellen, an unserem Müusterthurm. Auch
er war lange Zeiträume hindurch wie
eingesponnen und gab kein Lebenszeichen.
Da auf einmal in unfern Tagen, nach-
dem er erst am Boden tiefer sich bewurzelt
und innerlich zur rechten Schnellkraft sich
gesammelt — wer ein bischen sich aus-
keuut, weiß was wir meinen — durch-
bricht er mit Macht die Hüllen seiner
Verpuppung und aus dem schweren, ernsten
Torso ist der junge, lebendig sprossende
und doch im Kerne wohlbefestigte Bau
hervorgewachseu, der oben zur reichen
Blütenpracht der kühnsten Pyramide sich
erschließt, die nun, wie sie erst nach
Jahrhunderten sich entfaltet, so nach Jahr-
hunderten noch in unvergänglicher Schöne
strahlen soll!

Außer dem Kölner Dom ist kein Bau-
werk so langsam und doch dabei so gleich-
artig gewachsen wie unser Münster. Fünf
Jahrhunderte find für es wie Ein Tag!
Mau sieht es dem Baume nicht au, daß

sein Saft je gestockt; mit solch innerer
Notwendigkeit ist sein Wipfel schon an
der Wurzel angelegt und Stamm und
Verzweigung und Verästelung bis aus die
Blätter und Blumen hinaus: alles wird
durch das im Kein: schlafende, im Wachs-
thuin nur sich entfaltende Gesetz bedingt.
Außer dem Kölner Dom ist auch nie ein
Bau durch widrige Umstände so vielfach
gefährdet gewesen wie das Ulmer Münster.
Aber allemal wurden sie durch eine gnä-
dige Fügung von oben zum Besten gelenkt,
so zwar, daß sie uns jetzt fast als die
nothwendige Vorbedingung des gediegenen
Ausbaus erscheinen, dessen wir uns heute
freuen. Wenn aber irgend etwas unsere
Freude erhöhen kann, so ist es der Blick
auf den merkwürdigen Zickzackweg dieses
Müusterbaues. Wird uns doch ein Besitz
um so wertvoller, je öfter derselbe in Frage
gestanden!

Ein Stil, Ein Leben zieht durch den
Thurm, aber auch durch das Ganze, wel-
ches an Gleichartigkeit und Gesammthar-
monie unmittelbar nach dem Kölner Ge-
nossen kommt — und zwar, obwohl der
verhältnismäßig kleine Chor nur ans eine
— im Vergleich mit dem jetzigen Riesen-
raum — mäßige Pfarrkirche berechnet er-
scheint. Es muß — das beweist die un-
gewöhnliche Mauerhöhe zwischen den
Fensterschlüssen und dem Dachgesims,
zwischen dem Ehorbogen und dem Gewölbe
des Mittelschiffes — es muß erst im
Verlauf des Chorbaues in diesen hoch-
strebenden Seelen der Entschluß gereift
sein, ihrer „Pfarrkirchen" einen lichten Flä-
chenraum von 5100 Quadratmeter (gegen
6200 des Kölner Doms) und die Höhen-
entwicklung eines Gehäuses über das
Straßburger Münster zu geben. Ob nun
Ulrich von Ensingen schon bei dieser Ent-
schließung zu Gevatter gestanden, oder ob
ein glücklicher Stern gleich daraus ihn,
 
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