Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

DOI Heft:
Nr. 7
DOI Artikel:
Fuhrmans, Albert: Albrecht Dürer, [2]: ein Vorbild für unsere Zeit
DOI Artikel:
Schnell, ...: Die Altäre der Heiligkreuzkirche zu Rottweil a. N., [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0072

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
61

Sinn unter uns so gesund, daß Machwerke
wie die genannten ihren Weg in unsere
Gotteshäuser nicht finden. Aber in das
christliche Wohnhaus finden ähnliche Darstel-
lungen schon Eingang, besonders in Farben-
druck, auch werden solche als Einlegebilder
in Gebetbücher benützt. Insbesondere findet
man da viele gehaltlose, weichliche Darstel-
lungen Mariä und solche des Jesuskindes,
welche nicht einmal erkennen lassen, ob das-
selbe ein Knabe oder ein Mädchen gewesen
ist. Und wie Überalls wenig sieht man in
Kirchen und Kapellen, an den Wänden der
Zimmer sowie in Gebet- ilnd Erbannngs-
büchern voil all dem unerschöpflichen Reich-
thum der biblischen, legendarischen xutb Kir-
chengeschichte, der Glaubenslehren und des
Glaubellslebens? Wellige einzelne Bilder,
fast llie einen umfassenden Cyklus. Was
den innern Gehalt der religiösen Kllilst an-
geht, ist also voil Albrecht Dürer viel zu
lernen. (Fortsetzung folgt.)

Die Altäre der Heiligkreuzkirche zu
Rstlw«il-.N.

Von Repetent Schnell in Rottweil.

(Fortsetzung.)

1. D e r Hochaltar.

Die Stadtpfarrkirche in Rottweil ist im
Besitze einer wahren Partikel voill hl. Kreuze
und ist auch dem hl. Kreicze geweiht. Diesem
Umstande mußte bei der Anlage des Hoch-
altars Rechnung getragen werden. Ferner
ist an der Nordwand des Chores gegenüber
dem Altäre ein Wandtabernakel angebracht,
der aus gothischer Zeit stammt, dessen weitere
Benützung den Ausbau des Hochaltars er-
leichteril uild vereinfachen mußte. Mit diesen
beiden Faktoren rechnete Heideloss und er-
warb sich von dem Nürnberger Kunsthändler
Kiesser um den Preis voil 400 fl. einen
allerdings schon stark verwurmten überlebeils-
großen Kruzifixus, angeblich ein Werk
von Beit Stoß, und machte nun dieses
Kruzifix zum Mittelpunkt des Altaraufbaues.
Er befestigte den Christuskörper an einem
kräftigen Kreuz es stamme, flankierte das Kreuz
links und rechts je mit einem gothischeil
Pfeiler und verbaild diese durch einen reich
ornamentirten spätgothischen Bogen, welcher
mit schöner Kreuzblume schließt und das
Kruzifix baldachinartig krönt. Die Pfeiler
selber sind mehrfach gegliedert, von Säulchen,
Ziergiebeln, Krabben flankiert, sie verjüngen
sich hübsch uild laufen aus in reich verzierte
Fialen. Ueber dem Kreuzesquerbalken uild
unten, wo die Füße des Kruzifixus ange-
nagett sind, wachsen aus dem Krellzesstamnle
je zwei Aeste heraus, welche sich kreisförmig

winden uild in eineni Vierpasse je eines der
vier Evangelistensymbole zeigen. Unterhalb
der Füße frönt ein sechseckiger Baldachin
das schöne Maßwerk, welches den Kreuzes-
stanliil mit den Pfeilern verbindet. Rechts
ilnd links ain Fuße des Kreuzes kniet je ein
Engel mit Kelch in reicher Bogenum-
rahmnng.

Diese beiden Eilgel, sowie die vier Evan-
gelistensymbole siild verfertigt voil Hofbild-
hauer Müller voil Meiningen nild
kosteten 92 fl. Der ganze übrige Aufbau ist
eine Arbeit des Bildhallers Rotermund cutö
Nürnberg, welcher dafür 1040 fl. erhielt.
Die Schreinerarbeit des Altars lieferte der
Nürnberger Paul Haas um 400 fl.

Der ganze Altar ist reich vergoldet
von Maler Joseph Hütter an-S Nürnberg,
was allein 1900 fl. kostete. Da iilfolge
desseil auch der Kruzifixus vergoldet ist, und
da er wegen der starken Wnrinstichigkeit theil-
weise einen starken Kreidegrund erhalten hat,
so ist die Untersuchung, ob wir hier wirklich
eiil Werk von Veit Stoß vor llnö haben,
sehr erschwert. Jinmerhin zeigt er Eigen-
schaften, welche in zweifellos anerkannten
Werken voil Stoß gerühmt werden, so: die
gute Proportion des Leibes, anatomisches
Verständniß und naturalistische Durchbildung
der einzelnen Teile, eine große, würdige
Auffassung. Das Bild stellt den schon ent-
seelteil Leib des Herrn dar. Das Haupt ist
ziemlich nach vorne geneigt, die Angen ge-
schlossen lind der Mund ein wenig geöffnet,
die Wangen eingefallen. Die Gesichtszüge
siild etwas herb, aber dennoch edel gehalten.
Die Haare hängen zu beiden Seiten der
Wangen herab, beschatten das Antlitz und
verleihen ihm so etwas Geisterhaftes.

Das Schamtuch ist an der rechten Hüfte
geknüpft; die eine Hälfte fällt an dein
rechten Oberschenkel hinab, die andere flattert
in flachen: Bogen, schön gefaltet, voil den:
Unterleibe nach links. Die Bciile siild ziein-
lich auseinander gehalten und etwas aus-
wärts gebogen, so daß die Füße sich unten
kreuzen. Eine größere Sicherheit über den
Verfertiger des Kruzifixus ließe sich schon
erzielen, lveiln es möglich wäre, gute Ab-
bildungen der dem Veit Stoß zugeschriebenen
Kruzifixe damit zu vergleichen. Nach der
Charakteristik, welche Bode in „der Geschichte
der deutschen Plastik" ben Kruzifixen deö
Veit Stoß giebt, würde das Rottweiler
ihm keineswegs zur Unehre gereichen.

Heideloss hatte bei dem Altarentwurf
darallf gerechnet, daß der leere Raum zwi-
schen Kruzifix und Pfeilern des Altares
ausgefüllt werde durch Leidenswerkzeuge
tragenbe Engel des mittleren Chorfensters.
 
Annotationen