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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 8
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Keppler, Eugen: Zum Ausbau des Ulmer Münsters, [2]
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69

Dächer plötzlich versiegte, indem die Stadt-
gemeinde in Folge der leidigen Ablösungs-
gesetze ihren Zuschuß im Jahre 1850 auf
1000 st. beschränkte. Der Rückschlag war
derart, daß der Bau anderthalb Jahre still-
stand. Erst 1852 wurde die elend zer-
fallene Vorhalle wieder in Arbeit genommen,
und es war höchste Zeit — die Langwände
schwankten förmlich im Winde — als end-
lich 1856 Dank dem persönlichen Eingreifen
des Königs Wilhelm, welcher ans eigenen
Mitteln einen Jahresbeitrag von 3000 fl.
anwies, Staat und Stadt sich verpflichte-
ten, jährlich je 6000 fl. beizutragen. Da-
durch waren die Mittel zur Herstellung
des dringend nothwendigen Strebewerks
gegeben und die Erhaltung des Münsters
endlich gesichert. Zn dem Weiterbau
aber und vollends zum Weiterbau des
Hanptthnrms konnte man mit Zuversicht
erst sortschreiten, als die schon von Thrän,
von Oberbürgermeister Heim n. a. ange-
bahnte Lotterie im Jahre 1868 in Würt-
berg und Bayern genehmigt war. Etwas
bedenklich, wenn zu Gunsten des Heilig-
thnms selbst in Anwendung gebracht, doch
(unseres Erachtens) nicht zu beanstanden,
wo es sich bloß um die Erstellung äußer-
lichen Beiwerks, namentlich der mehr welt-
lichen Auswüchse, nämlich der Thürme,
handelt, brachte dieses in der Neuzeit be-
liebte, doch schon im Mittelalter geübte
Mittel eine Reihe von Jahren hindurch
(mit Ausnahme von 1870) der Münster-
kasse den willkommenen Zuwachs von
70000 fl., der um so angebrachter war,
als der Bau in den vorangegangenen 25
Jahren rund 600 000 fl. verschlungen
hatte, wovon über die Hälfte von Ulm
und den Ulmern selbst aufgebracht worden.

Von nun an durch keine Geldklemme
mehr gehemmt, berechnend vorwärts, ruhi-
gen Ueberblicks, nie einen Schritt weiter
auf der Bahn, ehe das Werk des Vorher-
gehenden wohl befestigt stand, kurz in
allem sich haltend wie die alte Bauhütte
es gehalten: so brachte Scheu, wie die
„Deutsche Bauzeitung" in seinem Nachruf
von ihm rühmt, „das Bauwerk erst in
einen regelrechten, des Erfolges sichern
Gang und gab ihm mit der vollendeten
technischen Solidität auch die echt künst-
lerische Weihe, so daß es neben dem histo-
rischen ein selbständiges künstlerisches In-

teresse gewann, das sich am meisten an
die in voller Treue und Strenge des
Stils, aber mit ganz eigener Amnuth itnb
Eleganz gestalteten neuen Theile des Chor-
baus heftete". Vom Chorhaupt sollte,
wie einst bei der ersten so auch bei der
zweiten Gründung des Münsters der Bil-
dungstrieb ausgehen und bis zu den
fernsten Enden und höchsten Spitzen hin-
dringen. Wenn nur erst der Chor aus-
gebaut ist: einerseits durch den zierlichen
Lanfgang, der die klaffende Lücke über
den Chorfenstern füllt, anderseits durch
die zwei Chorthürme, die ihn gegen die
Seitenschiffe begrenzen, dann wird das
Verlangen nach der endlichen Auöführnng
des Westthurms, mit dem sich jene in
Kreuzesform verbinden sollen, von selbst
sich Geltung verschaffen. So rechnete der
Meister und so geschah es; aber erleben
sollte er es nicht; hineinschallen sollte er
in das Land seiner Wünsche — er selbst
wies anläßlich der Vollendung des nörd-
lichen Thurms (1878) voll Begeisterung
hin aus das nahe Ziel — aber hinein-
kommen sollte er nicht. Er starb schon
1880. Kurz zuvor hatte er mit berech-
tigter Zuversicht das Wort gesprochen:
Gebt mir eine Million Mark, und ich
baue den Hauptthurm euch aus! Diese
Million kam auch ohne Schwierigkeiten
nach und nach zusammen, zumal das pro-
testantische Prellßeu endlich, 15 Jahre
nach dem katholischen Bayern, im Jahre 1882
die Lotterie zu Gunsten des größten pro-
testantischen Gotteshauses im jenseitigen
Staatsgebiet genehmigte.

Den Faden aus der Hand des ver-
blichenen Meisters hatte 1880 ein anderer
übernommen, der ihil mit gleicher Umsicht
fortspann, Professor Beyer, wie jener ein
Schüler Egles, welch letzterer dem Mün-
sterbanwerk nunmehr seit 35 Jahreil seine
bewährte Mitwirkung leiht. Wurde somit
der Bau durch den schmerzlichen Verlust
seines erprobten Lenkers in feinent Fort-
gang nicht gehemmt, so war er doch noch
nicht allen Jährlichsten entronilen. Eiil
Konkurrenz-Gedanke drohte störend da-
zwischenzutreten, als nämlich von gewissen
Seiten der — übrigens in jeder Hinsicht
zu widerrathende —• Ausbau des Straß-
burger Münsterthnrms in deil Vorder-
grund gestellt werdeil wollte. Allein der
 
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