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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 10
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Probst, Josef: Bemerkungen über zwei weitere Skulpturen aus der Pfarrkirche in Eriskirch, OA. Tettnang
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https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0104

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ältere Vorbilder sich anznschmiegen, weist
die oben angeführte Behandlnng der Falten
und des Saumes der Gewänder wieder
ans und vermeidet geflissentlich den gebro-
chenen Faltenwurf der Gewänder am Ende
des 15. Jahrhunderts.

Ans diesen thatsächlichen Grundlagen
geht nun hervor, daß die Statuen von
Eriskirch nicht die Fr a tt e n unter
dem Kreuz sein können. Schon die
Zahl derselben ist zu groß. Die Evange-
listen führen nur drei Frauen mit Namen
an, und jedenfalls dürften dieselben nicht in
ihrer Kleidung (Schleier) als Jungfrauen
gekennzeichnet sein, da sie, mit Ausnahme
der Magdalena, ausdrücklich als Matro-
nen bezeichnet sind.

Man möchte vielleicht an die Begegnung
mit den Töchtern Jerusalems denken.
Aber der Affekt, besonders der Nr. 8
und Nr. 140, ist keineswegs der eines
sanften und frommen Mitleides, sondern
ein wesentlich anderer; ein fast zorniger,
vorwurfsvoller Zug ist so absichtlich von
dem Meister angebracht worden, daß
schon um deßwillen diese Deutung abzn-
lehnen ist.

Ans dem gleichen Grunde kann man
auch nicht an heilige oder selige Jnngfanen
ohne Embleme denken. Rene und Nie-
dergeschlagenheit , die offenbar gegen sich
selbst, gegen die eigene Unachtsamkeit
gerichtet sind, lassen sich mit der statuari-
schen Darstellung von Seligen nicht
vereinigen.

Freilich fehlt bei allen vier das spezifische
Emblem der klugen und thörichten Jung-
frauen — die Lampe. Aber wir haben
schon in dem oben citirten Artikel darauf
hingewiesen, daß die Hand von Nr. 6
des Katalogs so gebildet ist, daß dieselbe
sichtlich etwas zu tragen hatte. Ailch bei
Nr. 146 sind die Finger der einen Hand
eingebogen. Das ist freilich nicht entschei-
dend, aber im Zusammenhang mit der
ganzen Haltung der Figuren doch wichtig.
Wenn die Lampe selbst da wäre, so wäre
selbstverständlich jede weitere Diskussion
überflüssig.

Weiter ergibt sich aus dem, was oben
angeführt wurde, noch, daß die Zeit der
Entstehung dieser Skulpturen nicht an
das Ende, sondern in den Anfang des
15. Jahrhunderts fallen muß.

Das erweiterte Material, das der Be-
urtheilung nunmehr unterbreitet ist, nöthigt
uns somit keineswegs, von unserer früher
ausgesprochenen Ansicht abzngehen, sondern
ist ganz geeignet, in derselben zu bestärken.

Es wird ailch nicht befremden können,
wenn man, fast unwillkürlich, ans den
Gedanken kommt, daß diese Statuen das
Werk eines Bildhauers Keltenofer in
Ravensburg sein können, und wahrschein-
lich sein werden, dessen die Ravenöbnrger
Akten um das Jahr 1437 als eines „ge-
schickteil Bildhauers" gedenken. Es möge
nun gestattet sein, über den Werth dieser
Figuren, deren Erhaltung wir dem Ver-
dienst des seligen Kirchenraths Dur sch zu
verdanken haben, noch eiilige Worte bei-
zufügen.

Holzsknlptnren ans bem Anfang des
15. Jahrhllnderts sind in Schwaben und
überall eine Seltenheit. In Württemberg
wird der Palmesel in Ulm (1420) wohl
die einzige Statue aus Holz ans dieser
Zeit sein; denn das Reliefbild an dem
Magdalenenaltar in Tiesenbronn (von
Lukas Moser von Weilderstadt 1431) ist,
wie Bode (Geschichte der deutschen Plastik
S. 179) wohl richtig bemerkt, ein späterer
Zusatz vom Anfang des 16. Jahrhunderts.
Die vier Statuen von Eriskirch aber
dürften ilicht nur ein vollständigeres, son-
dern allch ein günstigeres Bild von dem
Zustande der Holzplastik im südlichen
Schwaben geben als das, wahrscheinlich
einem Acker zuzuschreibende Werk in Ulm.
Auch die gleichzeitigen Skulpturen in Stein,
die am Ulmer Münster, wie an den Kir-
chell in Gmünd, Eßlingen und Ravens-
bllrg in stattlicher Anzahl vorhanden silld,
lassen doch viel zu wünschen übrig. Sie
sind doch mehr Arbeiten von gntgeschnlten
Steinmetzen, deren Beruf aber nur zu-
nächst eine stilgerechte Behandlung der
gothischen Ornamente verlangte. In den
Holzskulpturen von Eriskirch aber tritt
uns ein Meister entgegen, der offenbar
speziell mit der Darstellung menschlicher
Figuren vertrant war. Dursch erkannte
das vollständig, wenn er die „technische
Vollendung" derselben hervorhebt oder iit
seinem Katalog sagt: „Diese Figur (Nr. 6)
ist hinsichtlich des Ausdruckes, der Dra-
perie und der Ausführung ein vortreffliches
Werk der altdeutschen Skulptur"; oder
 
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