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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 11
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Detzel, Heinrich: St. Georg, [1]: in Legende und bildender Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0117
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102

Legenden des Simon Metaphrastes, An-
dreas Hierosolymites und des Gregorios
Kyprios anznsehen. Ebenso ist anch das von
Aloysius Lipontanns ans dem Griechischen
ins Lateinische übersetzte »Martyrium sancti
et magni martyris Georgii a Pasicrate ejus
servo scriptum« mit' eine setzr spate Uebcr-
arbeitnng der griechischen Legende und hat mit
den alten Akteir des Pasikras, ans den wir
eben kommen werden, nichts als den Titel
gemein.

Dagegen gibt es außer der griechischen
Legende anch eine alte lateinische, die
nach ihrer eigenen Angabe von dein Diener
des Heiligen, Pasikras mit Namen, verfaßt
sein will; sie findet sich in einem codex
Gallicanus ans dem 8. Jahrhundert und steht
wohl den von Papst Gelasins verworfenen
Legenden am nächsten. Sie ist in einem von
Papebroch in der Bibliothek zu Vallicena
aufgefundenen Codex, einem mit longobar-
dischen Schriftzügen geschriebenen Manuskript
ans dem 12. Jahrhundert, überarbeitet. Von
ihrem Inhalt macht Papebroch 2 *)J folgende
Angaben:

Der Teufel trieb Dacianus, den Kaiser
der Perser, den Herrn über die vier Him-
melsgegenden , daß er die 72 Könige der
Erde, die unter ihm waren, zusammenrief
und, nachdem er sich mit ihnen beraten, eine
Verfolgung über die Christen verhängte. Da-
mals lebte der hl. Georg; Melitene in
Kappadozien war sein Geburtsort, Melitene
cutd) der Schauplatz seines Martyriums. Hier
hielt er mit einer Wittwe Haus. Die Mar-
teru sind in der ältesten Fassung der Legende
zahllos; in der Ueberarbeitung sind sie auf
die folgenden redncirt: Die Folterbank, eiserne
Zangen, brennendes Flechtwerk, das mit
Schwertern besetzte Rad, die angenagelten
Schuhe; dann wird Georg in eine eiserne,
inwendig mit Nägeln besetzte Kiste geworfen,
in den Abgrund gestürzt, mit eisernen Häm-
mern geschlagen; eine schwere Säule wird
ans ihn gelegt, ein schwerer Stein ans fein
Haupt gewälzt; er wird auf ein glühend
gemachtes eisernes Bett gedrückt; geschinolzenes
Blei wird über ihn gegossen; dann wird er
in einen Brunnen geworfen, mit vierzig
glühenden Nägeln durchbohrt, in eilten
glühenden ehernen Stier eingeschlossen, mit
einem Stein um den Hals in den Brunnen
geworfen. Diese Martern dauern 7 Jahre.
Endlich verdarb Georg mit Arglist die
Zauberer der Heiden und brachte die Heiden

x) Bei Surius, Vitae sanctorum, April,
p. 278 ff.

2) Act. S. S. l.'c. 101 f. u. Baronius,
Martyrologium Romanum, p. 250 ff.

selbst um; 40 900 Menschen aber bekehrten
sich zum Christenthum; darunter Alexandra,
die Kaiserin der Perser. Dacianus ließ diese
enthaupten und mit ihr den Heiligen, eines
Freitags am 24. April. Hierauf entführte
ein feuriger Wirbelwind den Daciantts itnb
seine Getreuen.

Die m oh am ed a n i s ch e Legende vom
hl. Georg sagt: G'erg'is, der noch bei Leb-
zeiten der Apostel geboren war, ward von
Gott zu dem Könige von el-Maucil geschickt,
um ihn zur Annahme des Christenthums
atlfzufordcrn; der König ließ ihn hinrichten,
Gott aber rief ihn ins Leben zurück und
schickte ihn ein zweitesmal; ein zweitesmal
getödtct ward er von Gott wiederum aufer-
weckt und ein drittesmal geschickt, wo ihn
dann der König verbrennen und seine Asche
in den Tigris werfen ließ. Darauf vertilgte
Gott den König mit allen seinen Unter-
thanen.l)

Man hat versucht, die lateinischen Akten
für die ursprünglichste Fassung der Legende
zu erklären und in den griechischen nur eine
von Nücksichtcn ans Moral, Wahrscheinlichkeit
und Geschichte geleitete Znrechtmachnng der
ursprünglichen Legende zu sehen. Den
schlagenden Betveis für diese angeblich größere
Ursprünglichkeit der lateinischen Akten hat
man besonders in dem Umstand finden wollen,
daß die sowohl von ihnen als von den grie-
chischen Akten unabhängige Tradition der
Araber die Vernichtung des ungläubigen
Herrschers und seiner Anhänger, das orien-
talische Lokal, endlich auch die Zahl von 72
unter dem Perserkaiser stehendeir Königen
bestätigt. Allein die Gründe, welche Pape-
broch für die Priorität der griechischen Akten
gegenüber den lateinischen angegeben, sind
damit nicht widerlegt. Es hat nie einen
persischen Kaiser Dacianus gegeben, und
wollte man diesem auch den Diokletianus
substitniren, so ist eben die Christeuverfol-
gnng doch nicht in Melitene, sondern in
Nikomedien ausgebrochen. Dann aber ver-
rathen die lateinischen Akten nicht nur durch
ihre geschichtlichen Verstöße, sondern auch
durch ihre Maßlosigkeit und ihren fabelhaften
Inhalt ihre geringe Authentizität. Vor
allem aber müßte man sicher von dem Grund-
satz ausgehen können, daß nicht nur das
über den Heiligen Berichtete, sondern dieser
selbst jeden historischen Hintergrundes ent-
behre, eine Annahme, welche, wie wir er-
sehen werden, die reinste Willkürlichkeit
wäre. Doch sei dem, wie ihm wolle, in
diesen griechischen und lateinischen Akten
haben wir die ältesten uns über den Hei-

*) Gntschmid, 1. c. S. 175 ff.
 
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