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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 11
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Schnell, ...: Die Altäre der Heiligkreuzkirche zu Rottweil a. N., [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0123

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108

anderen Kapellen übertrifft. Der frühere
Rococo-Altar machte 1886 einem neu-
gothischen Platz. An Stelle der älteren oben
geschilderten Pieta ist eine neue getreten,
welche gute Modellirung, namentlich des
Christuskörpers, und auch edle Auffassung
verrät, aber der früheren an Kraft der Em-
pfindung bedeutend nachsteht. Der Entwurf
des Altars mit vielen nnnöthigen Stäbcken
und Ziergliedern, denen die Reinheit des
Stiles ab'geht, ist kein glücklicher, die Aus-
führung ist sauber. Im Antipendium ist
ein tüchtiges Hochrelief, der hl. Nepomuk in
liegender Stellung.

Die Kapelle unmittelbar östlich vom Thurm
hat als Schmuck einen gothischen Kruzisirus,
welcher früher am Karfreitage zur Ent-
hüllung und Anbetung, sowie als Grab-
christus benützt wurde. Denn die Arme
können vermittelst Charnicre in den Achsel-
höhlen bewegt und an den Körper gelegt
werden. Die Charniernägel sind maskirt
durch Haarlocken. Das Schamtuch ist in
der Mitte und rechts geschlungen und ein-
fach gothisch gefaltet. Die Proportionen sind
gut. Die ganze Behandlung deö schlanken
Leibes weist auf die Zeit guter Gothik hin.
Im Unterleib befinden sich vier Löcher,
welche allgeinein gedeutet werden als Ver-
wundung durch Kugeln feindlicher Soldaten,
Denn der Christus stand früher in einer
Feldkapelle. Die mater dolorosa, welche
unterhalb des Kruzifirus steht, ist ein Pro-
dukt der Zopfzeit unb steht au edler Auf-
fassung demselben bedeutend nach.

9) Der P e tr u s - A l t a r. Dieses ist
der einzige Altar, welcher in seinen wesent-
lichen Bestandtheileu auch die Zopfzeit über-
dauert hat und somit noch ein altes Erbstück
aus der ursprünglichen gothischen Ausstattung
der Heiligkreuzkirche ist. Allerdings war er
theilweise ziemlich beschädigt, aber im Vergleich
mit den übrigen Altären verursachte er wenig
Kosten, welche die Kirchenverwaltung bestritt.
Ter Schreiner Paul Haas restaurirte den
Altaraufsatz um 26 fl., Bildhauer Rotermund
fertigte zum Altaraufsatz einige neue Theile
und restaurirte das klebrige um 110 fl, und
endlich hat Vergolder Hütter „auf Verlangen
der Kirchenverwaltung den St. Petrusaltar
vergoldet um 550 fl.".

Der Altaraufbau hat über einer mit drei
kleinen, halbkreisförmigen Nischen versehenen
Predella drei Hauptnischen. Die mittlere
hat einen stark erhöhten Fuß, in welchem
noch eine kleinere Nische für eilte Bruststgnr
des Heilandes angebracht ist. Die Haupt-
nischen sind flankirt von spätgothifchem

Stabwerk und geziert mit gleichem Ranken-
werk. Die Stäbe laufen aus in Fialen,
welche sich theilweise oben stark krümmen
und Füllungen von Blattwerk umschließen.

Die Hauptfigur des Altares befindet sich
in der Mittelnische und stellt den heiligen
Apostelfürsten Petrus dar. Angethan mit
der Albe, mit über der Brust gekreuzter
Stola und einem über die Kniee herüber-
geschlagenen Rauchmantel sitzt er auf der
Kathedra und hält in der Rechten einen
großen Schlüssel, während die Linke in einem
auf dem Schooße liegenden Buche blättert.

lieber seinem Haupte ist eine dreifache
Krone, umrandet von Zacken und scharf ge-
bogenen heraldischen Lilien. Der Kopf ist
ziemlich realistisch behandelt, der Mund ein
wenig geöffnet, die üppigen Bart- und
Haupthaare sind stark gekräuselt.

Der Faltenwurf ist etwas breit und im
Ganzen einfach gehalten, bloß die Mantel-
Draperie von den Knieen abwärts ist ziemlich
geknittert. Strenger und einfacher sind die
beiden Figuren der Seitennischen gehalten.
Diejenige des hl. Jakobus steht auf der
Evangelienseite und hält den Pilgerstab in
der Linken; die rechte Hand vor der Brust
weist mit dem Zeigefinger nach oben. Mit
gleicher Ruhe, aber zilgleich mit ernsten
Gesichtszügen, steht die Figur des heiligen
Paulus in der anderen Nische. Die rechte
Hand ruht auf dein Schwertesknauf, während
die linke auf der Querstange des mit breitem
Band umwundenen und mit Blattlaus cise-
lirten Schwertes liegt. Die Figuren in der
Nische unterhalb der Mittelsigur und tit den
drei Predella-Nischen sind ca. 25 Centimeter
hohe Brustbilder des Heilandes und der
Apostel. Je drei Apostelsigürchen sind aus
einem Stück geschnitzt. Nur Weniges ist
an diesen flott und zierlich geschnittenen
Brustbildern neu, aber auch als solches sofort
erkennbar. Die Predella schweift zu beiden
Seiten in zwei Kurven über die drei Haupt-
nischen seitwärts auS und trägt auf dem
hiedurch gewonnenen Platze zwei fpätgothifche
Statuetten. Auf der Evangelienseite ist es
die Figur des hl. Bischofes Medardus mit
dem Weberschiffchen, auf der Epistelseite
jene des hl. Ulrich oder Benno. Die Ge-
sichter sind naturalistisch durchgearbeitet, die
Gewandung ist etwas geknittert und zeigt
Verwandtschaft mit der oben beschriebenen
Figur des hl. Eligius. Der figürliche Theil
dieses Altares ist ohne Zweifel oberdeutsche
Arbeit. (Schluß folgt.)

Stuttgart, Buchdruckerei der Akt.-Ges. „Deutsches Volksblatt".

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