Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Your session has expired. A new one has started.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

DOI issue:
Nr. 1
DOI article:
Die Frage der Kirchenheizung
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0007

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
tischen Nachdruck zu geben, wie das Knieen
auf Marterbänken, mit welchen so häufig
heute noch die Kirchen ausgestattet werden,
nicht aus Gründen der Ascese, sondern
aus Unverstand. Auch die Klöster, die
früher mit Einem Wärmeraum sich begnügt
hatten, dem Calesactorinm, Heizen jetzt
alle ihre Wohnränme, und die Priester
begnügen sich meist auch nicht mehr mit
dem Wärmapfel, um die steifen Hände zu
erwärmen, sondern haben sich für eine ge-
heizte Sakristei gesorgt. Schon die Eine
Rücksicht auf die Gesundheit wäre hoch
und wichtig genug, um dem christlichen
Volk eine ähnliche Wohlthat nicht zu ver-
sagen, und jeder höhere Wärmegrad, wel-
cher den Grad der Aufmerksamkeit ans
das Wort Gottes und die Liturgie zu
steigern vermag, wäre als wahre Wohl-
that anzuerkennen.

Zweite Frage: I st e s n o t h w e n d i g,
unsere Kirchen zu Heizen? Die
Frage ist ut dem Sinne gemeint, ob be-
reits ein dringliches Bedürfnis; nach ge-
heizten Kirchenräumen konstatirt sei durch
allgemein oder in weiten Kreisen gemachte
schlimme Erfahrungen, durch sehr große
ans der Nichtheiznng sich ergebende Miß-
stände, wie Entleerung der Kirchen im
Winter, Mehrung der Fälle, wo der Auf-
enthalt in der kalten Kirche direkte oder
indirekte Ursache von Erkrankungen war,
oder auch nur durch ein allgemeines, be-
stimmtes und nachdrückliches Verlangen
unserer Gläubigen nach dieser Wohlthat.
Nach keiner von diesen Seiten hin wird
man von einer gebieterischen Nothwendig-
keit sprechen können. Niemand wird be-
haupten wollen, daß bei uns die Kirchen-
heizung geradezu unentbehrlich sei, um noch
einen geordneten Kirchenbesnch im Winter
aufrecht erhalten zu können; das dürfte
höchstens für ungünstige städtische Verhält-
nisse zutreffen, und es wäre erst noch
zweifelhaft, ob das angewandte Mittel
hier zum Ziele führen würde. In geord-
neten Verhältnissen haben wir immer noch
die erfreuliche Möglichkeit, die Temperatur
der Kirche durch organische Wärme zu
erhöhen, dadurch, daß im Hauptgottesdienst
die Kirche ganz von Volk gefüllt ist. Das
kann und wird natürlich Vorkommen, daß
manche durch die Rücksicht auf ihre Ge-
sundheit bei großer Kälte von der Kirche

ferngehalten werden; auch solche Fälle
sollen nicht in Abrede gezogen werden, wo
kränkliche Personen, welche die nöthige
Rücksicht nicht nahmen, sich in der kalten
Kirche Krankheiten zuzogen. Doch wird
man gut thun, die Zahl der letzteren Er-
kranknngsfälle nicht allzu hoch anzusetzen
und hierin auch nicht jeder ärztlichen An-
gabe zu glauben; denn es sind manchmal
nicht so fast zuverlässige Erfahrungen als
wenig kirchenfreundliche Gesinnungen, welche
veranlassen, die kalte Kirche für sehr viel
verantwortlich zu machen und sie als einen
wahren Herd von Krankheiten in Verruf
zu bringen. Im übrigen aber beachte man,
daß es nicht nöthig und nicht möglich ist,
auf die Ordnung und Regelung von Gottes-
haus und Gottesdienst die Rücksicht auf
die Kranken und Kränklichen allzu stark
einwirken zu lassen; sonst müßten ja noch
ganz andere Vorkehrungen getroffen wer-
den als bloß die Heizung des Kirchen-
raumes. Kranke und Kränkliche sind im
Winter als Besucher des Gottesdienstes
gar nicht in Aussicht zu nehmen; sie wer-
den von ihrem Privileg Gebrauch machen,
ihre Andacht zu Hanse zu verrichten, und
die Erhöhung der Kirchentemperatur um
einige Grade wird ihnen den Besuch des
Hanptgottesdienstes immer noch nicht er-
i möglichen. Durch den Hinweis auf sie
kann also die Nothwendigkeit der Kirchen-
heizung nicht begründet werden. Aber das
freilich wird mit Recht gesagt werden kön-
nen, daß eine warme Kirche wünfchens-
werth sei im Interesse der Gesunden, zur
Verhütung von Erkältungen und Erkran-
kungen, und von einem gewissen Bedürfnis;
wird geredet werden können in solchen
Fällen, wo nur Ein Gottesdienst von
ziemlicher Länge an Sonn- und Festtagen
stattfindet, wo auch die Kinder diesem
Gottesdienst anzuwohnen haben, wo Filia-
listen nach langer Wanderung zum Theil
auf schlechten Wegen und bei schlechtem
Wetter zur Kirche kommen, und vielleicht der
Geistliche selbst zwei Orte zu versehen und
doppelten Gottesdienst zu halten hat, wo
das Volk arm ist und schlecht gekleidet.
Da ist es durchaus begreiflich, wenn der
Wunsch nach einer gewärmten Kirche laut
wird.

Ist es aber möglich, diesen
Wunsch zu erfüllen? Ist es zu-
 
Annotationen