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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

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Nr. 4
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Eine Pieta aus der St. Jakobs-Kirche in Nürnberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0044

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37

den Stil des Meisters selbständig hand-
habender, an Konzeption und Kunstfertigkeit
ihm ebenbürtiger, fast überlegener. Nachdem
Bode auf die außerordentliche Schönheit und
Größe sowohl in der Anordnung wie in
der Bildung der Gewandung und insbe-
sondere der Köpfe aufmerksam gemacht,
fährt er fort: „aber diese Schönheit ist
doch in gewissem Sinn eine äußerliche,
da sie auf Kosten der Empfindung wieder-

Kritik, welcher sich ans die Madonna be-
zieht, nicht die obige Pieta, sondern die
Statue im germanischen Museum betrifft;
denn in der obigen knieenden Gestalt kann
doch nicht wohl der Ausdruck ernster Be-
wunderung oder gar freudigen Stolzes ge-
funden werden, wohl aber in jener Marien-
gestalt unter dem Kreuz, welche eine so
energisch aufrechte Haltung, eine so ent-
schiedene Wendung des Hauptes und

gegeben ist; nicht der Ausdruck tiefsten
Seelenschmerzes, den die deutsche Kunst
oft so ergreifend wiedergibt, sondern viel-
mehr ein Ausdruck ernster Bewunderung,
ja beinahe freudigen Stolzes spricht aus
den Zügen dieser Maria (der Mutter-
unter dem Kreuz, im germanischen Mu-
seum); auch dem Leichnam Christi, dessen
Anordnung und Formen einen so edlen
Geschmack und Schönheitssinn verraten, ist
doch gleichfalls eine gewisse Absichtlichkeit,
eine Zurschaustellung der schönen Formen
und daher eine gewisse Leere nicht abzu-
sprechen, wenn wir den strengsten Maß-
stab der Kritik anlegen".

Ich nehme an, daß der erste Theil dieser

Blickes empor zum Gekreuzigten zeigt. Ich
möchte aber auch hier nicht von einer
Veräußerlichung der Empsindnng reden,
deßwegen weil diese Madonna nicht jenen
tiefsten Seelenschmerz an sich abprägt,
welchen die altdeutsche Kunst oft so er-
greifend wiedergibt. Von diesem Affekt
zeigt sie sich allerdings nicht beherrscht,
aber deßwegen ist sie nicht affekts- noch
empfindungslos. Offenbar wollte der
Meister sie darstellen als die starke Frau
unter dem Kreuz, deren großer Schmerz
von einem noch größeren Glauben beherrscht
und bezwungen wird. Ihre ganze Gestalt
sagt es uns, wie sie einzig durch die
Schnellkraft eines heroischen Glaubens sich
 
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