Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

DOI Heft:
Nr. 4
DOI Artikel:
Eine Pieta aus der St. Jakobs-Kirche in Nürnberg
DOI Artikel:
Die Stuttgarter internationale Gemäldeausstellung im März und April 1891
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0045

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
38

aus der Tiefe ihrer Schmerzen emporge-
rafft hat, fo daß ihre Gestalt gleichsam
größer geworden ist, und das durch Herois-
mus gefestete und emporgerichtete Haupt
und Antlitz zeigt uns, daß sie opfermutig
ins Opfer des Heilands eiugeht. Mag
auch im Aeußeru ihrer Figur etwas sich
kundgebeu, was schon aus eine neue Zeit
weist, der geistige Gehalt ist noch voll-
wichtig, die Seele des Bildes ist eine tief-
gläubige. Mit seiner Auffassung steht der
Meister hinter seinen Vorgängern an Ge-
fühlstiefe und Ernst nicht zurück; er steht
hoch über allen jenen, welche Maria unter
dem Kreuz ganz oder halb umsinken lassen,
und er scheint den Beruf gefühlt zu haben,
das 5t ad ad mater voll zur Geltung zu
bringen.

Verwandt und wieder charakteristisch
verschieden ist die Idee der abgebildeten
Pieta. Der Meister schlägt auch hier
einen neuen Weg ein. Er mag es echt
künstlerisch empfunden haben, daß es fast
nie ohne Unzuträglichkeiten abgeht, wenn
man der Mutter den Leichnam aus den
Schooß legt. Daher läßt er denselben
am Boden ruhen, und zwar um der harten
geraden Linie einer ebenen Lage zu ent-
gehen, mit erhöhtem, an eine Felsbank
gelehnten Oberleib. In Lagerung und
Bildung des hl. Leichnams vermeidet er
vollständig die mittelalterliche Unbeholsen-
heit und Eckigkeit: mit ausgezeichnetem

Verständnis und zugleich mit edler Fein-
fühligkeit behandelt er den entseelten Leib
imd er weist namentlich dem Haupt eine
Ruhestätte an, welche das herrliche Antlitz
mit seinem durch Schmerz erkämpften
Frieden ganz zur Wirkung kommen läßt.
Ueberaus rührend und zartfühlig ist es
nun, wie zwischen dem liegenden Leichnam
und der knieenden Mutter die Verbindung
hergestelll ist: sie hat den einen Arm des
Heilands erhoben und über den ihrigen
gelegt; so leiblich und geistig verbunden,
gleichsam verschlungen mit ihm verrichtet
sie ihr Gebet. Ist aber dieser ruhige
Gesichtsausdruck, dieser feste, ins Antlitz
Jesu versenkte Blick Zeichen mangelnden
oder schwachen Schmerzgefühls? war der
Meister hier nicht fähig, den Grad des
Affekts zu erreichen, den andere vor ihm
erreicht haben? Mit diesem Verdacht
würde man ihm sicher Unrecht thun. Was

er schildern will, ist wieder der durch die
Festigkeit des Glaubens zur Ruhe be-
zwungene Schmerz; diese Mutter ist so
ruhig und verharrt in solchem durch keine
Gefühlsansbrüche gestörten intensiven Beten
deßwegen, weil sie auch angesichts des
Leichnams noch glaubt, weil auch das
Entsetzen des Todes sie nicht beirren kann
im Glauben an ihren göttlichen Sohn.
Auch mit diesem Bild ist also der Meister
nicht hinter der früheren Kunst zurückge-
blieben, er hat sie in Auffassung und
Darstellung überholt.

Wer wohl dieser Meister sein mag?
Es würde sich wahrlich lohnen, weitere
Nachforschungen nach ihm anznstellen.
Freunde der obigen herrlichen Pieta machen
wir noch daraus aufmerksam, daß Bild-
hauer Stärk in Sanlgau eine vorzügliche
Kopie derselben für die Gottesackerkirche
in Sanlgau angefertigt hat. Von dem-
selben oder von der Firma Stärck und
Lengenfe ld er in Nürnberg können
auch Gipsabdrücke des Meisterwerks be-
zogen werden. (Preis: mit Thonsarbe
21 M., reich mit Gold gefaßt 25 M.;
Konsole dazu in Thonfarbe 9 M., gefaßt
12 M.; Größe der Ausführung: 0,52 m
Höhe, 0,50 m Breite.)

Die Stuttgarter internationale Gemälde-
ausstellung im ITtärj und April \8%

Der Initiative ihres Königs dankt die Resi-
denzstadt Stuttgart eine nach Zeitdauer und Zahl
der Bilder etwas beschränkte, nach der Qualität
der Bilder respektable und instruktive Gemälde-
ausstellung, deren Besuch wir auch unfern Lesern
empfehlen können. Freilich die religiöse Kunst
ist nur sehr spärlich vertreten, weswegen auch
dieser Bericht sich kurz halten kann; aber es ist
gute Gelegenheit gegeben, die neueren Strö-
mungen in der Malerei kennen zu lernen und
zwar mehr in ihrer Hochflut als in ihren
schlammigen Niederschlägen und stagnirenden Alt-
ivassern. Die moderne Malerei zeigt sich hier
in der Thal von ihren besseren und besten Seiten,
und man kann bei ihren tüchtigen Leistungen
verweilen, ohne, wie auf andern Ausstellungen
zumeist, ganze Wagenladungen von Unbedeuten-
dem und Mittelmäßigem in Kauf nehmen zu
müssen. Eine sehr lobenswerte Tugend dieser
Ausstellung, deren Lohn wohl vor allem der
Kommission gebührt, ist dann auch ihre Wohl-
anständigkeit im Großen und Ganzen, welche nur
durch ganz wenige Stücke etwas in Frage ge-
stellt wird. Wir beschränken uns auf wenige
orientirende Hauptbemerkungen und charakterisiren
dann kurz die religiösen Stücke.

Die Porträtmalerei ist außer durch
 
Annotationen