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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

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Nr. 5
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Keppler, Eugen: Phantastische, scherz- und boshafte Gebilde mittelalterlicher Kunst, [2]
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Neue Beiträge zur Frage der Caselform, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0051

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44

sich fragen, ob je die Kunst der großen
Monnmentaldekoration höher ge-
stiegen , ob je Bau- und Bildhauerkunst
eine engere Verbindung eingegangen znm
bestimmten Zweck, unb zwar zum vor-
bestimmten: Denn diese Riesenquader wur-
den auf dem Platz ganz fertig gestellt, ehe
sie an ihren Ort (etwa 40 m über dem
Boden) kamen. Angesichts solcher Leistungen
müssen wir uns wie armselige Stümper
Vorkommen, die ihr Bauwesen ans gut
Glück anfführen und erst nachher einen
Schwarm Bildhauer hinaufschicken, um ihm
deu nöthigeu Schmuck beizubringen, Bild-
hauer , die dann die Arbeit wieder um-
ändern, hier ein Band, dort eine Gruppe
hinzufügeu, oder auch eine unterdrücken,
um sie durch Ornamente zu ersetzen, wie
sie seit zwei Jahrhunderten in allen Muster-
büchern gedruckt vorliegen" (Dict. de
l’Arch. 8. Bd. S. 224 f.). (Forts, folgt.)

Neue Beiträge zur Hrage der
Laselform.

(Fortsetzung.)

Von Nr. 68 an werden die einzel-
nen von den Freunden der gothi-
s ch e u Caselform vorgebrachten
Gründe zit Gunsten von deren Wiederein-
führung gewürdigt. Eitle Hanptargnmen-
tation derselben laute so: unter den ver-
schiedenen Formen des Meßgewandes ver-
diene sicher jene den Vorzug, welche durch
ihr Alter und ihren fast apostolischen Ur-
sprung empfohleil werde; nun sei aber die
einzige Form, die dieses Vorzllgs sich
rühmen könne, die Glockenform, folglich
sei die gothische Casel wieder einzuführen.
Nicht der Referent bilde diesen Syllogis-
mus, sondern er liege im Schreiben des
Bischofs, freilich verhüllt durch gewundene
und die Worte häufende Erörterungen.
Offenbar könnte doch das Gewicht des
Obersatzes bloß der Glockenform zu gute
kommen, nicht der gothischen; aber der
Obersatz [eü nicht einmal richtig (Nr. 71
bis 74), denti das Alter sei im Liturgischen
keineswegs unbedingt maßgebend. Sage
man aber, bloß aus Bequemlichkeit sei im
16. Jahrhundert die Caselform reduzirt
worden, so sei zu erwidern, daß liicht jedes
Streben nach einer bequemeren Form,
welche den Vollzug des Ritus erleichtere,

schon tadelnswerthe und weichliche Bequem-
lichkeit genannt werden könne (Nr. 75—80).

Der zweite Grund sei m y sti s ch er
Art. Das Meßgewand habe die Liebe
zu sinnbilden, fei aber zu solchem Sinn-
bild nur geeignet unter der Voraussetzung
einer breiten und weiten Form. Aller-
dings habe die Kirche der Casel diese
mystische Bedeutung, dock nicht ausschließ-
lich diese, zugetheilt; diese Bedeutung hänge
aber nicht bloß an der Form oder an den
Maßen des Gewandes und gehe mit der
Reduktion desselben keineswegs nothwendig
verloren (Nr. 81—93).

Das dritte A r g u m ent sei ein
ästhetisches. Die moderne Casel ent-
behre aller Schönheit, die gothische ent-
spreche den künstlerischen Anforderungen.
Dieses Argument könne, als ästhetisches,
in der Frage nur von geringem Belang
sein. Es treffe übrigens nach den Aus-
führungen des Bischofs nur die Baßgeigen-
sorm, die wirklich neu, das Auge beleidi-
gend sei und welche nemo 8unue mentis
zugelassen werde. Von dieser Form aber
gleich auf die gothische zu kommen, sei nur
durch einen allzu kühnen Sprung möglich.
Auch die römische Form habe auf wahren
Kunstwerken ihre Darstellung gefunden.
Es seien gewiß keine unveränderlichen
ästhetischen Prinzipien, auf Grund deren
gerade die gothische Form als allein schön
bezeichnet werden könnte; zu anderer Zeit
könne eine andere Form schön und schöner
gefunden werden. So sei ja auch der
gothische Stil zu seiner Zeit hochgerühmt
gewesen, aber seit Brunnelleschi, Alberti,
Bramante und andere die Architektur fast
zu neuem Leben gerufen haben, sei der
gothische Stil verlassen worden und ein
anderer anfgekommen, den man den römi-
schen nenne. „Es hatte," fährt der Refe-
rent Nr. 103 wörtlich fort, „jener Stil
seine Schönheit und er war dem Geschmack
jener Zeit gemäß, und gewiß wollen wir
auch jene Künstler nicht tadeln, welche
dieser Art der Architektur sich widmend,
in neuer Zeit auch in Rom eine Kirche
zu Ehren des hl. Alphons von Liguori
auf dem Esqnilinischen Hügel erbauten,
oder anderes, was diesem Stil nahesteht,
nach denselben Stilnormen restanriren.
Aber wenn etwa Künstler, allzusehr fort-
gerissen durch ben Geist dieser Architektur,
 
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