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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

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Nr. 6
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Kirchenbauten aus Holz- und Fachwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0057

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in Ursendorf, OA. Sanlgau, zur Anschau-
ung bringt.

Die Außenansichten und der Quer-
schnitt zeigen, in welcher Weise die ganze
Struktur des Bailes durch Balkenwerk
hergestellt ist. Dem Stein kommt nur die
Eine Hauptaufgabe zu, einen festen Sockel
zil schaffen als Stand- und Ruhelager für
die Balken und als eine Jsolirschichte,
welche das Holzwerk vor der Berührung
mit dem Boden und vor der Gefahr des
Anfanlens von unten heraus schützt. Im
klebrigen kommt dem Steinmaterial lediglich
nebensächliche Bedelitung zu; es dient zum
Ausfüllen der Zwischenräume im Balken-
gefüge , wozu am einfachsten Backsteine
verwendet werden. Die Wände sind aus-
geriegelt in der Ebene des Holzwerks; sie
sind nicht stärker angelegt, als ein tüch-
tiger Holzbalken dick ist. Diese geringe
Stärke müßte Bedenken erregen bezüglich der
Haltbarkeit eines Baues, der durch keinen
Einbau von Stockwerken weiteres halt-
gebeildes Knochengerüste erhält. Der Archi-
tekt beseitigt aber durch ein ebenso ein-
faches als ingeniöses und weise berechnetes
Mittel alle diese Bedenken und macht den
Bau ohne großen Aufwand absolut fest
und widerstandsfähig. Der Querschnitt
bringt dieses Festigungsmittel am deut-
lichsten zur Anschauung. Hier sehen wir,
wie von eigens ansgebantem Sockellager
aus ein starker Balken, eine Strebebiege,
sich schräg durch die Wand hindnrchzieht,
unten den Hauptbalken faßt, oben mit dem
Dnrchzugsbalken und zuoberst noch mit
dem Sparrenwerk des Daches in feste
Verbindung tritt. Diese Strebebiege ist
in ihrem unteren Theil außen sichtbar, wo
der Zwischenraum zwischen ihr und der
Wand ebenfalls ausgemanert ist; in der
Mitte tritt sie sichtbar ins Innere, in
keiner Weise störend, sondern das Holz-
gefüge nur bereichernd. .Indem sie den
Ban an drei Hauptpunkten fest faßt, ver-
stärkt und versteift sie die Wände unge-
mein und gibt selbst dem Dachwerk noch
einen sichern Halt. Der Grundriß zeigt,
wie am Langhaus dieses System viermal
aus beiden Seiten sich wiederholt. Das
im Innern sichtbare Niegelwerk und das
Sparrenwerk der Holzdecke ist auch bei
wenig Mitteln einer Dekorirnng fähig,
welche dieses Kircheninnere wahrhaft wohn-

lich und würdig macht. Die beiden
Sakristeiräume itub der Chor sind der
Einfachheit halber unter Ein Dach ge-
bracht. Der letztere hat zwei Fensterchen,
die zugleich ihm das nöthige Licht spenden
und in Form von Glasgemälden zwei
Altarbilder rechts itnb links vom Taber-
nakel aufnehmen können. Das Kirchlein
bietet 160 Sitzplätze und ca. 40 Steh-
plätze; seine Herstellungskosten würden sich
ans beiläufig 6000 Mark belaufen ohne
den Bauplatz.

Wir bitten alle Freunde der kirchlichen
Kunst, alle, welchen das große Problem
der Neuzeit, so rasch als möglich wohl-
seile, praktische und solide Kirchenbanten
aufzusühren, schon quälende Sorgen be-
reitet hat, der oben gekennzeichneten Technik
ihre volle Aufmerksamkeit znznwenden.
Man kann gewiß gegen den Kirchenban
der Beilage von keinem Standpunkt etwas
einwenden; er ist durchaus bautüchtig,
praktisch und würdig. Er begegnet auch
baupolizeilich keinen Schwierigkeiten. In
Landorten und Landstädten ist jeder der-
artige Bau in Fachwerk erlaubt, sofern er
nur 2,3 m von der Grenze des eigenen
Grundstücks sich entfernt hält. Selbst in
Großstädten wird die obrigkeitliche Er-
laubnis zu derartigen Bauten ertheilt,
allerdings nicht ans Grund des Bangesetzes
sondern im Wege der Dispensation.

Was könnten wir einer armen Ge-
meinde , deren Mittel zu einem massiven
Steinbau absolut nicht reichen, deren
Kirchenbaufrage ein starkes periculum in
morn in sich schließt, Vernünftigeres und
Besseres anrathen, als eine derartige Bau-
weise? Noch wichtiger aber ist, daß wir
hier eine Bantechnik haben, welche uns am
leichtesten und sichersten über die Kirchen-
noth in unseren Großstädten weghilft. Es
gibt hier in der That vielfach nur Einen
richtigen mockus proceckencki, den die
Protestanten und die verschiedenen Sekten
schon seit langer Zeit beobachten, zu dessen
Befolgung man aber katholische Kreise
und Behörden so unerklärlich schwer
bringen kann. Selbstverständlich wird man
da, wo Stistnngsmittel in Fülle vorhanden
sind oder wo man sicher darauf rechnen
kann, binnen kurzer Zeit durch Samm-
lungen und Lotterien ein tüchtiges Bau-
kapital aufzubringen, sich nicht mit primi-
 
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