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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

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Nr. 7
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Keppler, Eugen: Phantastische, scherz- und boshafte Gebilde mittelalterlicher Kunst, [4]
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Frühgotische Wandmalereien in Pfullingen (Württemberg)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0070

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02

von der Adelsherrschaft zn befreien, eins
waren, traten der neuen Knnstentwicklung
nicht nur nicht entgegen, sondern stellten
ihr, auch für ihre kritischen Auslassungen,
als erwünschtes Uebungsfeld die großen
Münster zur Verfügung, welche sie bauten.
Bauten sie doch dieselben — unbeschadet
ihres höheren Zweckes — durch die Hände
von Laien-Meistern als steinerne Urkun-
den von der Städte Macht und Größe,
sowie als Unterpfänder ihrer eigenen Ver-
bindung mit diesen ansstrebenden Gemein-
wesen. Diesen Zweck erfüllten diese Bau-
ten um so augenfälliger, je mehr sie sich
mit volksthümlichen Znthaten umgaben.
(Vgl. Viollet-Le-Duc 8. Bd. S. 134. 142.)

(Fortsetzung folgt.)

Hrühgothische Wandmalereien in
Pfullingen (Württemberg). H

In dem eine schwache Stunde von
Reutlingen entfernten kleinen Städtchen
Pfullingen finden sich noch Reste eines
ehemaligen Clarissinnenklosters zu St.
Cäcilia, welches 1250 gegründet wurde.
Noch umschließt die hohe und starke Ring-
mauer fast aus allen Seiten den nicht eng
bemessenen Grund und Boden, über wel-
chem das Kloster sich erhob und ans wel-
chen das Leben der Klosterfrauen einge-
schränkt war. Die eigentlichen Kloster-
gebäude sind vom Erdboden verschwnnd».
Nur noch einige ökonomische Nebengebäude
späteren Datums haben sich erhalten und
— merkwürdig genug — als Zwischen-
stück eines späteren Nutzbaues ein Theil
des alten Sprechzimmers mit den Sprach-
gittern. Man sieht hier nämlich eine ziem-
lich hohe Mauer aufragen, in welche zwei
spitzbogig schließende Blenden eingetieft
sind; beiderseits werden die beiden Bogen
in der Mitte von einem Säulchen mit
frühgothischem Kapitell und Basament
ausgenommen. In der Höhe dieser Säulen
sind nun in die beiden Blenden nicht
hohe, aber ziemlich breite rechteckige Oess-
nungen eingebrochen, deren Umrahmung
sorgfältig srühgothisch gegliedert und mit
streng stilisirten Blattmotiven hübsch ge-
ziert ist. Die Oeffnungen sind noch durch-
zogen mit festen Eisenbändern und aus-

*) Erstmals erschienen in: Zeitschrift für christl.
Kunst. 1891 Nr. I.

gefüllt mit kleindurchlöcherten starken Plat-
ten aus Eisenblech. Man muß sich wun-
dern, wie gerade diese Hüter der Klausur
der allgemeinen Zerstörung entgiengen, und
man kann nicht einmal mehr vermnthen,
in welcher Weise sie sich einst dem Kloster-
bau eingliederten.

Während aber der Hauptbau so gründ-
lich untergieng, daß höchstens noch im
Boden nach Spuren der Fundamente ge-
sucht werden könnte, hat von der Kirche
wenigstens ein ansehnlicher Theil sich er-
halten. Ungefähr in der Mitte des um-
friedeten Gebiets ragt, vom Alter ge-
schwärzt, von Wind und Regen benagt,
aber nicht überwältigt, ein ehrwürdiger
viereckiger Bau ans, von welchem man
nicht mit Sicherheit sagen kann, ob es
Chor oder Schiss der einstigen Kirche ge-
wesen sei; das erstere ist aber wahrschein-
licher. Er ist 12,76 m lang, 8,26 m
breit und 13,40 m hoch, ohne Streben,
in der Nord- und Südwand mit hohen,
schmalen Fenstern mit streng stilisirtem
Maßwerk versehen. Die Westwand ist
fensterlos, nur durch ein kleines spitzbogiges
Pförtchen in der Mitte durchbrochen. Die
Ostwand ist nicht mehr ursprünglich; der
scharfkantige Abschluß der beiden Sarg-
wände beweist, daß der Ban hier einstens
eine Fortsetzung hatte; später, wahrschein-
lich im Jahr 1579 (über der Thüre),
wurde aus unregelmäßigem Gemäuer und
Riegelwerk eine abschließende Ostwand
eingezogen?)

Es ist noch aus den Akten zu entnehmen,
wann die Verstümmelung der Kirche vor sich
gieng. Herzog Ulrich, der in seinem Reformativns-
eifer es bekanntlich sehr ans die Klöster abgesehen
hatte, verfuhr mit besonderer Strenge gegen die
Clarissinnen von Pfullingen und translocirte sie
eines Tages einfach aus ihrem Kloster in ein
verlassenes Franziskanerkloster nach Leonberg.
Alsbald nach ihrem Abzug brach er die Kirche,
d. h. wohl das Langhaus, ab und ließ ans dem
Platze desselben und auf der Stelle des alten
Gottesackers Thurm und Wassergraben anlegcn,
auch für sich eine Wohnung einrichten. Sobald
das Interim kam, verlangten die verbannten
Klosterfrauen die Erlaubniß zur Rückkehr, die
Herzog Christoph ihnen endlich 1551 geben mußte.
Nach ihrer Rückkehr forderten sie auch den Wie-
deraufbau ihrer Kirche, aber vergebens. 1595
war das Kloster ausgestorbe», 1793 wurden die
meisten Klostergebäude abgetragen (f. Rothen-
Häusler „Standhaftigkeit der altwürttember-
gischen Klosterfrauen" Stuttgart 1884, S. 17 ff)
 
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