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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

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Nr. 8
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Keppler, Eugen: Phantastische, scherz- und boshafte Gebilde mittelalterlicher Kunst, [5]
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Probst, Josef: Beziehungen des Martin Schongauer zu Oberschwaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0081

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72

Zwitter von Mensch und Thier aufgefaßt.
Der zur Rechten zeigt einen Satyrleib mit
Gänsefüßen und Drachenflügeln und
schwingt eine sarazenische Klinge, während
der etwas weniger fratzenhaft ansgestattete
Gegner ein normannisches Schlachtschwert
handhabt. Jedem von beiden entwächst
unterhalb des Nabels eine Maske.

Augenscheinlich kümmerten sich unsere
mittelalterlichen Meister wenig um den
horazischen Vers:

Wenn ein Maler ein menschliches Haupt mit dem
Nacken des Pferdes

Wallte verbinden und dann es mit buntem Ge-
fieder bestreuen,

Ueberallher die Glieder zusammenstoppeln, das;
garstig

In einen Fisch sich verlöre, was oben ein reizen-
des Weib war —

Sagt mir, ihr Freunde, wer >vürde das ansehn,
ahne zu lachen?

Dagegen wurde von der Dichtern und
Künstlern bekanntlich gleicherweise zustehen-
den Berechtigung zu kühn-phantastischen
Schöpfungen der ausgedehnteste Gebrauch
gemacht. Uebrigens hielt mau damals
vieles für bare Wahrheit, was heute jedes
Kind als Dichtung erkennt, Nach den
Berichten des Giraldus Cambrensis und
Anderer ist nicht zu zweifeln, daß
der Glaube an Wunderwesen sehr ver-
breitet war. In seiner Beschreibung Ir-
lands berichtet dieser Schriftsteller von
Wesen, die zwischen Mensch itnb Thier,
zwischen Hirsch und Kuh, zwischen Hund
und Asse die Mitte halten. Es ist gewiß,
daß solche Anschauungen im Volksglauben
wurzelten. Falsch aber wäre es, zu mei-
nen, man habe einst alle Ungethüme und
Wnnderthiere, die in Schrift und Kunst
des Mittelalters Vorkommen, als that-
sächlich vorhanden angesehen. Sie waren
Symbole, wie wir das an einem anderen
Orte ausgesührt. Schon Justus Möser
warnt davor, so viel vom Aberglauben
unserer Vorfahren zu erzählen und so
manchen Schluß zum Nachtheil ihrer
Geisteskräfte daraus zu ziehen. „Meiner
Meinung nach", sagt er, „hatten dieselben
bei all ihren sogenannten abergläubischen
Ideen keine andere Absicht, als gewissen
Wahrheiten ein Zeichen, was noch jetzt
seinen eigenen Namen iit der Volkssprache
hat: Wahrzeichen, aufzudrücken, wobei
man sich ihrer erinnern sollte, so wie sie
dem Schlüssel ein Stück Holz anknüpften,

um ihn nicht zu verlieren oder ihn um
so geschwinder wiederzufinden. So sagten
sie z. B. zu einem Kinde, das sein Messer
ans den Rücken oder so legte, daß sich
leicht jemand damit verletzen konnte: die
hl. Engel würden sich, wenn sie auf dem
Tisch herumspazierten, die Füße daran
verwunden; nicht weil sie dieses so glaub-
ten, sondern um dem Kinde eine Ge-
dächtnißhilfe zu geben. Sie sagten zu
einem eitlen Mädchen, welches sogar noch
Abends am Spiegel nicht vorübergehen
konnte, ohne einen verstohlenen Blick hin-
einzuthnn, der Teufel gucke derjenigen
über die Schulter, welche sich Abends im
Spiegel besehe, und was dergleichen An-
hängsel mehr sind, wodurch sie eine gute
Lehre zu bezeichnen und einzuprägen sich
bemühten. Mit einem Wort, sie holten
ans der Geisterwelt wie wir aus der Thier-
welt belehrende Fabeln, die dem Kind
eine Wahrheit recht tief eindrücken sollten."

(Fortsetzung folgt.)

Beziehungen des Martin ^>chon-
gauer zu Gberschwaben.

Von Pfarrer Or. Probst.

Schon mit Beginn der kunstgeschicht-
lichen Forschungen in Schwaben wurden
unmittelbare Beziehungen des Martin
Schongau er besonders für Ulm in An-
spruch genommen, wenn auch uicht genü-
gend bewiesen. Besonders in „Ulms
Kunstleben" (S. 34 und folgende) be-
mühen sich die Verfasser dieser Schrift die
volle Zugehörigkeit desselben zu Ulm als
Glied einer alten Familie daselbst zu er-
härten. Aber Häßler trat dieser Auf-
stellung entschieden entgegen (in beit Ver-
öffentlichungen des Ulmer Vereins 1855
S. 75). Dessenungeachtet hält doch auch
Häßler daran fest, daß ächte Werke
dieses Meisters sich in Ulm und Ober-
schwaben vorgefunden haben, und mit einem
gewissen Grad von Zuversichtlichkeit schreibt
er einen hl. Michael (nebst einer hl. Doro-
thea), ans einer oberschwäbischen Kapelle
stammend, dem Meister Martin Schon-
gauer zu. Er behauptet, daß Schonganer
erst uach diesem Gemälde seinen Kupfer-
stich des hl. Michael (B. 58) gefertigt
habe. Ob aber seine Argumentation (ck.
Veröffentlichung des Ulmer Vereins 1852
 
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