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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

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Nr. 9
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Neue Beiträge zur Frage der Caselform, [4]: in Württemberg erhaltene mittelalterliche Caseln
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https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0090

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Archiv für christliche Kunst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Runst.

herausgegeben und redigirt von Professor Dr. Keppler in Tübingen.

Verlag des Rottenburger Diözesan-Runstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Dr. Keppler.

Or.9.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährlich für Ji 2.05 durch die wnrttembergischen {Ji 1.90
im Stuttgarter Bestellbezirk), Ji 2.20 durch die bayerischen und die Reichspostanstalten,
fl. 1.27 in Oesterreich, Frcs. 3.40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags direkt
von der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, Urbansstraße 94, zum
Preise von Ji 2. 05 halbjährlich.

1891.

Neue Beiträge zur ^rage der
Laselform.

(Fortsetzung.)

III. In Württemberg erhaltene
mittelalterliche Casel n.*)

Die wenigen Reste mittelalterlicher Pa-
ramentik in unserem Lande sind in unserer
Vereinsgabe „Württembergs kirchliche
Knnstalterthümer (Rottenbnrg,Bader, 1888
p. LXXV)" zusammengestellt; darunter ist
mit den Ausnahmen, welchen besonders
dieser Artikel gewidmet ist, nicht eine ein-
zige ganz erhaltene mittelalterliche Casel;
die Meßgewänder im Alterthumsmuseum in
Stuttgart sind nachmittelalterlich. Daß
in den an die Protestanten übergegangenen
Kirchen die alten Paramente, für die man
keine Verwendung mehr hatte, nicht in fer-
nere Verwahrung genommen wurden, ist
wohl begreiflich. In den katholischen Kir-
chen mußten die alten Gewänder Dienst
thun, bis sie verbraucht waren; aus den
wohlhabenden Stadt-, Stifts- und Kloster-
kirchen aber verschwanden wahrscheinlich die
letzten alten Reste im 18. Jahrhundert,
wo wie auf andern Gebieten, so auch auf
diesem, eine mächtige Lust Neues zu schaffen
sich regte — eine Lust, der eine eben zu
neuer Blüthe gediehene Textil- und Stick-
kunst ihre Dienste anbot.

Angesichts dieser Armuth an Altem will
mich fast ein Gefühl der Wohlhabenheit
und des Reichthnms anwandeln, wenn ich
auf die sieben ganz oder fast vollständig
erhaltenen Caseln Hinblicke, welche die
Stadt Reutlingen mir auf einige Zeit zu
überlassen die Güte hatte, lieber ihnen
waltete ein besonders günstiges Geschick,
das sie in einem Schrank des altromani-
schen südlichen Chorthnrmes der Marien-

*) Erstmals erschienen in den „Nentlinger
Geschichtsblättern" 1890, Nr. 2 und 3.

kirche verwahrte und auch über den schreck-
lichen Brand von 1726 hinüberrettete.
Die scharfen Angen der Kunstfreunde
haben sie schon seit längerer Zeit in ihrem
schützenden Versteck entdeckt, aber noch nir-
gends wurde eine genaue Beschreibung von
ihnen gegeben. Ehe wir zur Vorführung
der einzelnen Caseln übergehen, sei be-
merkt, daß sie alle der reduzirten Form
des 15. Jahrhunderts angehören, welche
man insgemein, wiewohl mit nicht glück-
lichem Terminus, die gothische zu nennen
pflegt; der Schnitt ist im Ganzen der
gleiche, nur die Maße variiren etwas,
weßwegen wir sie je beim einzelnen Stück
beisetzen. Die Gewänder legen sich sehr
gut, was hauptsächlich dem Umstand zuzu-
schreiben ist, daß bei keinem (wie gegen-
wärtig regelmäßig geschieht) die Verbin-
dnngsnaht zwischen Vorder- und Rückentheil
ans die Achsel gesetzt, sondern überall der
für richtige Ueberkleidung der Achsel nöthige
Zwickel eingesügt ist. Was den Schnitt
anlangt, können diese alten Gewänder noch
für heute als mustergiltig bezeichnet wer-
den. In der Entstehungszeit liegen sie
wohl keine fünfzig Jahre auseinander; sie
dürften alle der Zeit von 1450 bis 1500
zuzutheilen sein. Run zum Einzelnen.

1) Eine grünseidene einfache Casnla für
den alltäglichen Gebrauch; der Seidenstoff
nicht gemustert, ziemlich abgeschossen; beide
Theile nach unten stark verschmälert; Länge
des Rückentheils 1,26 m, des Vordertheils
1 m, Breite über dem Rücken 79 cm.
Aus der Vorderseite befindet sich ein mittels
schmaler rother Litze hergestelltes Kreuz,
auf der Rückseite ein gesticktes, doch ohne
Figuren. Die Stäbe desselben sind nur
3 cm breit und in folgender Weise bestickt.
Das einzige ornamentale Motiv ist eine
Kreisfignr, die sich beständig wiederholt,
gebildet dadurch, daß über einem Unter-
 
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