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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

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Nr. 10
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Zur Ikonographie der Katakombengemälde
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https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0105

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95

rühmte Columbus der Katakomben, Antonio
Bosio daran, von den Katakombengemälden
Kopien anznfertigen oder fertigen zu lassen.
Diese Kopien, um so dankenswerther, da
im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von
Bildern nntergegangen ist, welche damals
noch sichtbar waren, sind von sehr ver-
schiedenem Werth. Daß man ihnen nicht
in allweg trauen könne, das ersah man
schon ans der Kritik, welche de Winghe
an ben Kopien Ciacconios übte. In wel-
chem Grade aber die alten Abbildungen,
auch die in Bosios Roma sotteranea,
unzuverlässig und mit welcher Reserve sie
zu benützen seien, das bringt erst der tüch-
tige Forscher Joseph Wilpert, be-
kannt durch seine Fehde mit der neuesten
protestantischen Katakombensorschung, zum
Bewußtsein in einer gediegenen und splen-
did ansgestatten Schrift mit dem Titel;
Die Katakombengemälde und ihre alten
Kopien. Eine ikonographische Studie. Mit
26 Tafeln in Lichtdruck. (Freiburg, Herder
1891. 81 S. Text Folio. Preis 20 M.)

Zuerst werden einer gründlichen Prüf-
ung unterzogen die Bilder, welche Ciacconio
anfertigen ließ und welche in einem Folio-
bande der vatikanischen Bibliothek ver-
einigt sind. Der Verfasser weist fünf, be-
ziehungsweise sechs verschiedene Zeichner
nach, je mit charakteristischen Eigenheiten,
einander aber ziemlich gleich in der legeren
Weise, wie sie ihre Aufträge besorgten
und in der Methode des Kopirens. Nach
Aufnahme der Umrisse, ja vielleicht nur
einer flüchtigen Skizze an Ort und
Stelle arbeiteten sie zu Hanse die Zeich-
nung ans und kolorirten sie dieselbe. So-
weit noch eine Kontrolirnng derselben an
den Originalien möglich ist, nimmt sie der
Verfasser vor und weist auf diesem Wege
ganz unglaubliche Willkürlichkeiten und Un-
genauigkeiten nach. Nicht nur, daß die
Farben nirgends stimmen, daß die Zeichner
mit Bärten, Gewändern, Stellungen ganz
nach freiem Belieben schalten und walten,
— sie machten sich auch gar kein Ge-
wissen daraus, Männer in Frauen, Frauen
in Männer zu verwandeln, setzen Figuren
hinzu oder streichen von den vorhandenen,
reißen Kompositionen auseinander, modeln
sie, bis sie ihren vorgefaßten Meinungen
über das Objekt der Darstellung ent-
sprechen, drängen den Katakombenbildern

den Stil ihrer Zeit auf n. s. f. Wo die
Consrontirnng mit dem Original nicht
mehr möglich ist, weist der Verfasser ans
den verwandten Katakombendarstellnngen
eine Menge von Unmöglichkeiten und Un-
richtigkeiten jener Kopien überzeugend nach;
auch Bosios gedruckte Kopien und die de
Winghes werden zur Vergleichung bei-
gezogen.

Die Ergebnisse dieses ersten Abschnittes
sind überraschende und in die Ikonographie
der Katakomben tief einschneidende. Um
nur ein Beispiel anzuführen, so erhält
das hochwichtige Kreuzbild in der Krypta
des hl. Valentin, nach dem Original rich-
tig gestellt, eine ganz andere Gestalt; be-
sonders wird auch das lange Gewand des
Heilandes, das Colobium, mehr als zweifel-
haft; es war ursprünglich wahrscheinlich
ein einfaches Lendentnch.

Theilweise mit noch mehr Leichtfertigkeit
sind die Kopien gefertigt, welche Bosio
fertigen und stechen ließ und seinem Werk
Roma sotteranea einverleibte. Er hatte
zwei Zeichner, von denen einer Toccafondo
hieß; die Mehrzahl der Aufnahmen stammt
aber von dem zweiten, dessen Name un-
bekannt ist. Der Verfasser weist auch nach,
daß, was man bisher noch nicht wußte,
Bosio selbst ebenfalls Zeichner war und
noch drei Blätter von seiner Hand exi-
stiren. Zeichnung um Zeichnung wird nach
derselben unanfechtbaren Methode genau
geprüft, die Unzahl von Fehlern, welche
ans Bosios Werk in die ganze Nachzeit
sich verschleppten, nachgewiesen, häufig
richtig gestellt. So wird auch das be-
rühmt gewordene eucharistische Lamm mit
dem Milchgefäß als Fälschung dargethan;
in Wirklichkeit fehlt das Lamm ganz und
ruht das Milchgefäß ans einem Nanken-
ornament. Im Anhang II erbringt der
Verfasser den Beweis, daß auch die neuen
und eigenen Zeichnungen d'Agincourts, der
meist urtheilslos Bosio benützt, um nichts
besser sind, als die früher gefertigten
Kopien. Znm Schluß werden die Resul-
tate znsammengefaßt, dann folgt ein ge-
naues Verzeichniß der Tafeln und ein
alphabetisches Register; die Tafeln selbst
sind gute Lichtdrucke; häufig findet sich
Kopie und Original ans einem Blatt neben
einander, so daß der Leser auch seinerseits
vergleichende Studien anstellen kann.
 
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