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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 9.1891

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Nr. 11
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Die neue Herz-Jesu-Kirche in Graz
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Ein neues Vorlagewerk für die kirchliche Kunstpraxis
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https://doi.org/10.11588/diglit.15908#0112

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102

behaupten gegenüber der hohen Kirchen-
anlage; ein kleines Treppenthürmchen ans
der andern Flanke der Westfassade ver-
mittelt den Zugang zmn Chor. Die Fas-
sade selbst mit ihrer großen Rose und
einer schönen Portalvorhalle wirkt sehr gut.

Der Broschüre ist auch eine Abbildung
des Hochaltars beigegeben. Mit Recht
wurde die Form des Ciboriums gewählt
und tadellos durchgebildet. Die monumen-
tale Wirkung wird natürlich nicht unbedeu-
tend gesteigert dadurch, daß Baldachin und
Tabernakelaltar ans Stein gebaut sind;
vier gewaltige Säulen von Veroneser Mar-
mor tragen den steinernen viergiebeligen
Baldachin, über welchen sich ein schlankes
Thürmchen mit der Statue des Heilandes
anfschwingt. Mensa und Doppeltabernakel
sind ebenfalls ans Marmor; je zwei knieende
Engel mit Leuchtern zu beiden Seiten des
Tabernakels sind das einzige Bildwerk des
Altars selbst.

Die Gesammtkosteu dieses Baues sammt
vier Altären, Kanzel, Beichtstühlen, Kir-
chenstühlen, Taufstein, Sakristeieinrichtnng,
Thnrmnhr, sechs Glocken, Orgel (von
Walcker in Lndwigsbnrg, 12 000 sich, Um-
zäunung des Kirchenbanes und Kanali-
sirnng belaufen sich ans 728 943 sl. 19 kr.,
— eine große Summe, mit der aber auch
wahrhaft Großes geleistet wurde. Man
hatte in den letzten Jahrzehnten mehr als
einmal Gelegenheit, die Erfahrung zu
machen, daß es nicht immer gut ist, wenn
man bei Neubauten die Rücksichten der
Sparsamkeit etwas bei Seite setzen und
ans dem Vollen schöpfen kann. Gar zu
gern erzeugt auch da der Reichthum
Mangel an Ernst und Strenge, Hang
zum Spielen und Tändeln, Neigung zu
sinnloser Verschwendung und Protzenhafter
Prachtentfaltung. Hier verbindet sich ans
das Schönste Reichthum und Großartig-
keit mit weisem Maßhalten, mit klarem
Denken, mit christlichem Ernst; diesem
Bau sieht man es an, daß er nicht zur
Ehre eines Meisters, sondern zur Ehre
Gottes errichtet wurde. Und so kann man
zum Schluß nur seiner großen Freude
Ausdruck geben über dieses monumentale
Werk, das in großer Schrift in die An-
nalen der kirchlichen Architektur unseres
Jahrhunderts einzutragen ist und einen
schönen Beleg dafür bietet, daß unsere

neuere Kirchenbaukunst die alten Stile
itnb Muster nicht bloß zu kopiren, sondern
mit geistiger Freiheit, mit eigener schöpfe-
rischer Kraft zu handhaben und uachzu-
ahmen versteht.

Lin neues vorlagewerk für die
kirchliche Kunftpraris.

Die Verlagst)andlnng von Leo Wörl
in Würzburg hat die ersten Hefte eines
praktisch sehr wichtigen, auf größern Umfang
berechneten Werkes ansgegeben, das die Auf-
merksamkeit aller auf sich zieht, die mit der
kirchlichen Kunst zu thun haben. Es führt
den Titel: Vorbilder zur würdigen
A u s st a t t u n g unserer K i r ch e u u a ch
alten und neuen Entwürfen, ge-
zeichnet v o n G r e g o r H e y b e r g e r, k g l.
Professor. Erschienen sind bis Mai 1891
sechs Hefte in Großoktavformat; jedes Heft
enthält 8 Blätter mit Zeichnungen und 4
Seiten Text und ist um den Preis von
1 M. einzeln käuflich. Die Ausdehnung des
ganzen Werkes ist nicht zum Voraus stxirt,
sondern richtet sich nach der Ans- und Ab-
nahme, die ihm zu Theil wird. Das Pro-
gramm des Unternehmens ist gesund und
lebensfähig; ans allen Stilarten sollen rei-
chere xtitb einfachere, alte und neue muster-
giltige Beispiele und Vorbilder für alle kirch-
lichen Kunstobjekte in reicherer Fülle darge-
boten werden, mit besonderer Berücksichtigung
auch der weniger leistungsfähigen Kircheu-
kassen und Kunsthandwerker. Es ist selbst-
verständlich unser Beruf und unsere Pflicht,
ein derartiges Werk, das in so hervorragen-
dem Maße auf die kirchliche Kunstübung
unserer Tage Einfluß sucht und finden wird,
scharf ins Auge zu fassen ititb, wenn es
nvthig sein sollte, ohne Rückhalt Mängel au
ihm zu tadeln, damit nicht dieselbeir ans dem
Werk sich in die Kunstpraxis verschleppen
und Schaden anrichten. So sehr wir dieser
Gewissenspflicht uns bewußt sind, umsomehr
freuen wir uns, das Zeugniß ablegeu zu
können, daß das Werk viel Gntes und
Brauchbares enthält und im Ganzen und
Großen empfohlen werden kann.

Gehen wir auf die einzelnen Hefte näher
ein. Die Tafeln des ersten Heftes brin-
gen neben schönen Steinstatuen mit Konsolen
und Baldachinen aus der Ste. Chapelle in
Paris die Abbildung eines ziemlich reichen
altdeutschen Chorgestühls, des Magdaleuen-
altars in Tiefenbronn (die nur mit ihren
Haaren bekleidete Magdalena im Original
ist mit einer altdeutschen Madonna vertauscht)
und eines romanischen Taufsteins aus Frank-
 
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