Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:
Probst, Josef: Einblick in die mittelalterliche Gemäldesammlung des Domdekans v. Hirscher in Freiburg, [1]
DOI Artikel:
Keppler, Eugen: Phantastische, scherz- und boshafte Gebilde mittelalterlicher Kunst, [10]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0010

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Sammlung Hirscher, sondern aus der
Abelscheu Sammlung stammen. Der Stutt-
garter Katalog führt dieß nicht au, wohl
aber Waagen in seinem Buch: Kunstwerke
und Künstler in Deutschland II S. 214.

Es ist selbstverständlich, daß Hirscher
nicht ein Privilegium auf die ausschließ-
liche Erwerbung der Gemälde dieses Meisters
hatte. In die Douaueschiuger Galerie
gelaugte die Nr. 63 des dortigen Kata-
logs zugleich mit der Sammlung Laßberg
und eben dorthin die Nr. 72, die nach
Janitschek auch dem B. Striegel znzu-
schreibeu ist, durch Ankauf in München.
Ferner kam nach Sigmariugeu eine dem
B. Striegel zugehörige Himmelfahrt Mariä
aus dem Besitz des Domäueudirektors
Mesmer in Auleudorf rc. Man sieht aber
auch, daß immerhin eine ansehnliche An-
zahl Werke zunächst in dem Besitz von
Hirscher sich befunden haben, lieber einige
der angeführten Gemälde ließen sich noch
genauere Notizen sammeln. Kirchenrath
Dnrsch giebt (Aesthetik rc. S. 444) an,
daß die jetzt in Berlin befindlichen vier
Paar Heiligen nebst Abschied Christi von
seiner Mutter und Geißelung ursprünglich
in einer Kirche zu Ravensburg ft
waren. (Fortsetzung folgt.)

phantastische, scherz- und boshafte
Gebilde mittelalterlicher Kunft.

Von Stadtpfarrer Eugen Keppler in Freudenstadt.

(Fortsetzung.)

Mehr schalt- als eigentlich boshaft
dänchen uns die Thiermasken, welche die
derbe Natnrseite des menschlichen Wesens
sinnlich zur Anschauung bringen sollen.
Nichts anderes bezweckte unseres Erachtens
das vielbernfene Steinbildwerk am Kapitell
eines Chorpfeilers im Straßburger Münster,
dessen zur Zeit der Glaubensstreitigkeiten
im Jahr 1685 nothwendig gewordene Ent-
fernung nur beweist, wie weit man von

*) Professor Keppler bemerkt allerdings in
seinem Buch: Württembergs kirchliche Kunst-
alterthümer S. 390, daß die Berliner Nummern
563 a—d und 583 aus Jsny stammen. Da
jedoch Dnrsch, von dem wir glauben dürfen, das;
er die Sammlung Hirscher ans eigener An-
schauung kannte, fiir die Nummern 563 a — d
ausdrücklich Ravensburg als ursprüngliche Hei-
maih benannte, so glauben wir, nicht mit Un-
recht ihm folgen zu dürfen.

dem harmlosen Natnrsinn des Mittelalters
abgekommen war. Es stellte einen Thier-
Leichenzng dar. Der Todte ähnelt ans der
noch vorhandenen Kopie einem Eichhörn-
chen, hat aber vielleicht ein Fuchs sein
sollen. Die Bahre tragen Bock und Eber
unter Vorantritt eines Hasen mit brennen-
der Fackel (Kerze?), eines Wolfes mit
Kreuz zwischen den Pfoteit und eines Bären
mit Weihwasser und Aspergill. Der Eber
wirft einen giftigen Blick zur Seite nach
einem Hund, der ihn am Schwänze zupft.
Sonst schreiten die Thiere anständig, ja
mit einer gewissen Würde einher, natür-
lich aufrecht wie Menschen. Die Scene
setzte sich, wie es scheint, um die Ecke fort
in einem Hirsch, der die Messe liest und
einein Esel, der das Evangelium singt,
während die Katze ihm das Buch vorhält.
Diese merkwürdige Darstellung soll dem
13. Jahrhundert angehören; im 16. er-
regte sie die Aufmerksamkeit der Neuerer,
die für sich Kapital daraus schlugen.
Fischart veröffentlichte sie in einem Holz-
schnitt mit Versen nach seiner Art. Das
machte solch böses Blut, daß der Heraus-
geber öffentlich in der Kirche abbitten
mußte und die Platte sammt allen Ab-
zügen durch Henkershand verbrannt wurde.
Allein ein Jahr später (1608) kam ein
neuer Holzschnitt sammt Fischarts Versen
in Großfolio heraus. Nach einer verklei-
nerten Kopie dieser zweiten Ausgabe ist
die Abbildung in Flügels „Geschichte der
komischen Literatur" gemacht.

Wir brauchen nicht zu sagen, wie ver-
kehrt es war, in der besprochenen Scene
eine vorreformatorische Verhöhnung des
Meßopfers finden zu wollen. Nein, nicht
unheimliches Voltaire'sches Grinsen mnthet
uns daraus an — dagegen verwahrt sich
der Geist jener Zeit — vielmehr ein be-
häbiges wohlthnendes Lachen, ans dem
allerdings auch das ewige vanitas vani-
tatum einigermaßen hervortönt, daß ja dem
Erhabensten selbst, wenigstens soweit es
sich mit dem Irdischen berührt, anhängt.
— Man vergesse nur nicht die Vorliebe
des Mittelalters für alles Lächerliche und
Karikirte zu berücksichtigen, eine Vorliebe,
die so weit ging, solche Dinge sogar in
Andachtsbücher anszunehmen und in bib-
lische Volksspiele, z. B. den „Bethlehe-
mitischen Kindermord",Auftritte einznreihen,
 
Annotationen