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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

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Nr. 1
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Keppler, Eugen: Phantastische, scherz- und boshafte Gebilde mittelalterlicher Kunst, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0011

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7

in welchen sich Ritter unb Damen mit
den rohesten Schimpfwörtern bewarfen.
Selbst Christi Verurtheilnng und gewisfe
Umstände bei der Kreuzigung wurden ins
Lächerliche gezogen, so daß sie jedesmal
Anlaß zu schallendem Gelächter gaben. —
Auch keine Lehre vermögen wir in dieser
Thierkarikatnr zu erkennen, etwa dahin
gehend, daß der Geistliche nicht dem reißen-
den Wolf, dem garstigen Schwein, dem
täppischen Bären n. s. w. gleichen dürfe
(vgl. Kreuser, Kirchenb. 2. Bd. S. 172);
auch keine Sittenschilderung, wie sie der
beißende Odo von Cirington an sein
„Thierbegräbniß" knüpft, das im übrigen
vielleicht zu dem vorgenannten den An-
stoß gegebenst; nein, sondern nur die
Absicht, gewisse Thiere (es könnten auch
andere sein, wie bei Odo auch die Rollen
anders vertheilt sind) als Menschen
handelnd in einem drastischen Auftritt
darzustellen, sowie umgekehrt der moderne
Dichter s i ch in „Lilys Park" als Bären
ein- und anssührt.

Es ist klar, daß, jemehr die Thier-
gestalten psychologisch dnrchgearbeitet
sind, auch die eigentlich satyrischen Spitzen
zunehmen. „Nichts war (sagt Wright)
häufiger als daß man Menschen unter dem
Bild von Thieren darstellte, die den Cha-
rakter oder die Neigungen des Darzu-
stellenden versinnbildeten. List, Falschheit
und Ränkesucht waren die Schattenseiten

st Diese Fabel, von der einiges Licht auf
obige Skulptur fällt, lautet: Nachdem der Wolf ge-
storben, rief der Löwe die Thiere zur Leichenfeier zn-
sainmen. Der Hase trug das Weihwasser, der
Igel die Kerze, die Böcke läuteten zusammen,
der Maulwurf grub das Grab und die Füchse
bahrten die Leiche auf. Während des Trauer-
gottesdieustes, den Braun, der Bär, hielt, las
der Ochs das Evangelium, der Esel die Epistel,
worauf die Beerdigung folgte. Darnach hielten
die Thiere mit dem, was Isegrim hinterlassen,
einen festlichen Schmaus und schieden mit dem
Wunsch, noch öfter eine solche Leichenfeier be-
gehen zu können. Von dieser Fabel macht nun
Odo von Cirington in seiner Weise einige aller-
dings recht grobe Anwendungen ans die Kloster-
lente seiner Zeit, von denen noch die feinsten sind:
Diese seien Löwen dem Stolze nach, Igel wegen
ihrer Rauhhärigkeit, Ochsen, insofern sie das Feld
bepflngen n. s. w. Allein unsere obige Skulptur
ist ohne alle dergl. Anwendungen zu genießen,
man braucht diese also gar nicht an den Haaren
herbeizuziehen. — Odo, ein englischer Priester
zur Zeit Heinrichs II. und Richards I., war ein
bitterer Satyriker.

der Gesellschaft, itnb da sie zugleich als
Eigenschaften des Fnchses galten, ward er
der Hauptheld der Satyre; der Sieg der
List über die Gewalt war das Lieblings-
thema. Die Fabeldichter oder besser Saty-
riker erweiterten bald ihr Feld. Anstatt
einen einzelnen nnr anfs Korn zu nehmen,
zogen sie mehrere ins Spiel. Nun traten
anßer dem unentbehrlichen Fnchs auch
Wölfe, Schafe, Bären und von Vögeln
z. B. Adler, Hahnen, Raben ans; ihre
Thaten füllten lange Erzählnngen, die
eine allseitige Satyre ans die Fehler der
Zeitgenossen enthielten. Das die Ent-
stehungsgeschichte der berühmten Dichtung
Reineke Fnchs, die in verschiedenen Formen
vom 12. bis 18. Jahrhundert die Ge-
müther beherrschte." Ihr Angelpunkt ist
bekanntlich der fortgesetzte Kampf zwischen
der rohen Gewalt des Wolfs Isegrim —
und dieser ist kein anderer als der mäch-
tige und dabei geistig schwächere Adelige —
unb der List des Fuchses, welcher den
aufgeklärteren Theil der Bevölkerung be-
deutet, der oft, um sich aufrecht zu hal-
ten, alle Hilfsmittel des Geistes anfbieten
mußte, die denn auch Reineke oft genug
rücksichtslos anwendet.

Meisel und Pinsel übertrugen um die
Wette die volksthümliche Literatur in
ihre Sprache. Da Meister Reineke stu-
dirt hatte und zum Priesterstand bestimmt
war, stellte man ihn gewöhnlich als Priester,
Mönch, Pilger, ja als hohen kirchlichen
Würdenträger dar. In diesem Aufputz
begegnen wir dem listigen Gesellen oft im
Ban-Ornament, im Holzschnitzwerk, in den
Handschriften und andern Kunstschöpf-
nngen. Am Chorgestühl von Christ-
Chnrch in Hampshire steht er, nur mit
der Kapuze bekleidet, ans der Kanzel;
hinter ihm auf einem Stühlchen ein Hahn
als Kirchendiener. Ans einem Glas-
gemälde in der längst zerstörten Martins-
kirche in Leicester war er predigend ab-
gebildet und zwar vor einer Zuhörerschaft
von Gänsen, an welche er die Worte
richtet: Neskis 63t mihi Deus, quam
cupiam vos omnes visceribus meis.
Wright giebt S. 73 eine Sitzkonsole aus
der Marienkirche in Beverley in Pork-
shire wieder, ans welcher zwei Füchse dar-
gestellt sind, wie sie, den Pilgerstab in
der Hand, von einem Geistlichen sich unter-
 
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