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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

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Nr. 4
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Donauwörther Heiligebildchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0043
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Spitze drohend nach oben schaut, während
er zugleich einen wirklichen Ritterhelm in
der Hand hält, aber hinter sich!

Doch es ist Zeit, diese Betrachtungen
endlich zu schließen! Lang genug, wird
dieser oder jener denken, sind wir nun in
Chorstühleu verweilt, unter die Sitzbretter
gekrochen oder sonst in Winkeln gehockt,
um gleichsam die Rückseite der Kunst 31t
studiren. — Mag sein! Wenn uns aber
aus diesen Winkeln selbst „der große
Geist unserer altern Brüder" (mit Göthe
zu sprechen) gar lebendig entgegengetreten?
Wenn diese Rückseite uns eine Ueber-
sülle von Gestalten, und zwar von uns
verwandten Gestalten enthüllt hat, gegen
welche unsere modernen Vorderseiten
arm und kahl erscheinen? War dann
diese unsere Wanderung vergeblich? War
sie nicht dazu angethan, uns einen neuen
hohen Begriff zu geben von dem Jdeen-
reichthum und der schöpferischen Kraft dieser
mittelalterlichen Meister? Eine ganze Welt
von Phantasie, Gemüth, Kunstfertigkeit und
von Geschichte, eine Welt, die von eigener
Fülle sprudelnd überfließt, haben wir hier
entdeckt, da wo man sie am wenigsten ver-
muthen tvürde! Nun da wir den Umkreis
und die Stufen dieser phantastischen, ko-
mischen und satyrischeu Welt durchmessen
haben, werfen wir noch einmal einen Blick
aus den Geist, der sie regiert und der sich in
ihr verkörpert hat. — Es ist der Schalk
— keineswegs eine Person in Fleisch und
Blut —, es ist die wohlgelaunte Gemüths-
art eines Humors, der die Widersprüche
des Lebens klar durchschaut, seine Aus-
wüchse neckisch auffaßt und noch über-
bietet, die Blößen der individuellen Er-
scheinung gegenüber den Anforderungen
der Idee ohne Scheu enthüllt, folglich
gegebenen Falls die Wahrheit noch über
die Schönheit setzt und auch am Häßlichen
sich ergötzt, wenn es nur Charakter, Leben
und Bedeutung an sich trägt. Dieser Schalk
ist von bäuerlicher Herkunft, derb, nach
Umständen sogar cynisch, aber er ist die
Gemüthsart unseres Volkes — unsere
eigene Gemüthsart, er wohnt, ob auch oft
vom Erdenstaub überlagert, in einem jeden
von uns — daher können und dürfen wir
seine Aenßerungen, seine nachgelassenen
Spuren nicht unbeachtet lassen.

2lus der Auilstlvelt der Athosklöster.

Bücher, welche uiiS eine unbekannte Welt
erschließen und deren vorher nur aus un-
klaren Berichten und schwankenden Vor-
stellungen nebelhaft anstanchende Gegenden
und Höhen erstmals klar vors Ange zeichnen,
müssen uns jederzeit hoch willkommen sein.
Wohl war manche Kunde über die Athos-
halbinsel mit ihren Klöstern itub ihrem eigen-
thümlichen Knnstleben schon zu uns ge-
drungen. Der Franzose Didron hatte sie
bereist und das Interesse der Kunstverstän-
digen auf sie gelenkt; er brachte von dort
den kostbaren Schatz des „Malerbuchs vom
Berge Athos" mit, welches Schäfer ins
Deutsche übersetzte (Trier 1855) und auf
welchem hauptsächlich unsere Kenntniß der
altgriechischen und neugriechischen kirchlichen
Malerei beruht. Nun liegt eine vollständige
unb vortreffliche Kunstgeschichte von diesem
wundersamen Lande vor uns, welche das In-
teresse fürdasselbe nicht nur aufs höchste steigert,
sondern auch befriedigt, soweit eben ein Buch
mit Hilfe reicher Illustrationen es befriedigen
kann. Der Titel des schönen Werkes lautet:
Die Kun st in den Ath oskl östern.
Von Heinrich Brockhaus, vr. der Phi-
losophie und Privatdocent der Kunstgeschichte
an der Universität Leipzig. Mit 19 Text-
abbildungen, 1 Karte, 7 lithographirten unb
28 Lichtdrucktafeln (Leipzig, Brockhaus, 1891
XI und 405 S. groß 8°. Preis 20 Mark.)

Zwei Monate weilte der Verfasser auf der
Insel; beste Empfehlungen öffneten ihm alle
Thüren. Für seine Aufnahme in den Klöstern
weiß er sich zu bleibendem Dank verpflichtet,
und sein Dank klingt nach in der warmen
und begeisterten Schilderung deS Kloster-
lebens und der Klosterknnst. Diese Zeit
reichte, um die Mönchsrepublik mit dem
„heiligen Berg", mit ihren 20 Klöstern
und 6000 — 7000 Mönchen, mit dem einzigen
Städtchen Karyäs, in welchem es nicht Frau
noch Kind gibt, wie überhaupt kein weib-
licher Fuß je den Boden dieser Insel be-
tritt, um dieses Jnselland mit den 20 statt-
lichen Klosterkirchen unb ungefähr 1000 Ka-
pellen , genau zu durchforschen. Nach all-
gemeiner Orientirung über Land und Lente
gibt er uns zunächst einen Ueberblick über
die Klöster; älter als sie alle ist die Kirche
von Karyäs, genannt das „Protaton"; ihr
folgen die Klosterbauten von der Lawra
(Laura) angesaugen, welche 963 gegründet
wurde, bis znm jüngsten, 1542 gegründeten
Kloster Stanronikita. Die Anlage derselben
ist stereotyp: ein Gebäudeviereck, in dessen
Jnnenhos in der Mitte die Klosterkirche
emporragt, Katholikon genannt. Die letztere
 
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