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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

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Nr. 10
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Pfitzer, Anton: Der Stammbaum-Altar in der Taufkapelle der Heiligkreuzkirche zu Gmünd
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https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0095

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84

Malerei, insbesondere der Glasmalerei.
Zum Schönsten dieser Art auf deutschem
Boden gehört wohl das Volkamer'sche
Fenster in der St. Lorenzkirche zu Nürn-
berg voll Glasmaler Hirschvogel. Gerade
Nürnberg wird aber auch ohne verurkun-
deten Heimatsschein ohne allen Zweifel
als Heimat unseres Altars anzusehen sein.
Ein Nürnberger Knnsterzengniß alls der
Zeit' eines Veit Stoß, eines Wohlgemnth
und eines Dürer ist er so gewiß als sein
verurkundeter Zeitgenosse, d. i. der St. Se-
baldusaltar, dessen nrsprünglichell Platz
er nun in der Tanfkapelle erhalten hat,
freilich nicht ohne einige Einbuße erleiden
zu müsseu: seine reiche Krone mußte ein-
gebogen uild seine Flügel beschnitten wer-
den. Doch verlor die wundervoll liebliche
Darstellung nichts all Reiz lind Klarheit.
Da sitzen die drei Söhile der Gnade und
Verheißung alls dem Schooße ihrer Müt-
ter, limgeben von ihren Vätern und Ahnen
in dreimal vierzehn Geschlechtern.

Um aber der Heimat und Zeit nilseres
Stammbanmaltars so viel als möglich
nahe treteil zu können, möchte ich zuvor
ans die Darstellung des Stammbaums des
Herrn in dem Volkamer'schen Glasgemälde
in Nürnberg etwas eingehen. Das Fen-
ster ist sechstheilig und zählt 24 Felder.
Von letzteren nimmt der Baum aber nur
acht ein. Eine Probe eigener poetischer
Licenz oder vielmehr künstlerischer Un-
genirtheit itnb Noncholance im Arrange-
ment fiildet sich hier. Den Stammvätern
des Herrn ist hier ohne allen Gewissens-
skrupel wie Maria mit dem Kinde, so
Katharina mit dem Schwerte als Sprosse
in der Kroile des Banmes eingereiht.
Von den zwölf Ahnen sind fünf durch
ihre Namen in den Spruchbändern kennt-
lich gemacht. Es ist Ainos, Abacuc, Salo-
mon, Zacharias und Jechonias; von den
sieben übrigen ist nur David an der Harfe
zu erkennen. Zn unterst liegt der schlafende
Jesse, dessen Brust die Wurzel des Baumes
sich entminbet. Der Baum selbst ist in
den Nebeilfeldern von den Bildnissen der
Stifter aus der Volkamer'schen Familie:
Großvater, Sohn und Enkel einer- und
von Großmutter, Mutter und zwei Enke-
linnen andererseits umrahmt. Diesen schlie-
ßen sich an die Bildnisse der Apollonia und
Barbara, des Nikolaus und Sebaldus, des

Georg und Sebastian, des Evangelisten
Johannes und der Ursula, der Rosalie und
des Andreas. Die Spitze des überreichen
Maßwerkes krönt Gottvater nnb die Ge-
stalt einer Taube. In dem übrigen leeren,
von den Zweigen und Aesten des Baumes
nicht berührten Raume des Fensters zwi-
schen den Fensterpsosten findet sich ans
Konsolen lind unter Baldachinen ein Ecce
horao und eine Mater dolorosa. Dieses
Glasgemälde wurde hier zuerst erwähnt,
weil es für die Zeit und Heimat nicht
nur des Gmünder Stammbaums, sondern
insbesondere auch des nicht minder knnst-
werthigen Sebaldus-Altars in derselben
Kirche wesentliche Anhaltspunkte bietet.
Bei beiden Stammbäumen in Gmünd und
Nürnberg ist der Altvater Jesse dargestellt
schlafend, ans den rechten Arm gestützt,
während seiner Brust eine Wurzel ent-
wächst (Jesaias 11, 1). Aus dieser Wurzel
entwickelt sich ein mächtiger Baumstamm
mit kräftigen Aesten, deren zarten Zweigen
die leiblichen Ahnen des Erlösers, Blüthen
und Früchten gleich, entsteigen. Im Glas-
gemälde ist Vater Jesse, wohl um schon
auf den ersteil Blick das königliche Ge-
schlecht seilles Sohnes David erkennen zu
lassen, in einem brillanten, farbenreichen
orielltalischen Gewände dargestellt, wie es
der außerordentliche Farbenreichthnm des
Fensters erforderte. Der Gmünder Jesse
dagegen ist ein einfacher, schlichter Mann
aus dem Volke. Sein Gewand ist eine
Art Blouse, welche von einer Schärpe ge-
gürtet wird. Seine Fußbekleidung besteht
alls langröhrigen, über die Kniee reichen-
den Fischer- oder Flötzerstiefeln. Es ist
eine meisterhafte, der Wirklichkeit entnom-
mene bürgerliche Gestalt, welche schon um
der Kostümirung willen alle Beachtung
verdient und Dürer'schen Geist atmet.

Was nun aber die 40 Figuren betrifft,
welche der Altar umfaßt, so ist auch nicht
eine durch ein Attribut oder ein mit Na-
men versehenes Sprllchband, wie am Vol-
kamer'schen Stanlinbaumgemälde, besonders
charakterisirt. Aber eine von ihnen ist
sehr beachtenswerth. Sie stellt einen der
Erzväter dar, der an den Fingern seinen
Zeitgenossen die Zeit aufzuzählen scheint,
in der der verheißene Erlöser erscheinen
werde. Diese Darstellung fiildet sich auch im
Volkamer'schen Glasgemälde. Die ganze
 
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