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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

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Nr. 10
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Beck, Paul A.: Kunsthandwerker früherer Zeiten in und aus Schwaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0100

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89

Glocke für das ebengenannte Kloster goß.
Ein sehr geschickter Kunstschreiner war Tho-
mas Heidelberger aus Memmingen,
welcher mit seinen Gesellen vom Jahr 1547
bis 1558 unter Abt Kaspar Kindelmann im
Benediktinerstifte Ottobeuren arbeitete
und daselbst u. A. die Chorstühle mit den
Bas-Reliefs, den Orgelkasten sowie in die
Küsterei in ihrer Art ganz einzige Ornatkästen
anfertigte, an deren einem er aus Schabernack
— H. war nämlich Lutheraner — das Por-
trät Luthers v) und der Katharina v. Bora
anbrachte. In der in der Nähe von Otto-
beuren gelegenen Karthanse B u x h e i m
sollen nach begründeter Tradition um das
Jahr 1600 die unvergleichlichen, im Jahre
1883 leider zur ewige» Schande herausge-
rissenen und im Herbst desselben Jahres ver-
kauften Chor stühle der ehemaligen Kloster-
kirche von den dortigen Karthäusern, welche
als Bildhauer hier höchst Bedeutendes ge-
leistet, hergestellt worden sein und die Arbeit
eine Zeit von 50 Jahren in Anspruch ge-
nommen haben. Diese Burheimer Chor-
stühle, welche mit dem großartigen Portale
sammt Thüre, mit ihren: Originalbeschläge
und Schloß in reichster schönster Schmied-
arbeit, ein zusammenhängendes, 3 Wand-
slächen bedeckendes Ganze bilden, und 31
Einzelsitze, getrennt durch reichfigürlich und
ornamental geschnittene, durchbrochene Zwi-
schenwände enthalten und an denen Alles
ohne Ausnahme in Eichenholz gearbeitet ist,
sind von solcher Pracht, solchem Reichthnm
der Arbeit und Ideen und von so meister-
hafter Durchführung und Vollendung, daß
wenig Werke der Holzschneidekunst und Bild-
hauerei inner- mib außerhalb Deutschlands
ihnen an die Seite gestellt werden können. Jede
einzelne der 31 in Nischen an der Wand
über den 31 Sitzen befindlichen frei in reich
geschnitzten Umrahmungen stehenden Heiligen-
figuren, von denen nur 3 Stücke fehlen,
ist ein Meisterwerk der Schnitzerei für sich;
das mächtige, von den Stuhlscheidewänden
getragene Gesimse, mit Fruchtgehängen reich
prosilirt, trägt theils eine in reichster durch-
brochener Arbeit hergestellte Ornamental-
schnitzerei, theils eiiw Anzahl von alttesta-
mentlichen u. a. Figuren von wunderbarster

si Das Andenken an Luther hielt sich in
Memmingen namentlich um deßwillcn so leben-
dig, weil derselbe auf seiner ersten Reise nach
Rom über Memmingen gekommen und dort im
Augustinerkloster gewohnt hat. Noch jetzt wird
im Lttobeurer Kirchenschatz eine aus dem gen.
Memminger Kloster dorthin gekommene Ca'sula
mit großen, grünen, in Goldstoff gewirkten Blu-
men, nach römischem Schnitt, gezeigt, in welcher
Luther damals die hl. Messe gelesen haben soll.

Konzeption und künstlerischer Vollendung
bis ins Detail. In ähnlicher Weise erweist
sich die Brüstung mit der erstaunlich reichen
Zeichnung und Schnitzerei, mit ihren Friesen
und Karyatiden von Engeln irnd Engels-
köpsen, ihren herrlichen Füllungen der Vorder-
seite, selbst als hochkünstlerisches Meisterwerk
der Bildnerei, und als solches repräsentirt
sich auch die Thüre, mit reichem Schnitzwerk
und üppigen Füllungen, mit dem sie um-
rahmendem, prächtig geschnittenem Portale
und dem herrlichen Renaissanceanfsatze nebst
seinen 3 freistehendeti Engelsfiguren. In
der beitachbarten Kloster- und jetzt Pfarr-
kirche Ochsenhausen befanden sich vor
Zeiten attch prächtige, vielleicht noch von
Jörg Sürlin d. I. stammende Chorstühle,
welche aber leider im Jahre 1646 bei der schwe-
dischen Invasion zerschlagen itnb mit deren
Holze 3 riesige Wachtfeuer unterhalten wur-
den. Die dafür erstellten, heilte noch in der
Kirche befindlichen Chorstühle ließ Abt Pla-
cidus Kobolt dlirch einen geschickten Schreiner
Ferd. Zech voil Thannhausen in Bayerisch-
Schwaben aus Eichen- und Nußbaumholz
nett fertigen. Bald darauf im Jahr 1673
ließ dieses Benediktinerstift die ihn: unter-
stehende Pfarrkirche zu S t e i n h a » s e n
a. Rottum durch den Klosterarchitekteil Pater
Beilno Waid mail n neu erbauen, in welche
der Bildhauer Laienbruder Bonisaz aus
dem Benediktinerkloster Jsny das Schrein-
werk und die Bildhauerarbeit lieferte. In
der Klosterkirche Ochsenhausen hatte um das
Jahr 1603 unter der Regierung des Abtes
Christophorns Schpieß Daniel Schiene
eine sehr gute Orgel aufgestellt und um die
gleiche Zeit Adam Aichelin das Innere
ansgemalt. — Das baulustige 18. Jahr-
hundert brachte eine ganz neue rege Thätig-
keit — man möchte sagen — einen Um-
schwung im Bau- nnd Gewerbewesen hervor:
allenthalben in Süddeutschland entstanden
an Stelle der alten, zum Theil erst nach dem
30jährigen Krieg, zum Theil noch im Mittel-
alter erbauten Klöster großartige Prachtbauten
im Geschmacke der damaligen Zeit, womit
die innere Einrichtung nnd Ausschmückung,
an welcher nichts gespart ivnrde, Hand in
Hand gieng. Vor Allein in Ottobeuren
„Schwabens Escurial", woselbst sich wegen
der umfassenden Neubauten eine ganze Ko-
lonie von Künstlern und Handwerkern an-
gesiedelt hatte; der großartige Plan zur voll-
ständigen Neuerbauung und Erweiterung des
Klosters sammt allen Nebengebäuden rührte
zum größten Theile von einem Konventualen,
dem kunstersahrenen Stiftsarchitekten Pater
Christoph Vogt aus D i e t e n h e i m
her; einer der ersten Baumeister daselbst (um
 
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