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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

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Nr. 11
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Wolff, Odilo: Rede über die christliche Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0104

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Archiv für christliche Nmist.

Organ des Rottenbnrger Diözesan-Vereins für christliche Kunst.

^erausgegeben und redigirt von Professor Dr. Keppler in Tübingen.

Verlag des Rottenburger Diözefan-Annstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Nr. Reppler.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährlich für M. 2.05 durch die wnrttembergischen {Jl 1.90
im Stuttgarter Bestellbezirk). J6 2.20 durch die bayerischen und die Reichspostanstalten,

Hfl. 1.27 in Oesterreich. Frcs. 3.40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
♦ auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags direkt
von der Expedition des „Deutschen Voltsblatts" in Stuttgart, Urbansstraße 94, zum
Preise von Ji 2. 05 halbjährlich.

Rede über die christliche Kunst,

gehalten von P. Odilo Wolfs, Prior des
Klosters Emaus in Prag, auf der Katholiken-
versannnlnng zn Mainz 1892.

„Die Kunst ist Jedermanns Sache."
Dieses zur Bedeutung eines Axioms er-
hobene Wort A. Reichenspergers berechtigt
uns alle, in Sachen der Kunst mitzureden
und uns ein Urtheil zu bilden, da sie uns
alle angeht.

Ueber die große moralische Bedeutung
der Pflege der Kunst und die Pflicht, die
uns allen diesbezüglich obliegt, ein Wort
zu sagen, halte ich für überflüssig, da in
der That, was das Interesse anlangt, „die
Kunst Jedermanns Sache" geworden ist.

Ich möchte mir erlauben, das Gebiet
der Kunst selbst zu betreten und einige
Gedanken vorzulegen über Ziel und
Wege der heutigen ch r i st l i ch e n
Kunst bestreb un gen, die leider soweit
auseinandergehen. Vielleicht gelingt es
mir, ans ein Ziel hinzuweisen, in welchem
sich alle einigen; vielleicht gelingt es mir,
Wege zu zeigen, auf denen wir der heute
so verderblichen, ins Vage gehenden Strö-
mung mächtig entgegentreten können, jener
Strömung, die sich geltend macht in der
Ansicht, die künstlerische Gestaltung sei
lediglich Gefühlssache.

Lassen Sie mich vorerst auf eine That-
sache Hinweisen, die schon hundertfach er-
wähnt, allbekannt ist. In unserm Jahr-
hunderte erwachte wieder mächtiger der histo-
rische Sinn, und wie er auf allen Gebieten
zum Durchbruch, leider oft auch zum Scha-
den tieferer Erkenntniß, zur Alleinherr-
schaft, zur Despotie kam, so erweckte er
auch auf dem Gebiete der Kunst die histo-
rische Betrachtungsweise, schuf sich hier
eine eigene, neue Wissenschaft, die Kunst-
geschichte, und vermittelte uns die Kennt-
niß alles dessen, was 4000 Jahre auf dem

Gebiete der Kunst erstrebt und geleistet
haben.

Was immer von den ersten Anfängen
der Kunst an bis zu uns herab an Kunst-
werken geschaffen wurde, ward ans Licht
gezogen, durchforscht und, dank der Gunst
der Zeitverhältnisse, man kann wohl sagen,
zum Gemeingut aller Kunstliebenden, Kunst-
verständigen, Kunstbegeisterten.

Erst unser Jahrhundert hat die ganze
Erbschaft der klassischen vorchristlichen Zeit
angetreten und damit eine Knnstwelt er-
schlossen, die bis zu uns der christlichen
Kunst unbekannt war, oder, soweit sie ihr
bekannt war — es war dies ihr minder-
werthiger Theil — sich mit falschem Geiste
vermählte (Humanismus), oder falsch auf-
gefaßt, mißverstanden wurde.

Auch die Kunstwelt des Mittelalters
mußte erst in unserm Jahrhundert gewisser-
maßen neu entdeckt werden, aus dem
Schutte von Vorurtheilen ausgegraben wer-
den. Auch die Vorläufer der klassischen
vorchristlichen Kunst, auch die außereuro-
päische Kunst der Gegenwart wurde nach
ihrem Werdeprozeß durchforscht, in ihren
Schöpfungen bekannt.

So stehen wir gewissermaßen, um das
Verhältnis; mit einem Bilde zu beleuchten,
im Mittelpunkte eines Kreises, und rings
um uns stehen, wie in einem riesig großen,
übersichtlich geordneten Museum, die Kunst-
werke aller Zeiten und Völker, in denen
jede Zeit, jedes Volk sein bestes Denken
und Fühlen auch in religiöser Beziehung
niedergelegt hat.

Alles drängt zu der Frage: Was nun?
Alles zwingt uns dazu, ein Facit aus
dieser langen Kunstentwicklung zu ziehen.

Hätte freilich eine Zeitperiode bereits
das vollkommene, das reine Ideal erreicht,
dann wäre die Antwort auf obige Frage
eine leichte; dann wäre es freilich das
 
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