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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

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Nr. 12
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Rueß, Bernhard: Der wiederentdeckte Meister des Schussenrieder Chorgestühles
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0119

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107

in einen neuen, zeitgemäßen und überaus prakti-
schen Stand zn bringen."

3) Was aber die Glaubwürdigkeit der obigen
Rodenbachschen Notiz über allen Ziveifel erhebt,
ist die Thatsache, daß Rodenbach ein Zeitgenosse
Macheins und geradezu ein Augenzeuge bei
Fertigung des Chorgestühles gewesen ist. Letzteres
wurde nämlich im Zeitraum von 1715—1717
geschaffen, P. Rodenbach befand sich aber laut
Koirverrtsbnch schon anno 1701 im Kloster Schus-
senried. Letztmalig hat er seinen Nameir in das
genannte Buch eingetragen im Jahre 1744. Mit
dem Gesagten hoffen wir die Glaubwürdigkeit der
Quelle dargethan zu haben, aus welcher >vir den
Nameir des Bildhauers Machein als des Meisters
des Schnssenrieder Chorstuhlwerkes geschöpfthaben.

Was nun den wiederentdeckten Schöpfer unserer
Stiftsstühle näherhin anlangt, so rvar uns sein
etwas ungewohnt klingender Name Machein aller-
dings schon in den Ausgabebüchern des
Klosters begegnet. In denselben ist verzeichnet,
daß er für Ornamente und Figuren Bezahlung
erhallen habe, welche er zum früheren Hochaltäre
der Wallfahrtskirche in Steinhaufen geliefert
hatte. Allein >vir hatten beim Ausfinden dieser
Notiz noch nicht geahnt, ans welch bedeutenden
Namen wir gestoßen waren.

Unser Meister Machein von Ueberlingen hat
auch einige Kunstarbeiten geliefert zum gegen-
wärtiger: S ch n s s e n r i e d e r H o ch a l t ar e, wel-
cher früher der Choraltar genannt wurde uird dem
Abte zur gottesdienstlichen Funktion reservirt war.
Ob die Arbeit Macheins an unserem Hochaltäre
in Laubwerk oder Statuetten bestanderr hat, war
nicht zn eruiren. Umfangreich kam: sie jedenfalls
nicht gewesen sein, da Machein nur 214 fl. Lohrr
erhielt. Dagegen lvurderr dem eigentlicher: Erbauer
des reichsstiftischen Choraltares, Judas Thaddäus
Sichelbain von Wangen, laut Vertrag für fein
Werk 2100 fl. zngesichert. In Wirklichkeit ist aber
diesem Meister für sein Altarwerk rrachträglich
eine noch weit höhere Summe ansbezahlt worden.
Bildhauer Machein konnte sich übrigens arr der
Erstellung des Hanptaltares auch deßhalb nicht
in höherem Grade betheiligen, weil er durch das
Chorstuhlrverk gleichzeitig zu sehr irr Anspruch
genommen war. Der Ban des Choraltares uird
die Fertigung der Chorstühle füllt nämlich so
ziemlich in dieselbe Zeit.

Der Name des Meisters Machein hat sich uns
ebenfalls bei der Lektüre des im Stuttgarter
Staatsarchiv aufbervahrten Tagbuches des Schus-
senrieder Abtes Didakus Ströbele (1719—33)
präsentirt. Der Prälat Didakus schreibt nämlich
unter dem 19. April 1728, er habe mit Anton
Machein, Bildhauer in Ueberlingen, einen Kon-
trakt abgeschlossen. Laut desselben hatte der Kürrst-
ler den Altar in das Kirchlein zu Eggarts-
weiter um die Summe vor: 120 fl. zu beschaffen.
Das in dem Oberamte Saulgau gelegene und der
Pfarrei Reichenbach zugetheilte Dörfchen Eggarts-
iveiler mit seiner Filialkapelle hatte ehedem zum
Besitze des schwäbischen Reichsstiftes Schnssenried
gehört. Der ans Macheins Atelier stammerrde
kleine Altar ist jetzt noch vorhanden. Dies wird
durch das an ihm angebrachte Wappen des Abtes
Ströbele beglaubigt. Der kapellenartigen Kirche

und der bescheidenen ausgesetzten Summe ent-
sprechend, ist das Werk auch ziemlich unbedeutend
ausgefallen. Namentlich hat der gleichzeitige oder
ein späterer Faßmaler das Altärchen irr: Werthe
geschädigt. Macheirr scheint den Harrpttheil der
Arbeit einem untergeordneten Gehilfen überlassen
zn Haber:; die Engelsfiguren dagegen körinterr
möglicherweise von Machein selbst gestaltet rvorderr
fein, denn sie weisen große Aehnlichkeit mit solchen
in Steinhaufen auf; die pflanzlichen Ornamente
aber zeigerr einen genialer: Schrvrrrrg uird eine
meisterhafte Elegarrz. Leider hat jedoch dieses
kleine Altarrverk in uns die Vermuthung gerveckt,
der Bildhauer Machein, welcher sich mit dem
Schnssenrieder Chorgestühl ans die Stufe hoher
künstlerischer Vollendurrg gestellt hat, rnöchte in
späteren Jahren zu sehr dem Geschrnacke der Zeit
Konzessionen gemacht und sein großes Talent in
den Dienst des Zopfes gestellt haberr. — Ans
dem Umstande, daß Macheirr vom Reichsstifte
Schnssenried anno 1728 in Eggartsweiler und
anno 1730 in Steinhausen beschäftigt wurde,
ersehen mir, daß er auch in späterer Zeit am
hiesigen Kloster einen Gönrrer besaß. Aber rricht
allein Kunstbeziehungen haben zwischen Schussen-
ried rrnd den: Bildhauer Machein von Ueberlingen
obgewaltet, vielmehr hielten ihn auch Bande der
Verwandtschaft irr Konirex mit unserer Norber-
tinerniederlassnng, denn der Abt Didakus bezeich-
net den Künstler als Schivager seines Paters
Johann Baptist. Beim Nachsehen im Konvents-
bnche sab anno 1728 nach einem Chorherrn mit
dem genannten Klosternamen stießen wir ans der:
P. Joannes Baptista Haitinger. Es ist somit
die Gattin unseres Meisters eine geborene.Haitin-
ger gewesen. Vielleicht ist das Kloster gerade
durch der: P. Haitinger auf feinen hochbegabten
Schwager Macheirr aufmerksam gemacht rvorderr:
denn der P. I. Baptist befand sich schorr anno 1713
an dem hiesigen Sitze der Prämonstratenser. Daß
Macheirr ein beachtenswerlhes Kunsttalent gewesen
ist, wird rräheres Nachforschen über seine Thätig-
keit ohne Zweifel lehren. Auch rvir hofferr zn
dieser Ueberzeugnrrg beitragen zn können durch
eine im Manuskripte beinahe fertiggestellte kunst-
geschichtliche Studie über das Schnssenrieder Chor-
gestühl und seinen Meister.

Literatur.

Die Kirche in O b erin a r ch t h a l. Eine
Jubilännrsgabe zrrin 200jährigen Bestände
der ehemaligen Prämonstratenser- uird jetzi-
gen Schloß- und Pfarrkirche. Von Max
Birkler, Pfarrer. Mit 5 Illustrationen.
Stuttgart, I. Roth 1892. 59 S. Preis
50 Pfennig.

Ein sehr verdienstvolles Schriftchen, die Frucht
jahrelarrgen Sncherrs, Sammelns und Denkens,
ein schöner Erweis der eifervollen Liebe, mit
ivelcher ein Pfarrer sich in den Ban und in die
Geheimnisse seiner Pfarrkirche eingelebt hat. Wer
es nicht schon ans persönlichem Verkehr mit dem
l Verfasser weiß, der entnimmt es unschwer aus
I diesem Büchlein, daß hier zwischen Pfarrer und
1 Pfarrkirche wirklich ein Herzensbündniß besteht
 
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