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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 1
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Die Wandmalereien in Burgfelden bei Balingen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0007

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3

und Physiognomie; er stößt Ulit einem
langen Dolchmesser nach dem Letzten in
der Schaar, welcher vor Jammer und
Schmerz die Hände über dem Kopf zu-
sammenschlägt. Er ist gleich den Uebrigen
mit kurzem Röckchen bis an die Kniee be-
kleidet. Charakterisirt ist keine der Ge-
stalten; nur eine einzige trägt einen großen
Gegenstand in der Hand, anzusehen wie
eine mit kurzer Handhabe versehene Winzer-
butte oder wie ein Schöps- oder Gießgefäß.
Die Schaar ist auch nicht in Gruppen
aufgelöst, wie die der Seligen; znsammen-
gehalten wird sie durch einen um jeden
Hals und von Hals zu Hals laufenden
Strick, welchen vorn ein Teufel faßt und
über die Schulter anzieht; an ihm zerrt
er sie in das Höllenthor hinein; hinter
diesem ist ein Teufel postirt, welchem der
Seelensammler zuwinkt; außerdem schauen
noch vier Reihen Köpfe aus Bulgen her-
aus; unter ihnen kann man noch einzelne
Glieder einer riesigen Kette unterscheiden.
Die Hölle ist burgartig dargestellt, mit
zinnenbekröntem Mauerwerk und einem
bedachten Eingangsthor; die Architektur
höchst einfach und ohne ausgesprochenen
Stil. Ganz ergreifend ist es aber und
ein großartiger, hochdramatischer Gedanke,
wie die Berdammten alle bis auf zwei mit
ganzem Körper, mit Antlitz und Gebärden-
spiel sich dem Richter zuwenden, nicht der
Hölle; sie können sich von seinem Anblick
nicht losreißen; von ihm fern zu sein, ihn
nicht mehr sehen zu dürfen, das ist die
Hölle der Hölle; besonders der letzte, der
Hölle nächste Unselige, breitet weit geöff-
neten Mundes wie mit gellendem Wehe-
geschrei beide Hände und Arme gegen Jesus
ans und sträubt sich mit aller Macht gegen
das Weitergehen.

Der Malgrund dieser und der anderen
Malflächen ist äußerst sorgfältig zubereitet,
und dieser Sorgfalt dankt man es, daß
von den schwer mitgenommenen Gemälden
noch soviel erhalten ist. In mehreren
Schichten anfgetragen zeigt er ans der
obersten, feinkörnigen vollendete Glättung
wie durch Schliff. Ans diese Fläche zeich-
nete der Pinsel, wie es scheint ohne jeden
vorgängigen Aufriß, mit großer Freiheit
und Gewandtheit die rothbrannen Contonren
aus, die dann mit überaus dünnflüssigen,
leichten und Hellen Farben ansgelegt wur-

den ; Gesichtscontonren finden sich nur beim
Richter eingezeichnet, sonst fehlen sie.
Gelber und rother Ocker spielen die kolo-
ristische Hauptrolle. Sehr beachtenswerth
ist der Hintergrund, von welchem die Ge-
stalten sich abheben; derselbe ist nicht ein-
färbig, sondern wird gebildet durch hori-
zontal und parallel neben einander ange-
ordnete Farbenzonen; auf die untere Bor-
düre folgt ein breiter Streifen, ockergelb,
dann ein schmälerer rother, dann ein
schmälerer ultramariner, dann ein breiter
gelber und znoberst ein breiter hellgrüner.
Noch jetzt ist der Zusammenhang dieser
Farbentöne ein harmonischer und kräftiger.

Der nach oben abschließende Mäander
läuft nun auch über die ganze Nordwand
und Südwand des Gebäudes hin, ebenso
und in gleicher Höhe auch die den Ge-
mäldestreifen nach unten abschließende Bor-
düre, welche nur unwesentlich auf den
Längswänden variirt ist. Zwischen beide
sind auf diesen Wänden weitere Gemälde-
cyklen eingeordnet.

Beginnen wir mit der Nordwand. Leider
ist hier die unmittelbar an das Gerichts-
bild anschließende Darstellung völlig zer-
stört, hauptsächlich auch dadurch, daß schon
in gothischer Zeit sie mit einer Kolossal-
fignr des hl. Christophorns übermalt wurde,
von welcher noch einzelne Theile erhalten
sind. Auch die zweite, nach links folgende
Komposition ist nicht mehr erkennbar; sie
war groß und dem Raum und den Resten
nach zu schließen, fignrenreich.

Nach dem zweiten romanischen Fenster-
chen (von Osten her gerechnet) folgt eine
Reihe von männlichen Gestalten, welche
alle gleichmäßig in einer Art Gestühl mit
Sitzbank, Fußschemeln und höchst einfacher
Bogenkrönnng neben einander sitzen. Die
Haltung ist fast bei allen ziemlich stereotyp
gleich, auch Gesichtszüge und Bart. Be-
kleidet sind sie mit Untergewand und Mantel;
der Kopf mit gekrämptem Rlindhnt oder
auch Spitzhut bedeckt. Alle halten lange
Spruchbänder ohne Schrift, meist mit der
zur Schulterhöhe erhobenen Rechten und
der am Knie befindlichen Linken, so daß
also das Spruchband über die Brust hin-
länft. Die Gestalten sind einander völlig
coordinirt; zehn sind noch erkennbar. Da
aber das Bild durch ein häßlich einge-
brochenes Fenster nach links abgeschnitten
 
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