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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 1
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Der Altarbau der Gegenwart, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0011
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7

nöthig haben, etwa in einein Auszug ans
diesen Büchern einen Abriß der Geschichte
des Altars unseren Studien voranzustellen,
so nothwendig erscheint es, die Entwicklung,
welche der Altarbau gerade in den letzten
Dezennien genommen hat, zu verfolgen
unter besonderer Berücksichtigung von Süd-
deutschland. Dabei bemerken wir, daß
wir hier es hauptsächlich mit dem A lta r-
üb erbau, nicht mit der Mensa zu thnn
haben; die letztere bildete bekanntlich den
Gegenstand einer Studie, mit welcher einst
der sel. Prälat Schwarz den ersten Jahr-
gang dieser Blätter eröffnet hat, und
welche auch separat gedruckt wurde.

Die weitaus größte Mehrzahl der Altäre,
welche seit der Mitte dieses Jahrhunderts
neu erstellt wurden, lassen sich ihrer Form
lind Anlage nach auf ein Hauptparadigma
znrückführen, das unzähligemal wiederholt
wurde und dem gegenüber alle anderen
Formen als vereinzelte Ausnahmen er-
scheinen.

Jeder kennt dieses Paradigma. Wenn
man von einem gothischen Hochaltar spricht,
so denkt jeder zunächst an einen mehr oder
minder hohen und reich ansgesührten thurm-
artigen Mittelbau für den Doppeltaber-
nakel und wohl noch mit einer Bildnische
über dem Tabernakel und einer pyramidal
auslausenden Krönung; rechts und links
vom Tabernakel je noch eine Nische mit
einer Statue oder einem Relief. Der
Nebenaltar hat gleiche Anlage, nur daß
au Stelle des Tabernakels hier eine dritte
Mittelnische für ein weiteres Bildwerk
tritt. Variationen, welche die Grnndanlage
nicht ändern, entstehen durch Erbreiterung
der seitlichen Nischen zur Ausnahme von
Gruppenbildern in Relief, durch Erhöhung
und Bereicherung des Aufbaues, durch An-
ordnung weiterer kleinerer Bildnischen über
und neben den drei oder zwei Hauptnischen.

Diese Anlage ist an sich nicht zu ver-
werfen , sonst hätten ja längst die be-
rufenen Organe sich gegen dieselbe erklären
müssen. Für den Hochaltar ist ein orga-
nisch eingegliederter Tabernakel, und zwar
für die Regel ein Doppeltabernakel mit
fester Expositionsnische, unentbehrlich und
allein den liturgischen Anforderungen und
neueren Gesetzen entsprechend. Wenn man
ihn nicht als alleinstehenden Thurm oder
als isolirtes Tempelchen ans die Mensa

stellte, sondern ihm Flankenbauten zur
Seite gab, so ist auch das durchaus be-
rechtigt. Der Brauch, neben dem Zelt
des eucharistischen Gottes den Bildnissen
der Heiligen oder den Darstellungen der
heiligen Mysterien einen Platz einzuränmen,
ist ja wahrlich nicht erst in neuerer Zeit
anfgekommen; er kann bezüglich des ersteren
sich auf das Wort des Herrn berufen:
ubi sum ego, illic et minister meus
erit (Joh. 12, 26); volo, ut ubi ego
sum, et illi sint mecum (Joh. 17, 24).
Man muß auch anerkennen, daß dank
dieser Anlage und im Rahmen derselben
beit liturgischen Erfordernissen besonders
des Hochaltars im allgemeinen so befrie-
digend genügt wird, wie dies lange Zeit
nicht der Fall war.

Von der Brauchbarkeit des Schemas
aber sofort auf die Vollkommenheit und
Güte unserer neueren Altarwerke schließen
zu wollen, wäre voreilig. Man wird fast
sagen müssen : jemehr diese Eine Altarform
zur herrschenden wurde, um so seltener
sind eigentlich gute Altäre dieser Form
geworden. Sie ist nämlich keineswegs so
einfach zu handhaben, als man meinen
könnte. Es ist nicht leicht, beim Hoch-
altar die beiden Seitennischen wahrhaft
konstruktiv mit dein Tabernakel zu ver-
binden, beim Nebenaltar die drei Nischen
so zusammen zu komponiren, daß sie Ein
Ganzes bilden. Eine ganz befriedigende
Lösung dieser Schwierigkeiten ist verhältniß-
mäßig selten. Häufig sind schon die Ver-
hältnisse der einzelnen Theile verunglückt,
hauptsächlich verdorben durch das Be-
streben, eine starke Höhenentwicklung zu
erhalten. Die Nischen stimmen in Höhe
und Weite nicht zum Tabernakel; der
Tabernakel erscheint häufig znsammenge-
preßt durch die Seitentheile; die Verbin-
dung der Nischen mit dem Tabernakel ist
mangelhaft, oft durch elende Lückenbüßer-
Einschiebsel vermittelt, oft lediglich durch
roh mechanische Aneinanderschiftung bewirkt.
Sodann verursacht die Dreitheiligkeit der
Hoch- und Nebenaltäre nothwendig etwas
höhere Kosten; will man große Spar-
samkeit walten lassen, so ist die Folge,
daß entweder das Skulpturenwerk sehr
schlecht wird, oder das Altargehänse znsehr
Schreinerarbeit bleibt und künstlerischer
Durchbildung ermangelt.
 
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