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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 1
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Der Altarbau der Gegenwart, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0012

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Größere Mißstände ergeben sich daraus,
daß man jenes Paradigma nicht bloß in
den Renaissancestil übertrug, was angeht,
sondern auch in den romanischen. Hätte
man wenigstens im letzteren Fall die Maße
der gothischen Ausführung reduzirt. Aber
man behielt nun auch die Höhenmaße bei,
was ohne schwere Versündigungen am
romanischen Stil nicht abgehen konnte. Der
romanische Stil bei vielen neueren Altären
hat in der That weiter nichts zu bedeuten,
als daß die Nischen und Tabernakelöff-
nnngen im Halbbogen schließen statt im
Spitzbogen, daß die Fialeit durch Rnnd-
thürmchen unb die Pyramide durch eine
Kuppel ersetzt werden. Gerade in seiner
Uebersetznng in den romanischen Stil hat
das Paradigma die größten Geschmack-
losigkeiten hervorgebracht.

Mißgeburten und Fehler erzeugte so-
dann auch das Bestreben, innerhalb des
Paradigmas Neues zu bieten und originell
zu sein. Und doch ist dies Streben sehr-
berechtigt niib fast natnruothweudig. Ge-
stehen wir es offen ein: nachdem wir nun
einige Jahrzehnte hindurch fast ausnahms-
los Altäre der beschriebenen Form gebaut,
Land ans, Land ab unsere Kirchen mit
solchen Altären ansgestattet haben, hat
trotz aller Bemühungen, mit dem Orna-
ment , dem Stil, dem Bildwerk abzu-
wechseln, das Paradigma soviel wie möglich
anders zu organisiren, jene Altarform für
uns etwas fast unerträglich Langweiliges
bekommen. Man muß endlich die Frage
auswerfen, ob denn in der That diese Altar-
anlage die einzig mögliche sei, ob es nicht
rathsam sei, hierin mehr Abwechslung an-
znstreben und jene abgenützte Form eine
Zeit lang ruhen zu lassen.

Ehe wir aber auf diese sich aufdrängende
Frage eingehen, möchten wir zunächst an
einem Altarentwurs zeigen, daß das Para-
digma, von welchem wir sprechen, wirklich
noch konstruktive Variationen zuläßt, an
die man bei uns wenigstens bisher kaum
dachte. Wir bitten den Leser zum Ver-
ständniß des Folgenden die Beilage ins
Auge zu fassen, welche auf der einen Seite
den Hochaltar, ans der andern den Neben-
altar der neuen St adtpfarrkirche in
Ebingen darstellt. Die Zeichnungen
sind von Architekt Cades in Stuttgart,
dem Erbauer der Kirche. Den Hochaltar

führte ans Bildhauer Metz in Gebrazhofen,
den Marienaltar Kunstschreiner Bmuig in
Oedheim, den Josephsaltar Knnstschreiner
Bender in Ertingen.

Beide Entwürfe sind ebenfalls nach dem
dreitheiligen Schema gebaut, aber man
sieht sofort, daß sie das tödtende Einerlei
des Dreinischensystems überwinden und sich
als etwas Neues präsentiren. Neu ist vor
allem die Behandlung der beiden Seiten-
theile. Wie kam man dazu, dem Taber-
nakel oder der Hauptbildnische eines
Mariens- oder Josephsaltars noch Flanken-
theile beizugeben und welches ist demnach
die nächste Funktion der letzteren? Offen-
bar soll durch sie der Eindruck der Jso-
lirtheit, welchem der allein in der Mitte
stehende Tabernakel oder Eine Bildnische
verfallen müßte, gehoben und sodann die
Wand rechts und links vom Tabernakel
oder dem Hauptbild und unmittelbar über
der Mensa geziemend dekorirt werden.
Um diesen nächsten Zwecken zu genügen,
bedürfen jene Theile keiner besonderen Tiefe.
Man kann sie flach behandeln, wirklich
bloß als Wandverkleidung, und auch iu
diesem Falle braucht man nicht einmal aus
Bildwerk zu verzichten; nur muß man
statt der Skulptur die Malerei beiziehen.
Das ist hier geschehen. An die Mittel-
nische sind zwei flache Tafeln angestoßen
mit Flachnischen für Aufnahme von Ge-
mälden.

Die Folgen dieser Aendernng sind weiter-
greifende und wohlthätigere, als man auf
deu ersten Blick ahnt. Wir bekommen so
einen ganz andern Altarban, der im Ver-
gleich mit den gewöhnlichen sich durch Ein-
fachheit , Leichtheit und Schlichtheit ans-
zeichuet, aber keineswegs ärmer ist an Ein-
druck und Leben, nur ruhiger und an-
spruchsloser. Drei Statuen in Lebens-
größe neben einander müssen an sich schon fast
nothwendig lastend wirken, wie leicht wirkt
diese Verbindung der Einen Statue mit Ge-
mälden! Ferner wie ruhig und wohl-
thuend wirkt die kräftige Horizontallinie,
mit welcher beide Seitentheile abschließen,
während nur die mittlere in die Höhe strebt
und in der Höhe sich anflöst! Wie luftig
und leicht macht sich sodann die Mittel-
nische, welche bei dieser Anlage auf beiden
Seiten offen bleibt ititb mit ihrem Bal-
dachin vorn auf zwei schlanken Freisänlen
 
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