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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 2
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Die Wandmalereien in Burgfelden bei Balingen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0019

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Archiv für christliche Ärmst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Kunst.

kjerausgegebeu und redigirt von Professor Dr. Kegler in Tübingen.

Verlag des Rottenburger Diözesan-Runstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Dr. Reppler.

M. 2.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährlich für Ji. 2.05 durch die württembergischen (Ji 1.90
im Stuttgarter Bestellbezirk), J6 2.20 durch die bayerischen und die Reichspostanstalten,
fl. 1.27 in Oesterreich, Frcs. 3.40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags direkt *-^5*
von der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, Nrbansstraße 94, zum
Preise von Ji 2. 05 halbjährlich.

Die Mandmalereien in Burgfelden
bei Balingen.

(Schluß.)

Nun gilt es, die schwierige Frage
nach dem Stil, der Entstehn» gs- i
zeit, d e r H e r k n n f t d e r B i l d e r n n d
nach ihrer Bedeutung für die Ge-
schichte der kirchlichen Wand-
malerei ihrer Lösung entgegenzuführen.
Welcher Epoche und welchem Entwicklungs-
stadinm der Malerei ungefähr dieselben
angehören, das zu bestimmen ist nicht allzu
schwierig. Sie zeigen deutlich jenen Stil,
der noch in unverkennbarem Kontakt mit
der altchristlichen Kunst und durch sie mit
der römisch-klassischen Kunst steht. Derselbe
hatte sich durch die Katakombenmalerei und
die Sarkophagskulptur hindnrchgebildet, dem
karolingischen Zeitalter seine Formenwelt
Übermacht und in der Miniaturenmalerei sich
zu einer schönen Blüte entwickelt. Gerade die
Karolingerzeit und die Periode der Ottonen
hatte den überkommenen Formenschatz neu zu
beleben gewußt, die ererbten Typen veredelt,
beseelt, weich und biegsam gemacht, daß sie
mittelst derselben eigene innere Theilnahme
an den darznstellenden Gegenständen zum
Ausdruck bringen, auch es wagen konnte,
den Kreis der bisherigen Darstellungen zu
erweitern, die Darstellungsweise der üb-
lichen Objekte nach eigenen Inspirationen
nmzngestalten. Die runden Zahlen 900
bis 1100 umgrenzen zeitlich Blüteperiode
und Herrschaftsdaner dieses Stils.

In diesen Zeitraum fallen sicher auch
unsere Bilder. Es kann aber zunächst
noch eine genauere untere Grenze gezogen
werden. Sie können nicht, oder
nicht beträchtlich nach 1050 ent-
standen sein. Um diese Zeit nämlich
nimmt eine Verfallsperiode ihren Anfang,
in welcher die alte Kunst mehr und mehr
greisenhaft wird und abstirbt und nach und

nach eine neue sich vorbereitet, die sich los-
löst von der altchristlichen und germanische
Art zeigt. Schon die unverkennbar schöpfe-
rische und jugendliche Kraft verbietet, diese
Malereien der Zeit des Verfalls znzn-
weisen, welche, wie die Miniaturen zeigen,
nur mehr mechanisch abschreiben und nach-
machen konnte, welcher alle originelle Ge-
danken, aller feinere Geschmack, auch alles
Verständniß des Körperbaues abhanden
gekommen waren, welche bei jedem eigenen
Wagen und Streben nur ihre Impotenz dar-
thnt in den verkrümmten und verkrüppelten
Stellungen, in unnatürlichen Verrenkungen
und Verbiegungen, welche den rohen Sinn
und die plumpe Hand verräth in den har-
ten schwarzen Eontonren, in den groben,
stumpfen und mißtönenden Farben, welche
mit einem Wort in ihren Leistungen sich selbst
wie des Nachlasses der künstlerischen Kraft,
so der Verrohung der Technik anklagt.

Auf noch bestimmtere Fährte weist die un-
verkennbare Verwandtschaft unserer
Malereien mit de n R e i ch e n a n e r n.
Die Vergleichung ist dadurch erleichtert,
daß eine Darstellung in Reichenau das-
selbe hochwichtige Thenia behandelt wie das
Hauptbild unserer Kirche: das jüngste
Gericht. Beide Bilder, allerdings in der
Komposition, wie nachher zu betonen ist,
wesentlich verschieden, zeigen doch im Ganzen
unleugbar dieselbe Formensprache.

Bekanntlich fehlte der alten Kunst zwar
nicht der Glaube an Ehristns den Richter
und die Vorstellung vom Gericht, wohl
aber eine direkte Darstellung des Vor-
gangs des Gerichtes. Erst allmählich bil-
dete sich ans Ansätzen und Andeutungenx)
das eigentliche Gerichtsbild heraus, und
zwar erst, nachdem der Gedanke an das
Gericht die Volksseele ergriffen und dnrch-
schüttert hatte; dies bewirkte einmal die

0 Siehe die Nachweise bei Kraus, Die
Wandgemälde der St. Georgskirche S. 15 ff.
 
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