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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 2
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Probst, Josef: Uebersicht über die Künstler und Kunstwerke Oberschwabens von 1550 bis zum 30 jährigen Kriege, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0025

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19

zum Jahr 1553 (pag. 194) bemerkt:
„Es befinden sich noch jetzt einige Ar-
beiten desselben (Th. Heidelberger) dahier,
theils Figuren, theils Basreliefs, theils
eingelegte Arbeiten, theils fleißigst und
dauerhaft gearbeitete Kästen, die von einer
großen Kunst und Geschicklichkeit zeugen."
Ebenso äußert sich P. Magnus Bernhard
in seiner kleinen Schrift über die Ge-
schichte des Klosters (S. 64), daß Thomas
Heidelberger von Memmingen im Kloster
Ottobeuren von 1547 bis 1558 arbeitete
und daß besonders in der Sakristei „aus-
gezeichnete Ornatkästen sich befinden, welche
Th. Heidelberger für die alte Kindel-
mannsche Küsterei gemacht hatte; beson-
ders reich mit Schnitzwerken und einge-
legten Figuren ist der Kasten an der öst-
lichen Wand, wozu noch andere Kästen
daselbst."

Diese Kästen sind noch vorhanden und
offenbar mit keinen andern zu verwechseln.
Dieselben, sowie die andern unten noch
zu besprechenden Werke der Holzsknlptur
(einschließlich jener von Ochsenhausen),
sind von H. Bischofs, Photograph in Mem-
mingen, ausgenommen worden und können
käuflich von dort bezogen werden. Wir
können ans eine spezielle Beschreibung hier
nicht eingehen, unterlassen jedoch nicht,
als Maßstab der Werthschätzung solcher
Werke anzuführen, daß bei der Ausstellung
derselben in Augsburg, nach mündlicher
Mittheilung ans zuverlässigster Quelle, für
einen derselben die Summe von 40000 M.
geboten wurde.

Hiezu kommt als nicht zu beanstanden-
des Werk des gleichen Meisters ein Flügel-
altärchen (jetzt in dem Sammlnngslokal
des Klosters), polychromirt und von be-
scheidenen Dimensionen. Es trägt kein
Datum, aber die Buchstaben F. C. K.,
welche ans den Abt Caspar Kindelmann,
als den Bauherrn jener Zeit, gedeutet
werden. Wir geben eine Beschreibung
desselben. Wenn auch die Grundform des
Flügelaltars noch ganz der gothischen Pe-
riode angehört, so sind doch hier sämmt-
liche Ornamente in den Formen der Re-
naissance ausgesührt. Bei geöffneten Flü-
geln sieht man als Mittelbild die Kreuzi-
gung Christi in figurenreicher Komposition;
ob dieselbe ein geistiges Eigenthnm des
Th. Heidelberger ist, oder von ihm irgend-

woher entlehnt worden sei, vermögen wir
nicht zu entscheiden. Bei den andern Re-
liefdarstellungen: der Grablegung in der
Predella, der Geißelung und der Dornen-
krönung auf der Innenseite der Flügel ist
die Vorlage ans den ersten Blick zu erkennen.
Es sind die betreffenden Nummern ans
der Kupferstichpassion Albrecht Dürers.
Bei geschlossenen Flügeln sieht man die
Gemälde der Außenseite der beweglichen
Flügel sowie die beiden Malereien, die
an den unbeweglichen Flügeln angebracht
fiub. Ihre Gegenstände sind: Christus
am Oelberg betend; von Judas verrathen
und gefangen genommen; Christus vor
Pilatus und vor Kaiphas. Auch diese
Gemälde sind sämmtlich nach der Kupfer-
stichpassion von Dürer gemacht. Wir be-
merken jedoch, daß weder Gemälde noch
Reliefs einen Anspruch darauf erheben
können, gute Nachahmungen der Vorlage
zu sein; sie fiub sämmtlich schwach aus-
geführt und geben sich nur als unterge-
ordnete Werkstattarbeiten zu erkennen.
Außerdem werden in den Sammlungs-
lokalen des Klosters noch ungefähr ein
Dutzend große Tafeln mit Hochreliefdar-
stellungen ans der Passion ausbewahrt,
von welchen die Tradition sagt, daß sie
aus der Kindelmannschen Bauzeit stammen.

1 Es widerspricht dieser Auffassung nichts;
j aber auch diese können nicht als gut ge-
j lungene Arbeiten bezeichnet werden. Eine
Ausnahme ist nur bei zwei großen Relies-
tafeln zu machen, deren Figuren auch in
größerem Maßstabe ausgesührt sind als
die übrigen, nämlich: der Erlöser betend
am Oelberg und von Judas verrathen
und gefangen. Diese beiden sind ganz
sichtlich nach der Vorlage von A. Dürers
Kupserstichpassion gemacht und in ihrer
Art recht gute Nachahmungen, bei denen
die Schönheit und Energie der Original-
vorlage zu gelungenem Ausdruck kommt.
Hier ist auch der Dürersche Faltenwurf
mit Verständniß wiedergegeben. Wenn
aber die Frage nach der Urheberschaft
dieser beiden Stücke erhoben werden wollte,
so gestehen wir, daß wir bei diesen
Stücken an einen andern, älteren Meister
denken möchten. Daß dieselben nicht zum
gleichen Cykluö gehören können wie die
andern Tafeln, geht schon bestimmt ans
dem größern Maßstab derselben hervor.
 
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