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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 7
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Probst, Josef: Erwiderung auf die Bemerkung von Max Bach in Nr. 6 des "Archivs"
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Gedanken über die moderne Malerei, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0078

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69

zu nennen: Hans Lutz aus Schusseuried hat
den Thurm im fernen Bozen gebaut: der
Grund, weßhalb die Bozener diesen Mann
wählten, ist unbekannt, ohne daß dadurch die
Thatsache selbst zweifelhaft würde.

3) Die Beschreibung, die nur in Abschrift
vorhanden sei, habe nicht den Werth einer
Originalurkunde. Das ist richtig; es ist nur
eine Nachricht, aber dieselbe ist ernsthaft zu
nehmen. Die Sache stünde auch dam: anders,
wenn man es als ausgemacht auuehmeu dürfte,
daß Schongauer nur Kupferstecher gewesen
wäre, daß somit seine Werkstätte Altarbauten
mit Skulpturen und Gemälden gar nicht hätte
anuehmen können. Allein dieser Ansicht ist
auch Herr Bach nicht. Er gibt zu, daß man
die Jsenheimer Flügelbilder im Colmarer
Musenm ihm mit großer Wahrscheinlichkeit
zuschreiben dürfe; daß er in seiner letzten
Zeit in Breisach mit Fertigung von Altären
beschäftigt gewesen sei. Wenn somit seine
Werkstätte so eingerichtet war, daß er der-
artige Arbeiten übernehmen ttnb ausführen
konnte, so ist es nicht eine an sich absurde
Nachricht, daß er auch für Biberach einen
Auftrag ausgeführt habe.

Gedanken über die moderne Malerei.

(Schluß.)

Theorie und Praxis müssen sich wieder näher
treten, darum auch Atelier und Studierstube,
Zeichen--, Mal- und Hörsaal wieder aneinander
grenzen. Die Bild ungsgrnudlagen des
K ü u st l e r st a n d e s müssen tiefer gelegt
werden. Neben tüchtigen philosophisch-ästheti-
schen Studien muß die Kunstgeschichte das theore-
tische Hauptfach bilden, und zwar eine Kunst-
geschichte, welche über Renaissanee, Mittelalter
und Klassizismus hinauf führt bis zu den hellen
klaren Quellen altägyptischer Kunst. Die Pflege
des philosophischen und historischen Sinnes würde
wohlthuend den maßlosen Uebermuth und Dumm-
stolz bannen und jenes demüthige Streben und
jene Pietät gegen die Kunst der Vorzeit erzeugen,
welche allein gesunde Triebkräfte des Fortschritts
sind. Ein wissenschaftliches Examen als Thor-
Wächter am eigentlichen Portal der Kunst würde
viele Unberufene fernhalten, das schreckliche An-
wachsen des Kunstproletariats verhindern, die
Konkurrenz einschräuken, diese fruchtbare Mutter
von gewissenlosen Effekthaschereien, verwegenen
Kunststücken und Spekulationen.

Strenge Zucht in den Akademien, Gallerien,
öffentlichen Ausstellungen wird verhüten müssen,
daß die oben beklagte Invasion d e r U n z u ch t
in das Reich der Malerei weiteres Unheil anrichte.
Wenn wir wirklich so arm geworden wären an
christlichem Geist und Sinn, daß die christliche
Moral diese Forderung nicht mehr begründen
dürste, so müßte man doch schon vom rein
natürlichen, hygienischen und nationalen Stand-
punkt, im Interesse des öffentlichen Wohles

und der Zukunft unseres Volkes es für noth-
wendig erkennen, dafür zu sorgen, daß nicht
Akademien und Ausstellungen weitere Sench-
herde der Unsittlichkeit und des moralischen und
physischen Verderbuisses werden. Auch hier ist
es zunächst nicht der Polizeistock, nach welchem
wir rufen. Wir haben vielmehr die Selbstzucht
im Auge, welche die Kunst selber sich angedeihen
lassen soll, durch welche sie ihr Blut von innen
heraus läutert und die unreinen Säfte von innen
abstößt. Sollte aber die Erwartung, daß noch
ein genügender moralischer Fond hierzu in der
modernen Malerei sich finde und daß sie selber
in diesem Punkt die nothwendige Disziplin hand-
haben >verde, sich als trügerisch erweisen, so
müßten wir im eigensten Interesse der Malerei
das Eingreifen der Sittenpolizei für wüuscheus-
werth und nothwendig erachten. Die Freiheit
der Kunst würde dadurch nicht leiden, sondern
gewinnen, so wenig als es die Freiheit des Volks-
lebens etwa beeinträchtigt, wenn man die Prosti-
tuirten unter Aufsicht und Zucht stellt und we-
nigstens das öffentliche Leben in die Grenzen
der Ordnung nnd Wohlanständigkeit zwingt.

Besonders am Herzen liegt uns natürlich d i e
Zukunft der religiösen Malerei, speziell
der eigentlichen Kirchenmalerei. Da es das Be-
streben der Negierungen und der Stolz der
Kunstakademien ist, die Lehrkörper der letztern
aus Vertretern aller Richtungen und Strömungen
zusammenzusetzen und da in deren Gremium
mitunter auch die Modernsten der Modernen
schon Aufnahme gefunden haben, so wäre viel-
leicht die Forderung gerade nicht exorbitant, es
möchte in Anbetracht der Wichtigkeit der reli-
giösen Malerei, welche so viele Hände beschäftigt,
für die Pflege des Kunstsinns im Volk von so
großer Bedeutung ist, auch Jahr für Jahr mit
einem stattlichen Kapitalwerth arbeitet, an jeder
größeren Akademie für genügende und ivürdige
Vertretung der religiösen Schule gesorgt iverden.
Sollte aber dieses Verlangen, Nazarener an den
Kunstschulen lehren zu lassen, zu mittelalterlich
befunden werden, tvird auch in Zukunft wie bis-
her der Unterricht in der religiösen Malerei an
den Akademien vernachlässigt oder perhorreszirt,
so kann den Jünglingen, die sich ihr widmen
tvollen, nur der Rath erteilt werden, ihren Lehr-
gang durch die Akademien zu nehmen, die Tech-'
nik aus den Grund zu erlernen, daneben und
darnach aber fleißig in die Schule der alten
Kunst zu gehen und womöglich sich einem tüch-
tigen Meister der religiösen Kunst anzuschließen.
Und Jüngern und Meistern dieser Kunst kann
man nur empfehlen, öfters bei der Klosterkunst
von Beurvn Exerzitien zu machen, sich von ihr
das Gewissen erforschen und den religiösen Sinn
läutern und kräftigen zu lassen.

Videant consules! Mögen alle, welche dazu
berufen sind, mit Einsicht und mit vereinten
Kräften daran arbeiten, das herrliche Schiff der
Malerei für eine glückliche Fahrt in die Zukunft
seetüchtig nnd klar zu machen. Nun, da wir
uns dem Grenzgestade des XIX. Jahrhunderts
nähern, wird der Wogenschlag stärker, nnd selt-
same Wahrzeichen liegen in der Lust. Schon
ragt aus dem Nebel der Zukunft das scharfe,
 
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