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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 9
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Pfitzer, Anton: Der St. Sebaldaltar in der Heiligkreuzkirche in Gmünd, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0094

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denken. Anch dieser ist ein Zeitgenosse
von Schreyer, 1489 als Meister aus-
genommen, 1529 gestorben. Ans Schreyers
Veranlassung hat Bischer den zweiten Ent-
wurf zum Sebaldnsgrab gemacht und in
der Zeit 1508 bis 1519 dieses Pracht-
werk in Guß ausgeführt. Obgleich er sich
weder in Stein noch in Holz versucht hat,
so laden doch seine Sebaldsdarstellnngen
zur Vergleichung mit dein Gmünder Altar
ein, namentlich die Sebaldussigur an der
Schmalseite des Prachtsarkophags. Von
ihr sagt Lübke in seiner „Geschichte der
Plastik" 2. Band Seite 752: „Der Hei-
lige, in langem Pilgergewande schreitend,
den Stab in der einen, das Kirchenmodell
ans der andern Hand, zeigt in dem ein-
fach großen Faltenwurf und in dem ehr-
würdigen Kopfe mit lang herabfließendem
Barte sich als ideales Charakterbild."

Diesem Idealismus des Rothgießers
steht in diesem Punkte der greifbarste
Realismus Albrecht Dürers schnurstracks
gegenüber. Im „Formenschatz" 1881,
Nr. 75 und 76, findet sich von dieses
großen Meisters Hand ein Holzschnitt mit
Sebalds Bildnis; und der Jahrzahl 1518.
Allem Anschein nach war das Original ein
Entwurf zu einem Altäre. Oben heral-
disch rechts sind die beiden schon erwähnten
Wappen: das dänische mit den drei Löwen
oder Bracken und das fränkische mit den
drei Lilien; links dagegen die beiden Nürn-
berger Wappen. Das Bild des Sebald
ist ganz naturgetreu der Wirklichkeit ent-
nommen. Wäre der Heilige kein wahrer
und echter Dürer, so wäre er wenigstens
ein echter und wahrer Sebald. Nicht in
jugendlicher Kraft und Fülle, sondern schon
als bejahrten Mann, an dem die Stürme
dieses Lebens nicht ohne ihre Wetterzeichen
vorübergegangen sind, faßt er ihn aus und
hat er ihn dargestellt. Als ein echter
Pilger oder Waldbruder tritt er mit dem
rechten Fuße aus einer vollständig der
Renaissance angehörigen Bogenhalle, die
stereotype zweithürmige Sebaldskirche ans
dem rechten Arme tragend. In seiner
Linken hält er seinen Stock mit großem
Knopfe, einen Rosenkranz primitivster Natur
und einen leeren Geldbeutel, dessen Inhalt
er nach Nürnberger Tradition zur Stif-
tuug und Erbauung der seinen Namen
tragenden Kirche verwendet haben soll.

Seine Füße umschließen breit auslanfende,
feste Bundschuhe, während sein Reiseranzen
auf dem Rücken durch eine einfache Schnalle
unter seiner linken Schulter gehalten wird.
Und wie seine ganze Gestalt, so ist auch
seine Gewandung ganz der damaligen
Wirklichkeit entnommen. Seine Kopf-
bedeckung ist halb Hut halb Kapuze; vor-
nen die aufgestülpte breite Krampe mit der
Pilgermuschel. Ein zweiter Dürerscher
Holzschnitt, ebenfalls im „Formenschatz"
ausgenommen, ist diesem ersten gleich wie
ein Ei dem andern. Der Gmünder Se-
bald ist weder dem Vischerschen noch dem
Dürerschen verwandt. Den ersteren über-
ragt er an einfach wahrem Idealismus,
den Dürerschen an einfach erhabenem Rea-
lismus. Dürers Sebald ist ein Mann
ans dem täglichen Leben; Wischers Sebald
aber gehört nicht mehr dieser, sondern
schon einer anderen höheren Welt an.
Verklärter Realismus und irdischer Idea-
lismus aber bieten sich in dem Gmünder
Sebaldsbilde in schönster Harmonie die
Hände. An ihm findet sich nichts Ueber-
schwengliches und Phantastisches, wie auf
der anderen Seite alles Alltägliche ab-
gestreift ist. Er ist Gegenstand der Be-
wunderung und Verehrung für das ge-
wöhnliche, unverdorbene, für das einfach
Schöne und Erhabene empfängliche Kindes-
und Laien-Auge, und er befriedigt anch das
schärfste und geübteste Auge des Kunst-
kenners und Kritikers.

Da wir noch zu keinem festen Resultat
bezüglich der Autorschaft des Altars ge-
langt sind, so möchte ein Pergamentblatt
im Besitz des Germanischen Museums, ver-
öffentlicht im „Anzeiger für Kunde der
deutschen Vorzeit" von Heideloff (S. 198),
Berücksichtigung verdienen.

Die Rückseite zeigt ein Kreuzigungsbild
ans der Schule von Wohlgemnth. Auf
der Vorderseite steht ans blauem Hinter-
grunde ans einem Berge der hl. Sebald,
das Modell der von ihm gegründeten Kirche
auf dem rechten Arme tragend. Neben
seinem Kopfe schweben zwei Engel,
w e l ch e das dänische it it b fränkische
Wappen halten. Am Fuße des Ber-
ges knieen die beiden Stifter: der Kirchen-
meister an der Sebaldnskirche, Sebald
Schreyer, und sein Amtsgenosse an der
Lorenzkirche, Paul Volkamer, der Stifter
 
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