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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 10
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Pfitzer, Anton: Der St. Sebaldaltar in der Heiligkreuzkirche in Gmünd, [4]
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Der Chor der ehemaligen Klosterkirche in Blaubeuren, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0102

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91

wohl ein Schüler Albrecht Dürer's und
zwar derselbe sein, welcher den Altar in
Schwabach gemalt habe." Wie immer die
Sachverständigen über diesen Punkt ur-
theilen mögen, so viel steht auch für den
Laien auf dem Gebiete der Knust fest:
Der Sebald-Altar besteht aus drei Theilen:
1) dem Hauptbilde, 2) der Malerei auf
den Flügelthüren und 3) der Darstellung
der 14 Nothhelfer auf der Predella. Jedes
dieser drei Stücke ist aber das Werk einer
anderen Hand.

Könnte daher bei dem einen oder an-
deren dieser drei Theile positiv festgestellt
werden, aus welcher Werkstätte er her-
vorgegangen ist, so würde man bezüglich
der beiden anderen Theile in dieser Be-
ziehung kaum im Zweifel sein können.
Es ist ja wohl fast mit Sicherheit anzu-
nehmen, daß der Stifter des Altars, dieser
gewiegte Kunstkenner und große Knnst-
freund, sich zur Fertigung desselben nicht
in drei Werkstätten erst umgesehen, sondern
die Arbeit einem seiner beiden erprobten
Freunde, einem Wohlgemuth oder Dürer,
zur Ausführung übertragen haben wird.

Der Lhor der ehemaligen Kloster-
kirche in Blanbeuren

ist bekanntlich ganz besonders reich an
herrlichen Werken der Skulptur und Ma-
lerei, welche unzweifelhaft Ulmischer Her-
kunft sind. Zwei beinahe gleichzeitig er-
scheinende Publikationen haben sich die
Aufgabe gesetzt, die immer noch nicht ge-
nügend bekannten Meisterwerke in Abbil-
dungen weiteren Kreisen zugänglich zu
machen.

Den hochberühmten Skulptnrenschmuck
des Chores, erstmals in tadellosen photo-
graphischen Reproduktionen vor Augen zu
führen, ist der Zweck des schönen Werkes
von Hofphotograph H. S ch nler i n Heil-
bronn: Die plastis ch en B ildw er ke
der Klosterkirche zu Blanbeuren
(sieben Originalphotographien in Groß-
Folio. Selbstverlag, 1893).

Einen Einblick in die plastisch reich
durchwirkte Architektur des Chores selbst
und einen Ueberblick über die Jnnendis-
position desselben und den Standort der
einzelnen Meisterwerke gewährt die Tvtal-
Ansicht Tafel 2 nach dem Chorabschlnß

hin und Tafel 3 gegen den Thurm hin,
welcher sich zwischen Chor und Langhaus
erhebt und mittelst einer lettnerartigen
Empore und eines spitzbogigen Portals die
Verbindung zwischen beiden herstellt. Man
erkennt sofort, daß der Bau solchen In-
ventars, das Inventar solchen Baues
würdig ist.

Dem Hochaltars wendet sich alsbald
unser ganzes Interesse zu. Er ist eine
der vornehmsten Erscheinungen in der
großen Familie der gothischen Flügelaltäre;
ein Wandelaltar mit zwei hinter einander
angebrachten Flügelpaaren, mittelst deren
das Aussehen des Altars und sein Bilder-
schmnck dreimal gänzlich verändert werden
kann. Schülers Wiedergabe berücksichtigt
nur die inneren Flügel und nur deren
Innenseiten, welche allein plastisches Bild-
werk haben; die Außenseiten und die bei-
den Seiten der äußeren Flügel sind mit
Gemälden ausgestattet.

Im Aufbau erkennen wir das Bestre-
ben, die an sich harte und eckige Kasten-
form zu schmeidigen und vergessen zu
machen durch reiche Ornamentik in den
oberen Theilen des Schreins und der
Flügel; ganz besonders aber soll ihre
Schwere und Härte aufgehoben und auf-
gelöst werden durch die luftig durchbrochene
Krönung, deren Thürmchen sich frei und
leicht bis zum Gewölbe aufschwingen. Hier
genügt es dem Meister nicht, die archi-
tektonischen Motive, Fialen, Streben, Bal-
dachinsthürmchen so zart als möglich aus-
zubilden, auch nicht sie mit feinem Orna-
mentengespinnst zu dnrchweben, auch nicht
mit ächt spätgothischer Freiheit gerade
Architektnrglieder zu biegen, zu schweifen,
in weiche Schwingung zu versetzen: er
schlingt überdies durch das architektonische
Gerüste Banmzweige hindurch, die in
Blumenkelche ausblühen, welche Brustbilder
tragen, oder in Blumenknäufe, welche als
Consolen für Statuen dienen.

Den Hauptwert bilden natürlich die
Skulpturen, mit denen der Altar jetzt
noch reich ausgestattet ist, obwohl allein

*) Gesammthöhe mit den Stufen: 13,40 m;
Höhe von der Predella an: 11,40 m; Breite:
offen 8 m; Höhe des Kastens ohne Predella:
5,10 m; Höhe der Krönung 5,10 IN. Schülers
Klapptafel gibt den Altar in V20 natürlicher
Größe.
 
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